Erik Spemann
"Lichtschale aus Glas"
Bayerns Landtag hat einen neuen
Plenarsaal
Für den Bayerischen Landtag hat ein neues Zeitalter
begonnen, jedenfalls in Bezug auf sein "Allerheiligstes", den
Plenarsaal im Prachtbau des Münchner Maximilianeums über
der Isar: Der alte war zwar durch Redeschlachten in 55
Parlamentsjahren geadelt worden und hatte mit seinen knarzenden
Pulten und eng stehenden Sitzen seine besondere Atmosphäre,
doch Brandschutz, Klimaanlage und die ehrwürdige
Nachkriegstechnik waren hoffnungslos veraltet. Bevor die Baufirmen
Hand anlegten, hatten die Abgeordneten noch die - eifrig genutzte -
Gelegenheit, ihre alten Plenarstühle abzuschrauben und
mitzunehmen.
Mit einer schlichten, aber feierlichen Zeremonie ist nun
entsprechend des Konzeptes des Berliner Architekten Volker Staab in
15-monatiger Bauzeit für 9,9 Millionen Euro ein
Schmuckstück moderner Saal-Architektur eingeweiht worden - mit
kirchlicher Segnung durch Friedrich Kardinal Wetter und den
evangelischen Landesbischof Johannes Friedrich. Die Volksvertreter
beraten nun auf roten Sesseln in einer raffiniert und
großzügig gestalteten Welt aus hellem Holz (Furnier aus
Eiche gebleicht, Natur), lichtdurchlässiger Glasdecke und
teilweise eben solchen Seitenwänden. Dazu jede Menge Technik.
Parlamentspräsident Alois Glück (CSU), der auch die
reibungslose Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Architekten,
Ingenieuren, Planern und den 81 Baufirmen lobte, meinte
hochzufrieden: "Bisher habe ich zum neuen Plenarsaal nur erfreute
Stimmen gehört."
Auf einer Nutzfläche von 580 Quadratmetern wurden für
die insgesamt 180 Landtagsabgeordneten nur 164
Volksvertreter-Sessel montiert, die sich - wie im Bundestag - vor-
und zurückschieben sowie drehen lassen. Die ins Kabinett
berufenen Abgeordneten sitzen ausschließlich auf der
Regierungsbank, zusätzliche Sessel werden nur zu besonderen
Anlässen herbeigeschafft. Auf der zum Teil über die
Abgeordnetensitze ragenden Zuschauertribüne gibt es
Stühle für 133 Personen, darunter 46 für
Pressevertreter.
Ein "Schmankerl" über der "wohnlichen Raumschale aus Holz"
(Architekt Staab) ist die "Lichtschale aus Glas", die dem
Plenarsaal zu besonderer Lichtfülle verhilft und über die
Vollverglasung des Daches (satiniertes Wärmeschutzglas mit
Prismen) auch an trüben Tagen noch Natur-Helligkeit
hereinlässt. Je nach Bedarf sorgt ein stufenlos zuschaltbares
Innenlicht für die notwendige Beleuchtung des neuen
Parlamentsraumes.
Über zwölf Saalmikrofone kann der
Landtagspräsident Abgeordnete zu Wort kommen lassen. In die
Schalttechnik übernommen wurde der bisher erst einmal
gedrückte so genannte "Revolutionsknopf", mit dem der
Präsident sein eigenes Mikrofon auf "unüberhörbar"
und alle übrigen auf einen Schlag auf stumm stellen kann.
Fortschrittliche Ausstattung
Jeder Abgeordnetenplatz ist Laptop-tauglich. Allein der
Präsident verfügt über zwei feste Computer: Einen,
der ihm den Saal aus vier Kamera-Perspektiven vor Augen führen
kann, und einen, über den er zum Beispiel die Rednerliste
führt. Dieser PC, so hat ein findiger Landtagsberichterstatter
herausgefunden, verschafft dank Windows nebenbei auch noch Zugang
zu nicht gelöschten Computerspielen - rein theoretisch
natürlich nur.
Die fortschrittliche Ausstattung mit Saalkameras macht
schließlich regelmäßige Live-Übertragungen von
Plenarsitzungen im Internet möglich. Die Bürger
können daheim am Computer die Debatten in Bild und Ton und mit
ergänzenden Textinformationen verfolgen, über ein
Videoarchiv auch noch nachträglich. Neben dem Plenarsaal wurde
ein "Raum der Stille" eingeweiht, ein auf SPD-Initiative hin
verwirklichter Gebets- und Meditationsraum. Er liegt unmittelbar
neben dem neu gestalteten SPD-Fraktionssaal, durch den im Notfall
auch der Fluchtweg führt - umgekehrt geht es nicht.
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