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Robert Luchs
Rente wird auf Pump gezahlt
Bund musste im Dezember mit hohem Kredit
aushelfen
Der Vorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund hat auf einem
Presseseminar in Würzburg schweres Geschütz aufgefahren.
Sollten die im Koalitionsvertrag der neuen Regierung festgelegten
Vereinbarungen umgesetzt werden, "dann wäre dies eine Abkehr
vom bisherigen breiten rentenpolitischen Konsens". Der
Vorstandsvorsitzende Alexander Gunkel, der für die Arbeitgeber
im Vorstand der Rentenversicherung sitzt, betonte, mit den
vorgesehenen Maßnahmen würden alle Zielgrößen
deutlich verfehlt. Vor allen Dingen die geplante Festschreibung der
Bundeszuschüsse hätte fatale Folgen. Bei eingefrorenem
Zuschuss würde sich der Bundesanteil an den Rentenausgaben auf
Dauer halbieren. Die daraus entstehenden Lasten würden auf
Beitragszahler und Rentner abgewälzt.
Der Bund überweist jährlich rund 80 Milliarden Euro an
die Rentenversicherung, unter anderem als Bundeszuschüsse oder
als Beiträge für Kindererziehung. Auch
Arbeitnehmervertreterin Ursula Engelen-Kefer warnte den Bund davor,
sich aus der Verantwortung zu stehlen und sich an den in Zukunft zu
erwartenden Mehrbelastungen nicht mehr zu beteiligen. Die
Beitragszahler müssten mit deutlichen steigenden
Beiträgen rechnen. Eine solche Entwicklung wäre aber
auch, so Engelen-Kefer, aus arbeitsmarktpolitischen Gründen
nicht wünschenswert. Sie würde dem Ziel widersprechen,
die Lohnzusatzkosten zu senken. "Die Folgen wären auch eine
weitere Verunsicherung der Bevölkerung und letztlich auch die
wachsende Gefahr von Altersarmut."
Der zweite Punkt im Koalitionsvertrag, nämlich geringere
Rentenversicherungsbeiträge für Empfänger von
Arbeitslosengeld II, hätte ebenfalls erhebliche finanzielle
Konsequenzen. Allein zwei Milliarden Euro fehlten jährlich,
wenn der Bund für Langzeitarbeitslose ab 2007 statt bisher 78
Euro im Monat nur noch 40 Euro an Rentenbeiträgen
abführen würde. Würde dieses Sparmanöver
umgesetzt, so Engelen-Kefer, müsse zum einen der Beitragssatz
zur Rentenversicherung um 0,2 Prozentpunkte erhöht werden. Vor
allem aber würde der ohnehin schon sehr geringe Rentenanspruch
nochmals nahezu halbiert. Schon nach geltendem Recht erwirbt ein
Bezieher von Arbeitslosengeld II für ein volles Jahr des
Leistungsbezugs nur eine Rentenanwartschaft von 4,24 Euro
Monatsrente. Nach der beabsichtigten Neuregelung wären es nur
noch 2,18 Euro.
Allein diese beiden ersten Punkte des Koalitionsvertrages, so
rechnete Alexander Gunkel vor, würden die mittelfristige
Finanzentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung gravierend
verändern. Schon im Jahr 2007 müsste der Beitragssatz auf
20 Prozent und 2008/2009 auf 20,1 Prozent angehoben werden. Die
fehlende Dynamisierung der Bundeszuschüsse zeigt bereits jetzt
ihre Wirkung, denn bereits im Jahr 2007 müsse der monatliche
Beitragssatz um ein weiteres Zehntel angehoben werden,
erläuterte der Vorstandsvorsitzende.
Außerdem sieht die Koalitionsvereinbarung vor, dass ab dem
Jahr 2012 die Regelaltersgrenze in Monatsschritten vom 65. auf das
67. Lebensjahr angehoben werden soll, spätestens im Jahr 2035
soll diese Anhebung abgeschlossen sein. Auch diese
Überlegungen, so Engelen-Kefer, seien innerhalb der
Rentenversicherung "in hohem Maße umstritten". Die
stellvertretende DGB-Vorsitzende räumte zwar ein, dass die
Anhebung der Altersgrenzen langfristig einen entlastenden Effekt
auf die Rentenfinanzen haben würde. Andererseits komme es
durch die Regelung aber auch zu einer Mehrbelastung, nämlich
dann, wenn die Älteren tatsächlich länger arbeiten
und später in Rente gehen. Dann führe der in die
Rentenformel eingefügte Nachhaltigkeitsfaktor zu einer
stärkeren Rentenerhöhung. Diese zehrten die beabsichtigte
Entlastungswirkung um rund die Hälfte wieder auf.
Sofern den Versicherten nicht die Wahl bleibt, bis zur
angehobenen Regelaltersgrenze zu arbeiten, sondern sie - etwa
aufgrund der Arbeitsmarktsituation - nach wie vor mit 65 oder noch
früher in Rente gehen müssen, führt die Rente mit 67
aufgrund der Rentenabschläge faktisch zu einer
Rentenkürzung. Die Anhebung der Altersgrenze, betonte
Engelen-Kefer, fände von allen Optionen zur Anpassung an den
demografischen Wandel in der Bevölkerung mit Abstand die
geringste Akzeptanz. "Ohne eine entsprechende Verbesserung der
Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmer wird die Umsetzung
dieses Vorschlags auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen."
Engelen-Kefer warnte außerdem davor, die Beiträge zur
Krankenversicherung der Rentner weiter zu erhöhen. Die Rentner
müssen heute schon neben der Hälfte des allgemeinen
Beitragssatzes zur Krankenversicherung den besonderen Beitragssatz
von 0,9 Prozent voll tragen. Müssten die Rentner die
Kassenbeiträge alleine bezahlen, dann hätte dies auch
deutliche Auswirkungen auf die Rendite der Versicherten. Der
Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor
Hans-Jürgen Papier, habe mehrfach deutlich gemacht, so
Engelen-Kefer, dass es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar
wäre, wenn die Beitragsrendite von heute zwischen vier und
fünf Prozent dann negativ ausfallen würde.
Alexander Gunkel zeichnete ein düsteres Bild von der
finanziellen Lage der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Finanzen
haben sich angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung und hoher
Arbeitslosigkeit noch schlechter als bisher angenommen entwickelt.
Erstmals mussten die Rentenkassen im Dezember einen Kredit in
Höhe von 900 Millionen Euro vom Bund in Anspruch nehmen.
Andernfalls hätten die Renten für diesen Monat nicht
pünktlich ausgezahlt werden können. Zuvor war noch von
einem Kreditvolumen von 600 Millionen Euro die Rede gewesen.
Bereits in den Vormonaten war die Rentenversicherung gezwungen
gewesen, Zuschüsse des Bundes vorzuziehen.
Die Schwankungsreserve der Versicherung, heute
Nachhaltigkeitsrücklage genannt, wird damit von 32 Prozent
einer Monatsausgabe auf nur noch sieben Prozent beziehungsweise
rund eine Milliarde Euro sinken - ein absoluter Tiefststand. Im
nächsten Jahr soll sich die Lage allerdings etwas entspannen.
Das liegt daran, dass die Arbeitgeber die
Sozialversicherungsbeiträge künftig am Monatsende
überweisen müssen. Mit dieser neuen Regelung konnte eine
Erhöhung des Beitragssatzes vermieden werden, sodass dieser im
Jahr 2006 unverändert bei 19,5 Prozent bleiben kann. Das neue
Verfahren berge allerdings "unvorhersehbare Probleme", wie Gunkel
betonte. Diese entstünden durch die knappe Zeitspanne von der
Beitragsabführung und der Weiterleitung der Beträge bis
zur Rentenauszahlung. Das werde sich vor allem Ende Februar
bemerkbar machen.
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