|
![](../../../layout_images/leer.gif) |
Daniela Weingärtner
Gerechter Handel in weiter Ferne
WTO-Gipfel in Hongkong
Sie alle hatten anfangs ein heeres Ziel vor
Augen - den ärmeren Ländern, den Zugang zu den
Weltmärkten zu erleichtern, um damit einen Beitrag im Kampf
gegen die Armut zu leisten. Auf dem vom 13. bis 18. Dezember
laufenden Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO)
hätten eigentlich die Zölle der 149 Mitgliedstaaten neu
geregelt werden sollen. Bei Redaktionsschluss sahen die Teilnehmer
aber kaum noch Verhandlungsspielraum, um diesem Ziel näher zu
kommen, denn in Hongkong geht es um weit mehr.
In der laufenden Welthandelsrunde sollen
für alle Bereiche des Handels, also Agrargüter,
Industriewaren, Dienstleistungen und geistiges Eigentum, die
Zölle neu festgelegt werden. Die EU hat angeboten, die eigene
Landwirtschaft künftig weniger zu schützen und die
Einfuhrzölle um bis zu 60 Prozent zu senken. Ferner sollen die
Agrarsubventionen, die auf dem Weltmarkt zu unfairen
Startbedingungen führen, weiter gekürzt werden. Als
Gegenleistung wollen die Europäer erreichen, dass die
Schwellen- und Entwi- cklungsländer ihre Märkte für
europäische Industriegüter und Dienstleistungen
öffnen. Bislang schützen diese Länder ihre heimische
Produktion durch hohe Einfuhrzölle, weil sie fürchten
müssen, sonst von der Konkurrenz überrollt zu werden.
Würde zum Beispiel Brasilien seine Zölle auf PKW senken,
würden die Brasilianer keine teuren Autos aus eigener
Produktion mehr kaufen, sondern billige Importe.
Ende 2006 laufen die derzeit geltenden, in
Doha beschlossenen Vereinbarungen aus. Die Entwicklungsländer
könnten das eigentlich gelassen sehen. Ganz ohne
Zollverpflichtungen sind sie besser dran als mit Abkommen, die
ihren Interessen nicht nützen. Doch die Finanzinstitute machen
Druck. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist
überzeugt, dass freie Märkte für alle Beteiligten
die größten Entwicklungschancen bieten. Betreiben
Länder eine protektionistische Han-delspolitik, dreht der IWF
den Kredithahn zu. Außerdem geraten ärmere Länder
dann dadurch in die Zwickmühle, dass ihnen mächtige
Handelspartner bilaterale Abkommen aufzwingen, deren Bedingungen
oft noch ungünstiger sind.
Doch die Länder des Südens lernen
allmählich, ihre Interessen auf der Weltbühne besser zu
verteidigen. Mangelnde Erfahrung und unzulängliche
Beraterstäbe machen sie dadurch wett, dass ein Nomadenstamm
von Hilfsorganisationen wie Oxfam, Greenpeace oder WWF von
Konferenz zu Konferenz zieht und lautstark und bunt für die
Rechte der Ärmsten demonstriert. Auch in Hongkong haben diese
Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) ihre Zelte aufgebaut und
machen mit Demonstrationen und oftmals spektakuläre Aktionen
auf ihren Standpunkt aufmerksam.
Die Welthandelsorganisation ist eine ziemlich
junge Organisation. Erst 1995 wurde sie gegründet, um das
Welthandelsabkommen GATT auf andere Wirtschaftsbereiche
auszudehnen, da das GATT nur den Warenverkehr regelte. 149 Staaten
sind bereits Mitglied in der WTO, gerade kam Saudi-Arabien als
jüngstes Mitglied hinzu. China trat kürzlich bei, und
Russland möchte gern Mitglied werden. Von außen gesehen
ist die WTO also attraktiv. Doch wer dazu gehört, spart nicht
mit Kritik. Die mächtigen Industrieländer wünschen
sich, dass die Zollschranken noch konsequenter abgebaut werden.
Gerade die armen Entwicklungsländer fürchten, dass ihre
Wirtschaft den rauhen Regeln des Freihandels nicht gewachsen
ist.
Alle zwei Jahre treffen sich die
Handelsminister der WTO-Staaten. Während bei den
Vorgesprächen in Genf EU-Kommissar Peter Mandelson für
die gesamte EU sprach und sein Mandat auch für die
Verhandlungen in Hongkong galt, hat am Ende jedes Mitgliedsland
eine Stimme. Beschlüsse werden einstimmig gefasst.
Demokratischer geht es nicht, sagen die einen. Den armen
Ländern werde mit Zuckerbrot und Peitsche, mit
Entwicklungshilfe und der Drohung, Kredite zu kürzen, die
Zustimmung abgepresst, sagen dagegen die Kritiker der
WTO.
Wer verstehen möchte, worum es in den
WTO-Verhandlungen geht, wird sich wahrscheinlich von den
kryptischen Abkürzungen abschrecken lassen. WTO zum Beispiel
steht für World Trade Organisation. Auch in der deutschen
Übersetzung bleibt es bei diesem Akronym, denn die Buchstaben
WHO sind bereits vergeben an die Word Health Organisation, die
Weltgesundheitsorganisation.
Das GATT ist der Vorläufer der WTO,
inzwischen aber auch eins ihrer Abkommen, das den Warenhandel
regelt. Dagegen geht es beim GATS, das 1995 mit Gründung der
WTO verabschiedet wurde, um den freien Dienstleistungsmarkt. Dieses
Thema beschäftigt nicht nur die EU-Staaten in Form der
Dienstleistungsrichtlinie, sondern spielt auch auf dem Weltmarkt
eine große Rolle. NAMA schließlich umfasst den Handel mit
allen Gütern, die nicht zur Landwirtschaft gehören.
Paradoxerweise werden auch Holzwirtschaft, Fischerei und
Bodenschätze in diesem Rahmen geregelt. Hier sind die reichen
Länder besonders an einer Marktöffnung interessiert. Wie
zersplittert die Interessen innerhalb der WTO sind, zeigt die
Grüppchen-Bildung. Es gibt mehr als ein Dutzend informelle
Kreise, die ihre Verhandlungspositionen abstimmen.
Die großen Ministertreffen der WTO sind
in den Augen der Globalisierungskritiker zunehmen zum Symbol eines
Freihandels geworden, von dem nur die Reichsten profitieren. Nach
gewaltigen Protesten der beim Gipfel 1999 in Seattle (USA) wurde
zwei Jahre später in Doha beschlossen, in der kommenden
Verhandlungsrunde die Interessen der armen Länder stärker
zu berücksichtigen. 2003 in Cancún (Mexiko) schlossen
sich diese Länder erstmals zu Verhandlungsgruppen zusammen.
Inzwischen zeichnet sich ab, dass es auch in Hongkong keine
Einigung geben könnte, die Zugeständnisse der
Industrieländer an die armen Staatenweiterhin zu gering
ausfallen.
Zurück zur Übersicht
|