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K.Rüdiger Durth
Berlin setzt auf Karlsruher Urteil
Höhere Mehrwertsteuer lässt die
Hauptstädter hoffen
Das mit knapp 60 Milliarden Euro verschuldete
Land Berlin plant für das kommende Jahr keine großen
Sparmaßnahmen. Denn im Herbst 2006 wird ein neues
Abgeordnetenhaus gewählt. Geht es nach dem seit 2001
Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) soll die
rot-rote Senatskoalition vom Wähler bestätigt werden.
Möglich ist aber auch eine Neuauflage der rot-grünen
Koalition. Neue Umfragen bescheinigen der Berliner SPD, dass sie
gute Aussichten hat, erneut stärkste Fraktion zu werden. Auch
wenn Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wegen seines bislang
rigiden Sparkurses zu den unbeliebtesten Spitzenpolitikern
zählt, so verweigert ihm inzwischen selbst die Opposition
nicht ihren Respekt. Denn seine Politik, die nicht selten auch in
der eigenen Partei für Verärgerung gesorgt hat, beginnt
zu wirken.
Das zeigte sich bei der endgültigen
Beratung und Verabschiedung des Doppelhaushaltes für die Jahre
2006 und 2007: Ohne Zinszahlungen und geplante Verkäufe von
Landeseigentum sieht der Haushalt für das Jahr 2007 erstmals
seit 1990 wieder einen Überschuss vor. Und zwar in Höhe
von 17 Millionen Euro. Tendenz steigend, meint Sarrazin, der die
Überschüsse zur Tilgung der Schulden verwenden will.
Allerdings rechnet Berlin nach wie vor mit einem Erfolg seiner
Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, über die
wahrscheinlich im kommenden Jahr entschieden wird.
Danach soll das höchste deutsche Gericht
den Bund dazu verurteilen, einen Teil der Berliner Schuldenlast zu
übernehmen. In Höhe von rund 35 Milliarden Euro. Dann
könnte Berlin die Zinsen für seine restlichen Schulden
(die bis 2008 auf insgesamt 66 Milliarden Euro klettern werden) aus
den zu erwirtschaftenden Überschüssen finanzieren.
Gleichzeitig wäre ein solches für Berlin positives Urteil
eine gute Wahlhilfe für den rot-roten Senat, wenngleich die
Klage auch von den Oppositionsparteien gutgeheißen
wird.
Noch aber muss der Senat die vollen
Zinszahlungen für die Jahre 2006 und 2007 in den Haushalt
einstellen - im kommenden Jahr 2,4 Milliarden Euro, was mehr als
zehn Prozent des Gesamthaushaltes von 20,2 Milliarden Euro
entspricht. Im Jahr 2007 sind mit einem Haushaltsvolumen von 20,1
Milliarden Euro 2,5 Milliarden Euro Zinsen fällig. Diese
Zinszahlungen rauben dem Senat fast jeden Spielraum.
2007 könnte für Berlin ein gutes
Jahr werden. Dann erhofft sich der Senat allein aus der
Erhöhung der Mehrwertsteuer, die zum 1. Januar 2007 in Kraft
treten soll, Mehreinnahmen von 360 Millionen Euro. Auch muss das
Land bis 2007 aufgrund von EU-Vorschriften seine Bankgesellschaft
verkaufen. Diese war zu Beginn des neuen Jahrhunderts wegen nicht
abgesicherter Kredite ins Schleudern geraten und hatte zum Bruch
der großen Koalition in Berlin unter dem Regierenden
Bürgermeister Eberhard Diepgen geführt. Vor dem Berliner
Landgericht laufen noch einige Prozesse gegen führende
Mitarbeiter.
Doch für den Finanzsenator ist etwas
anderes interessant: Die Bankgesellschaft - von der beispielsweise
die profitable Weberbank bereits verkauft worden ist - gilt als
saniert und wird bei einem Verkauf nach Bankenschätzungen zwei
Milliarden Euro erbringen. Sarrazin erhofft sich freilich drei
Milliarden Euro. Offen ist, ob von diesem Geld dann nicht noch
vorhandene Immobilienrisiken abgesichert werden müssen. Die EU
hatte der Rettung der Bankgesellschaft durch den Berliner Senat nur
unter der Bedingung zugestimmt, dass sie bis spätestens 2007
verkauft wird. Ein Konkurs wäre für das Land Berlin
freilich noch teurer geworden.
Bis zum Jahr 2009 will Berlin die Zahl der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes von derzeit 117.000 auf
104.000 reduzieren. Das ist auch im Vergleich zu den anderen
Bundesländern dringend erforderlich. Lediglich Polizei, Justiz
und Feuerwehr dürfen 2006 insgesamt rund 1.500 Stellen neu
besetzen. Hingegen wird es keine Einstellung neuer Lehrer geben, da
im laufenden Jahr aufgrund falscher Berechnungen der
Bildungsbehörde 300 Lehrer zuviel eingestellt worden sind.
Gesenkt wird auch in den kommenden Jahren die Zahl der Referendare
an Schulen von 1.900 auf 1.500, was dem Land Einsparungen von rund
zwölf Millionen Euro bringt.
Einnahmen reichen nicht aus
Für 2006 rechnet Finanzsenator Sarrazin
mit Einnahmen von 17,1 Milliarden Euro, die sich aus
Bundeszuschüssen, dem Länderfinanzausgleich,
Verkäufen von Landeseigentum, Steuern und Gebühren
zusammensetzen. Allerdings reichen diese Einnahmen nicht aus, um
die Ausgaben von 20,2 Milliarden Euro zu finanzieren. Deshalb
müssen in diesem Jahr 3,1 Milliarden Euro neue Schulden
gemacht werden. Für 2007 ist eine Neuverschuldung von 0,7
Milliarden Euro weniger eingeplant - obwohl das Haushaltsvolumen
2007 lediglich 100.000 Euro niedriger ist als das für das Jahr
2006. Aber es steigen ja auch 2007 die Einnahmen. Etwa aus der
Mehrwertsteuer.
Fast kein Ressort wird bei den weiter
geltenden strengen Sparvorschriften ausgespart. Selbst die Polizei
nicht, die wegen der Fußballweltmeisterschaft zusätzlich
gefordert ist. Sie muss noch einmal 6,5 Millionen Euro einsparen.
Die Wohlfahrtsverbände erhalten 2006 für
Gesundheitsprojekte nur noch elf Millionen Euro, 600.000 Euro
weniger als bislang. 2007 werden es noch einmal 200.000 Euro
weniger sein. Immerhin gibt es für Integrationsmaßnahmen
rund eine halbe Milliarde Euro mehr.
Grünes Licht gibt es auch für den
Neubau einer Justizvollzugsanstalt im brandenburgischen
Großbeeren, um die Überbelegung der Berliner
Gefängnisse abzubauen. Die neue Haftanstalt für
Männer, die 2010 fertig sein soll, ist auf 87 Millionen Euro
veranschlagt. Entlastung gibt es für Berlin in der Kultur, da
sich der Bund bereit erklärt hat, die Kosten für die
Akademie der Künste künftig aus seinem Etat zu
übernehmen.
Schlecht sieht es auf Berlins Straßen
aus, die sich zum Teil in einem äußerst desolaten Zustand
befinden. Bis einschließlich 2007 sinken die Ausgaben für
den Straßenbau von jetzt 35 auf 26 Millionen Euro. Und wie
sieht es mit den Risiken des Doppelhaushaltes aus? Es fehlen Gelder
für die geplante Sanierung des Internationalen
Kongresszentrums (ICC) und der Staatsoper sowie des Steglitzer
Kreisels. Dazu kommen risikobehaftete Ausgaben für die
Eigenbetriebe des Landes, aber auch bislang nicht genau
bezifferbare Ausgaben für Arbeitslose. Auch ist offen, was
geschieht, wenn sich die streikenden Ärzte der Charité,
dem größten Universitätsklinikum Europas, mit ihren
Forderungen nach höheren Gehältern
durchsetzen.
Der rot-rote Senat ist überzeugt, dass
Berlin nicht noch mehr sparen kann. Die Opposition gesteht der
Landesregierung zwar zu, es mit dem Sparen ernst zu meinen,
möchte allerdings andere Akzente setzen. Nicht wenige
Landespolitiker sind der Meinung, dass noch nicht genug gespart
wird, dass von dem von Wowereit 2001 angekündigten "Sparen bis
es quietscht" noch nicht viel zu spüren sei.
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