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Volker Koop
Rote Karte für öffentliche Hand
Die Zahlungsmoral von manchen Behörden ist
"unerträglich"
Polizisten des Abschnitts 52 in Berlin mochten
ihren Augen nicht trauen: Dort, wo eigentlich Renovierungsarbeiten
hätten erledigt werden sollen, herrschte Stille. Die
Handwerker waren abgezogen, weil die öffentliche Hand ihre
Rechnungen nicht bezahlt hatte und mit insgesamt rund 2,5 Millionen
Euro in der Kreide stand. Dass Handwerker zu diesem letzten Mittel
des Protests greifen, ist sicherlich die Ausnahme; dass ihre
Rechnungen nicht beglichen werden, dagegen keineswegs. Der
öffentliche Dienst spielt dabei eine unrühmliche
Rolle.
Allein im Bereich der Berliner
Handwerkskammer klagt jede zweite Firma über die
zögerliche Zahlungsweise, die nicht zuletzt die
Existenzfähigkeit vieler - nicht nur kleiner - Unternehmen
gefährdet. Rechnungen bezahlt der Bund im Durchschnitt erst
nach 82 Tagen, klagt Handwerkskammerpräsident Stephan Schwarz
und bestätigt damit Erfahrungen von Inkasso-Unternehmen, nach
denen öffentliche Auftraggeber heute schlechter zahlen als
noch vor Jahresfrist, und dies, obwohl mit dem Gesetz zur
Förderung der Zahlungsmoral dieses Problem ein für alle
Mal hatte gelöst werden sollen.
Dass dieses Ziel nicht erreicht wurde, ist
unter den im Bundestag vertretenen Fraktionen unbestritten.
Matthias Berninger, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, verweist auf erhebliche
Liquiditätsprobleme, in die viele Unternehmen, vor allem in
der Baubranche, aufgrund der Verzögerung oder Verweigerung von
Zahlungen gerieten. In der Regierungszeit der Grünen seien die
Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches so verändert
worden, dass fällige Zahlungen schneller eingefordert werden
könnten. Die Verzugszinsen seien erhöht worden, und der
Verzug trete auch ohne Mahnung 30 Tage nach Zugang einer Rechnung
ein. Während sich die Zahlungsmoral von Geschäftskunden
deutlich verbessert habe, sei die der öffentlichen Hand
weiterhin sehr schlecht. Berninger spricht denn auch von einem
"unerträglichen Zahlungsverzug durch die öffentliche
Hand", dem seine Fraktion unter anderem dadurch begegnen wolle, die
Gebietskörperschaften, die Zahlungsfristen nicht einhielten,
im Internet zu veröffentlichen. Geführt werden solle
dieses Register vom Bundeswirtschaftsministerium: "Es wird wenig
schmeichelhaft sein, zum Beispiel das Ranking der am schlechtesten
zahlenden Kommunen anzuführen."
Gerade öffentliche Auftraggeber sollten
mit gutem Beispiel vorangehen und ihren Zahlungsverpflichtungen
gegenüber Werkunternehmen nachkommen, fordert Paul K.
Friedhoff. Der mittelstandspolitische Sprecher der
FDP-Bundestagsfraktion plädiert die Rechtsgrundlage
hierfür zu verbessern und die stecken gebliebenen
Gesetzesvorhaben zum Forderungssicherungsgesetz wieder aufzunehmen.
Allerdings gebe es keine Patentlösungen gegen Gaunereien.
Einerseits könne der Auftraggeber nicht gezwungen werden,
innerhalb einer bestimmten Frist Forderungen von Werkunternehmen
nachzukommen, wenn der Auftrag nicht fachgerecht ausgeführt
worden sei. Andererseits gebe es Auftraggeber, die bewusst
einkalkulierten, dass ein Kleinunternehmer sich einen langwierigen
Rechtsstreit um seine - berechtigten - Forderungen nicht leisten
könne. Friedhoff will eine gesetzliche Regelung, nach der eine
Forderung des Werkunternehmers zunächst anteilig beglichen
werden müsse und erst danach über etwaige Mängel
gestritten werden dürfe, bis hin zu einem eventuellen
Gerichtsprozess. Der Auftraggeber müsste somit nicht für
mangelhafte Arbeit voll bezahlen, und der Werkunternehmer
könnte zunächst wenigstens mit einem Teil seiner
Forderung rechnen und würde sein Risiko mindern,
zahlungsunfähig zu werden. Dazu müsste das Instrument der
"vorläufigen Zahlungsanordnung" umgesetzt werden, das bereits
im Rahmen des Forderungssicherungsgesetzes erarbeitet worden sei.
In der Zwischenzeit sollten sich vor allem die öffentlichen
Auftraggeber ihrer Verantwortung gegenüber dem Mittelstand
stellen und nicht durch Hinhalten und Verzögern weiter
wertvolle Arbeitsplätze bei den Werkunternehmern
gefährden und vernichten.
Auf die zunächst präventive Wirkung
eines Forderungssicherungsgesetzes geht Herbert Schui,
wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, ein: Die
Möglichkeit verspäteter Zahlung könne nicht in den
Finanzierungsplan eingearbeitet werden. Um das Gesetz weiter zu
verbessern, würden sich genauere Regelungen zur einbehaltenen
Garantiesumme empfehlen. Vor allem Handwerksbetriebe litten
darunter, dass oft unverhältnismäßig hohe Summen
zurückgehalten würden. Nun gebe es sicherlich Pfusch am
Bau, und dies werde angesichts des erheblichen Preisdrucks nicht
weniger. Eine Lösung des Problems könne darin bestehen,
dass die zurückgehaltene Summe vom Schuldner verzinst werde.
Zeige sich ein Schaden, so verliere der Gläubiger das Anrecht
auf die Zahlung des Zinses. Sei jedoch alles in Ordnung, so sei die
geschuldete Restsumme einschließlich der Zinsen zu zahlen. Das
sei nicht unbillig, denn schließlich spare der Schuldner
Kreditkosten, wenn er einen Teil des Rechnungsbetrages aus
Garantiegründen einbehalte. Hierbei müsse der Zins der
Höhe der Sollzinsen bei Betriebskreditmitteln entsprechen.
Wichtig ist für Schui, dieses bei einer Novellierung des
Gesetzes zu beachten: "Öffentliche Auftraggeber sind oft die
mächtigeren Vertragspartner. Kleine Unternehmen
befürchten, bei der Auftragsvergabe nicht mehr
berücksichtigt zu werden, wenn sie auf der strikten Einhaltung
des abgeschlossenen Vertrages bestehen. Entsprechend muss das
Gesetz das erzwingen, was der kleinere Vertragspartner nicht
kann."
Wenn verzögerte Zahlungen der
öffentlichen Hand immer wieder Gegenstand von Beschwerden der
Unternehmen und Verbände seien, sei dabei zu bedenken, dass
bei öffentlichen Aufträgen regelmäßig die
Verdingungsordnung Bau (VOB) vereinbart werde, die die Abschlags-
und Schlusszahlungen des Auftragsgebers festlege. Eine Verbesserung
in diesem Bereich könne, so der Vorsitzende der Arbeitsgruppe
Wirtschaft und Technologie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Laurenz
Meyer, daher in erster Linie nur durch eine Änderung der VOB
erfolgen, für die der Verdingungsausschuss für das
Bauwesen zuständig sei. Trotz mancher Initiative seiner
Fraktion in den vergangenen Jahren, die eher das Verhältnis
zwischen Unternehmer und privaten Bauherrn betroffen hätten,
habe die rot-grüne Koalition 1999 lediglich das "Gesetz zur
Beschleunigung fälliger Zahlungen" auf den Weg gebracht. Damit
seien Veränderungen im BGB Werkvertragsrecht vorgenommen
worden, die allerdings wenig Wirkung entfaltet hätten. Die
Bund-Länder-Arbeitsgruppe habe dann ein
"Forderungssicherungsgesetz" auf den Weg gebracht, dessen
Verabschiedung durch Rot-Grün verhindert worden sei. Im
Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD sei dieses Gesetz als
Initiative gleichwohl genannt, und inzwischen habe auch der
Bundesrat das Vorhaben erneut auf den Weg gebracht. Laurenz Meyer:
"Der Bundestag wird sich also in absehbarer Zeit wieder mit dem
Thema beschäftigen. Dabei ist es unbedingt notwendig, die
Probleme der nachlässigen Zahlung der öffentlichen Hand
in die anstehenden Beratungen mit einzubinden."
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