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Daniela Weingärtner
Es ist keine Schicksalsfrage
Europäischer Gipfel in
Brüssel
Im Vorfeld hatte es Proteste von allen Seiten
gehagelt. Weder das Europaparlament, noch die Kommission oder die
Mitgliedstaaten ließen an dem Finanzpaket, das die britische
Ratspräsidentschaft für die Periode 2007 bis 2013
vorgelegt hatte, ein gutes Haar. Bei Redaktionsschluss lag noch
kein Ergebnis des Gipfels vor. Sicher ist aber: Europas
Zukunftsfähigkeit hängt nicht allein am seidenen Faden
der Finanzplanung. Ebensowenig wie ein Kompromiss Europas
Überleben sichert, bedeutet ein Scheitern das Aus der
Union.
Wenn die europäischen Regierungschefs
übers Geld reden, wird es meistens spät. Deshalb hatte
Tony Blair vergangenes Wochenende die Konferenzräume in
Brüssel vorsorglich bis Samstag reservieren lassen. Denn als
erfahrener Gipfelteilnehmer weiß er, dass die Alphatiere der
Politik erst zu Zugeständnissen bereit sind, wenn ihnen die
Kondition ausgeht. Das war schon 1992 in Edinburgh so, als zum
ersten Mal ein finanzieller Rahmen für sieben Jahre
beschlossen wurde, um neue Mitgliedsländer durch
mehrjährige Strukturförderprogramme zu fördern. So
wurde das Ringen um die "finanzielle Vorausschau" oder die
"Finanzagenda" erst in den 90er-Jahren zum festen Bestandteil des
Gipfelrituals. Die lange Gipfelnacht von Berlin, als Gastgeber
Schröder nach zähem Ringen die "Agenda 2000"
präsentierte, ist manchem wohl noch im
Gedächtnis.
Vor ständig erweiterter Kulisse
vollzieht sich nun zum dritten Mal das gleiche Spektakel: Die
Länder, die von den Agrarbeihilfen am meisten profitieren -
allen voran Frankreich - wollen daran nicht rütteln. Dieses
Fördersystem ist schon mehrfach reformiert, im Kern aber nicht
angetastet worden. Es wurde von den Gründervätern der EU
entwickelt, die Hunger am eigenen Leib erlebt hatten. Butterberge
und Milchseen waren damals noch unvorstellbar. Obwohl Europa heute
auf ein weltweites Nahrungsmittel-Angebot zurück greifen kann
und Mitglied der Welthandelsorganisation ist, die Agrarsubventionen
verbietet, macht der Agrarhaushalt noch immer 40 Prozent des
EU-Budgets aus.
Diese Beihilfen werden vollständig aus
dem Gemeinschaftsetat bezahlt, während alle anderen
Subventionen von den jeweiligen Regierungen mitfinanziert werden
müssen. Im Oktober 2002 haben die EU-Regierungen auf
deutsch-französischen Druck hin einstimmig beschlossen, die
Agrarförderung bis 2013 nicht anzutasten. Ähnlich
unbeweglich wie die Franzosen bei der Agrarförderung zeigen
sich die Briten bei ihrem 1984 von Margaret Thatcher ausgehandelten
Rabatt. Er war als Entschädigung dafür gedacht, dass
Großbritannien wegen eines fehlenden bäuerlichen
Mittelstands deutlich weniger von landwirtschaftlichen Beihilfen
profitiert und deshalb mehr in den Brüsseler Topf zahlte, als
es herausbekam. Großbritanniens Wirtschaft geht es inzwischen
deutlich besser als zu Thatchers Zeiten, doch der Britenrabatt
wächst parallel zum EU-Haushalt. Mit anderen Worten: Die
Kosten der Erweiterung lasten vor allem auf den anderen
Nettozahlern Deutschland, Niederlande und Schweden. Ihnen hatte
Großbritannien in seinem letzten Kompromissvorschlag
finanzielle Zugeständnisse angeboten. So sollte Deutschland
für den Planungszeitraum bis 2013 nur 0,15 Prozent seiner
Mehrwertsteuereinnahmen an die EU abführen, Schweden und die
Niederlande nur 0,1 Prozent. Alle anderen Mitgliedstaaten sollten
wie bisher mit 0,3 Prozent zur Kasse gebeten werden. Den
Niederlanden wurde zusätzlich ein Rabatt von 210 Millionen
Euro jährlich in Aussicht gestellt, Schweden sollte 150
Millionen Euro erhalten. Beide Länder winkten allerdings ab,
weil sie ihre Nettobelastung immer noch als zu hoch
ansahen.
Der letzte Vorschlag der Luxemburger
Präsidentschaft lag bei 871 Milliarden Euro, was 1,06 Prozent
des Bruttoinlandsproduktes (BIP) entspricht. Er scheiterte Ende
Juni auf dem letzten Gipfel hauptsächlich am Widerstand der
Briten. Sie legten einen Tag vor dem von ihnen organisierten Gipfel
einen Vorschlag vor, der 849,3 Milliarden kosten sollte, also 1,03
Prozent des BIP. Die Einsparungen erreichten sie durch eigene
finanzielle Zugeständnisse und durch eine Kürzung der
Strukturhilfen für die neuen Mitgliedsländer Osteuropas
um zehn Prozent. Das britische Angebot, für den gesamten
Planungszeitraum zusätzlich 8 Milliarden Euro beizusteuern,
die nur den neuen Mitgliedstaaten zu Gute kommen sollen, rief bei
den anderen Regierungen wenig Begeisterung hervor. Die
Kürzungsvorschläge bei den Strukturfonds lehnten nicht
nur die betroffenen Länder ab. Es gehe schließlich darum,
den Lebensstandard innerhalb der EU möglichst rasch
anzugleichen Doch der Agrarhaushalt ist für die nächsten
sieben Jahre bereits verplant. Bei ihrem Rabatt können die
Briten aus innenpolitischen Gründen allenfalls kleine
Zugeständnisse machen. Deshalb muss bei den anderen Posten
gespart werden: Bei Forschung und Strukturförderung, bei der
gemeinschaftlichen Terrorismusbekämpfung und der gemeinsamen
Entwicklungs-, Nachbarschafts- und Außenpolitik. Also genau in
den Bereichen, die den EU-Bürgern besonders am Herzen
liegen.
Wie auch immer die Regierungschefs
entscheiden - das EU-Parlament muss dem Paket ebenfalls zustimmen.
Die Parlamentarier lehnen es aber ab, das Budget, wie von den
Nettozahlern im Rat gefordert, auf ein Prozent des BIP zu
begrenzen. Sie argumentieren, dass die EU sich nicht ständig
für neue Politikfelder wie die gemeinschaftliche
Grenzsicherung, eine Chemieagentur oder Konfliktschlichtung
zuständig erklären kann, ohne dafür mehr Mittel
bereit zu stellen.
Einen Finanzvorschlag, der noch hinter den im
Juni nicht konsensfähigen 1,06 Prozent der Luxemburger
Präsidentschaft zurückbleibt, will das Parlament nicht
billigen. Im Haushaltsverfahren müssten Rat und Parlament dann
jedes Jahr gemeinsam überlegen, wie viel Geld ausgegeben wird.
Bedauerlich ist nur, dass der leidige Streit um die Finanzen von
Medien und Politikern zu Europas Schicksalsfrage stilisiert worden
ist. Dabei hat das Gezänk ums Geld auch in den Hochzeiten der
EU nie aufgehört. Doch auch ein Finanzkompromiss auf sieben
Jahre wäre keine Garantie dafür, dass es mit Europa
wieder aufwärts geht.
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