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Ines Gollnick
Der "Chefhaushälter": Otto Fricke
Parlamentarisches Profil
Otto Fricke, verheiratet, drei Kinder." So stellt er sich vor.
Der FDP-Abgeordnete Fricke ist ein offener Typ, der gerne, viel und
schnell erzählt, so auch im Interview mit "Das Parlament" in
seinem Krefelder Wohnhaus. Er macht es anderen nicht schwer, ihn
kennen zu lernen. Einige nennenswerte Eigenschaften sind für
ihn Neugierde und Belastbarkeit, Lust an der Arbeit, auch wenn es
spät wird. Aber es sei ja gar nicht so entscheidend, seine
Stärken zu kennen, sondern eher die Schwächen, findet er.
"Ein Politiker stolpert immer über seine Schwächen."
Ungeduldig sei er hier und da. Manchmal überfalle ihn das
"Klugscheißersyndrom". Vom Niederrheiner und von Anwälten
sage man, sie könnten über alles reden, auch wenn sie von
nichts eine Ahnung hätten. Seine Selbstironie könnte
schon wieder als Stärke gelten. Und was er so richtig gerne
macht: Hier und da seinen Antworten ein lateinisches Zitat
beimixen: "Audiatur altera pars - immer die andere Seite
hören." Das müsse für das politische Geschäft
nicht nachteilig sein. Dabei erfüllt der neue Vorsitzende des
Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages manches Klischee
eines liberalen Politikers: Seitenscheitel, rahmenlose Brille,
dunkler Anzug, Krawatte ("eines der wenigen Schmuckstücke, die
der Mann tragen kann"), und dann ist er auch noch Rechtsanwalt.
Einer der rechnen kann, obwohl er Anwalt ist, betont er gerne. Der
bisher eher unbekannte Niederrheiner beginnt gerade seine zweite
Legislaturperiode und macht schon Schlagzeilen, weil er im 16.
Deutschen Bundestag dem Haushaltsausschuss vorsitzt. Mit dem
Vorsitz in einem der wichtigsten Parlamentsausschüsse hat er
einen großen Karrieresprung getan. Als seine Nominierung in
der Fraktion öffentlich wurde, stieg das mediale Interesse an
ihm sprunghaft an. Vorher hatte er weder ein hohes Parteiamt inne,
noch war er durch verbales Austeilen öffentlich in Erscheinung
getreten. Er war als Haushaltspolitiker unter anderem
Berichterstatter für die Einzelpläne "Wirtschaft und
Arbeit", sowie für "Gesundheit und Soziales", eine Aufgabe, in
die er viel Kraft gesteckt hatte. Als ganz unbeschriebenes Blatt
geht der neue "Chefhaushälter des Parlaments" also nicht in
den Ausschuss, der sich um die Ausgaben des Bundes kümmert.
Dabei würde ihn nichts so sehr freuen, als wenn er diesen Job,
den immer ein Oppositionspolitiker innehat, bald wieder los
wäre. "Ich will, dass die FDP wieder in die Regierung kommt!"
Jedenfalls ist Fricke jetzt erstmal in der Position, durch die
Auseinandersetzung mit dem Haushalt das komplexe Gebäude
Bundesrepublik Deutschland viel besser zu verstehen. Er wählt
ein leicht verständliches Bild: "Wenn ich hier am Spinnennetz
ziehe, klingelt es an drei anderen Fäden."
Die neue Macht im Ausschuss übersetzt er mit "Wächter
über die Finanzen" und meint damit die Ausgaben. "Wenn ich
einen schlanken Staat will, kann ich das nur über die Ausgaben
erreichen", so Fricke. Das sei im privaten Leben auch nicht anders.
Die "ehrenvollere Aufgabe" sei, der Familie zu sagen, dass man sich
bestimmte Dinge nicht mehr leisten könne. "Ja", sagt der
Anwalt Fricke zum gegenwärtigen Zeitpunkt, "der Haushalt
wäre formal verfassungsgemäß, wenn es eine
Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gäbe".
Diese sei gegenwärtig jedoch nicht erkennbar. Was er nicht
sieht, ist das Bemühen, mittels der erhöhten
Kreditaufnahme auch eine etwaige Störung abzustellen. Es gebe
ein geringes Wirtschaftswachstum, das sei aber nicht das
eigentliche Problem. Vielmehr seien es die hohen Sozialkosten, an
die man ranmüsse. Eine Abwehr einer Störung sei also nur
möglich, wenn man beispielsweise die Renten ins Visier nehme.
Das werde aber 2006 nicht passieren. Faktisch tue die Regierung
nichts, sondern ließe die riesige Verschuldungssumme 2006
durchlaufen.
Da schwebt dem Haushälter und FDP-Politiker etwas ganz
anderes vor, und er verweist auf das "Liberale Sparbuch", das ein
Volumen von rund zwölf Milliarden Euro ausmache. Fricke
schlägt Streichungen an vielen Stellen vor, auch an den
"Dickschiffen" Rente und Hartz-IV-Leistungen. Entscheidend sei,
dass der Bürger das Gefühl hat, dass überall gespart
würde. Und ganz wesentlich sei, dass mehr Leute in Jobs
kommen. Anders sei die Haushaltsproblematik nicht zu lösen.
Anders formuliert: Der Haushalt kommt für ihn nur dann in
Ordnung, wenn die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie und im Ausschuss für Arbeit und
Soziales erfolgreich arbeiten. Wohl kein Politikfeld ist mit so
hohen Risiken behaftet wie die Haushaltspolitik. Deshalb heißt
für Fricke das Zauberwort auch Transparenz. "Ich würde
den gesamten Haushalt transparent machen und darlegen, wie ich zu
den Zahlen komme. Welche Ausgaben sind geplant, wo sind
Mehrausgaben angedacht?" Auch Fricke weiß um die "Beliebtheit"
der Haushälter im Bundestag. Stellt sich die Frage, wie er
sich selber vor dem "Lobbying" der Kollegen und Kolleginnen
schützt. "Mit Transparenz", so seine kurze Antwort. Die wolle
er im Ausschuss herstellen und für den Bürger nach
außen ebenso. Ihm geht es vor allem auch darum, zu
verdeutlichen, wo die langfristige Gefahr drohe. "Wir können
uns hier gar nicht vorstellen, dass ein Staat pleite geht." Ein
Rentner in Argentinien könne das aufgrund der Geschehnisse
dort mittlerweile aber.
Anwälten wie Fricke liegt die Parteilichkeit im Blut. Er
weiß jedoch: Im Ausschuss steht dem Vorsitzenden
Zurückhaltung gut an. "Es fällt mir noch manchmal schwer.
Da kommt dann die Anwaltsmentalität einfach durch", gibt er
zu. Aber der Ausschussvorsitzende sei auch kein "politischer
Kastrat", meint er. Im Plenum wird er weniger reden und wenn, dann
weniger mit einer "Meinungsposition". In Diskussionsrunden
"draußen" will er jedoch seine Meinung kundtun, dabei aber
persönliche Angriffe vermeiden. Das sei eh nicht sein Stil.
Fricke versteht sich als Dienstleister gegenüber dem
Bürger und auch gegenüber den Medien. Zu bleiben, wie er
ist, das hat er sich vorgenommen. Vor allem will er seine
Schwächen nicht verdecken. Wer mit Fricke spricht, erlebt eine
Eigenschaft, die er sicher nur schwer abstellen kann: Der Politiker
zieht jeden in einen verbalen Geschwindigkeitsrausch. Er weiß
um diese Schwäche, er schult sich deshalb regelmäßig
in Kommunikation, lässt Reden analysieren. Er ist eben einer,
der gerne denkt und reflektiert, auch über seine Rolle und
seine Aufgaben. Immer wieder stößt der Abgeordnete auf
die zwei Seelen in seiner Brust, die des Juristen und die des
Politikers. Juristen seien oft konservativ, weil sie im Studium
lernen, dass sie sich an dem orientieren sollen, was ist, an der
Gesetzgebung und an der Rechtsprechung. Politiker aber finden
heraus, was ist, analysieren es und überlegen, wie man es
besser machen kann. Nichts sei gefährlicher als die Schere im
Kopf, findet er.
Er ist sprachbegabt, ein Talent, das er von der Mutter geerbt
hat. Er spricht Niederländisch. Lehrmeister war der Fernseher
in einer Zeit, als es bei ihm zu Hause nur fünf Programme gab,
davon zwei aus Holland. Das verschafft ihm nicht nur an Wahlabenden
Interviews beim holländischen Fernsehen. Er arbeitet auch in
der deutsch-niederländischen Parlamentariergruppe mit.
Englisch beherrscht Fricke fließend. Das schätzen Medien
wie die BBC und CNBC. Nur eines wünscht sich wohl auch dort
jeder: dass er manchmal ein paar Gänge mit der
Sprechgeschwindigkeit herunterschaltet.
Internet: www.otto-fricke.de
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