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Alva Gehrmann
"The girl from Templin"
Das Deutschlandbild im internationalen
Nachrichtenjournalismus
An diesem Morgen ist von den knapp 40
Schreibtischen etwa die Hälfte besetzt, es geht ruhig zu.
Richard Quest, Moderator von "Business International", plaudert
noch ein bisschen mit seinen Kollegen, dann schlendert er zum
Moderationsplatz. Um neun Uhr deutscher Zeit ist er auf Sendung von
CNN-Europe.
Be the first to know", so lautet der Slogan
von CNN. Seit über 25 Jahren ist der damals erste
Nachrichtenkanal weltweit auf Sendung. In Atlanta/USA gestartet,
strahlt CNN täglich 24 Stunden Nachrichten aus. Inzwischen
gibt es mehrere regionale Ableger: Aus London, von wo aus auch
Quest sendet, werden zum Beispiel wöchentlich 50 Stunden
Programm produziert, die in Europa, im Nahen Osten und in Afrika zu
sehen sind.
Wie "Business International". In der Sendung
präsentiert Richard Quest aktuelle Wirtschaftsnachrichten,
aber auch politisches: An diesem Morgen berichtet der Brite unter
anderem über ein Selbstmordattentat in Bagdad, die Vogelgrippe
und was in Deutschland los ist - in den Zeiten nach der
Bundestagswahl. Aber auch im Vorfeld war der deutsche Wahlkampf
Thema: "Deutschland ist innerhalb Europas ein wichtiges Land.
Außerdem wurde ein Generationenwechsel vollzogen, das ist
immer spannend", sagt Nick Wrenn, Chefredakteur von CNN
International in London. Und so gab es beim Nachrichtensender
mehrere Specials mit dem Titel "Germany Votes" - sie sollten einen
Einblick in deutsche Politik geben.
Für CNN vor Ort war unter anderem
Europakorrespondent Robin Oakley. Er begleitete zum Beispiel
SPD-Kandidaten Markus Meckel mit dem Fahrrad durch seinen
Brandenburger Wahlkreis und stellte Angela Merkel vor: "The girl
from Templin", nennt er sie. Der Blick von außen ist durchaus
erfrischend. Am Wahlabend berichtete der Brite aus der
CDU-Zentrale.
An diesem Mittag in London kommt Robin Oakley
gerade von 10 Downing Street, dort kommentierte er live für
"Business International" das Treffen von Premier Tony Blair mit dem
irakischen Präsidenten Dschalal Talabani. Nun sitzt der
Reporter in seinem kleinen Büro, durch die Fensterscheibe hat
er stets den Newsroom im Blick. An der Scheibe hängt eine
SPD-Postkarte, sie zeigt Angela Merkel, grimmig blick-end, darunter
steht: "Mindestlohn für Friseure." Das hat Oakley gefallen,
wie für ihn überhaupt der gesamte deutsche Wahlkampf sehr
spannend war.
"Es ist ganz schön schwer, dem
internationalen Publikum die deutsche Politik zu erklären",
sagt der Europakorrespondent. "Besonders kurz nach der Wahl, als es
noch so viele verschiedene potenzielle Koalitionen gab: etwa die
Jamaika-Koalition oder die Ampel." Schließlich kannten die
meisten CNN-Zuschauer vermutlich gerade mal die
Kanzlerkandidaten.
In der britischen Öffentlichkeit wurde
Angela Merkel bisher noch nicht richtig wahrgenommen, umso genauer
beobachtete die Presse ihre ersten Schritte auf internationalem
Parkett. Mit Wohlwollen hörten die Briten ihre
Ankündigung, die Beziehungen zu Großbritannien verbessern
zu wollen. Und waren dann erstaunt, dass die Kanzlerin trotzdem
zuerst nach Frankreich fuhr und erst danach Tony Blair
besuchte.
Am Tag von Merkels Antrittsbesuch in London
gab es ohnehin noch ein anderes Ereignis, über das CNN im
Vorfeld ausführlich berichtete: Die Aufhebung der Sperrstunde
in britischen Kneipen. Es sind zunehmend Boulevardthemen wie diese,
mit denen die Nachrichtensender ihr Programm aufpeppen. So wurde
zum Beispiel wochenlang en détail über den
Michael-Jackson-Prozess berichtet. Das hat dann zwar nicht mehr
viel mit Nachrichtenjournalismus zu tun, aber irgendwie müssen
täglich 24 Stunden werbefinanziertes Programm gefüllt
werden.
Auch die deutschen Nachrichtensender n-tv und
N24 berichteten damals ausführlich über den
Jackson-Prozess. Im Allgemeinen unterscheiden sich die nationalen
Sender aber dadurch, dass sie sich mehr auf die Innenpolitik
konzentrieren. Die Inflation von "Breaking News"-Meldungen ist
jedoch allen Nachrichtensendern gemein, nur die Schwerpunkte sind
verschieden. Ein Selbstmordattentat in Bagdad ist im CNN-Programm
stets eine Eilnachricht, im deutschen News-Geschäft kann es
auch mal nur eine von mehreren Meldungen sein.
Nachrichtensender leben von Katastrophen und
Kriegen. Der Irak-Krieg im Jahr 1991 machte CNN damals
berühmt. Als erster Fernsehkanal sendete er Live-Bilder vom
Krieg. Später schickte CNN, aber auch andere Sender, seine so
genannten "embedded journalists" - eingebetteten Journalisten - an
die Front. Das war und ist umstritten.
Die Konkurrenz im internationalen
Nachrichtenjournalismus ist größer geworden. Gab es
früher nur CNN und BBC World, haben heute viele Länder
ihre eigenen Nachrichtenkanäle. Mehr Sender brauchen mehr
Bilder. Bei der Jagd nach dem exklusiven Material greifen sie nun
auch auf Amateurbilder zurück.
Seien es Bilder vom Hurrikan Katrina, vom
Tsunami oder kurz nach den Bombenanschlägen aus der Londoner
U-Bahn. Der Trend geht hin zum "Civil Journalism" -
Bürgerjournalismus. Die Bilder stammen von Handy-Kameras oder
Privatfilmern. Mittlerweile fordern die Moderatoren ihre Zuschauer
sogar auf, aktuelle Bilder an Yoursview@cnn.com zu schicken. Nah
dran sein, auch wenn die Seriosität der Bildquelle nicht immer
garantiert werden kann. "Natürlich versuchen wir, die Quellen
zu überprüfen", sagt CNN-Chefredakteur Nick Wrenn. Auch
wenn ihm klar ist, dass das bis ins Letzte nie gelingen kann.
"Trotzdem ist es unmöglich, diese Bilder und
Möglichkeiten zu ignorieren."
Nicht nur die Medienlandschaft ändert
sich. Mit der Zeit haben auch die Politiker gelernt, sich vor den
Kameras besser zu inszenieren. "Ich weiß aber nicht, ob das
unbedingt eine gute Entwicklung ist", sagt Korrespondent Robin
Oakley. Der Trend hin zum Entertainment schafft jedoch auch neue
TV-Formate, bei denen Politiker und Stars mal andere Seiten von
sich zeigen können. Etwa in "Quest", dem nach Richard Quest
benannten monatlichen Personality-Magazin.
Darin geht der 43-Jährige, der sonst
klassische Nachrichten moderiert, den großen Fragen auf den
Grund: Was ist das Geheimnis von greatness - also wahrer
Größe? Dazu interviewt er Bill Clinton und den Dalai
Lama, lässt sein eigenes Gehirn untersuchen und es mit dem von
Albert Einstein vergleichen. Für die Folge zum Thema
Schönheit ließ Quest sich "just for fun" Botox in die
Stirn spritzen. "Sehen Sie's?", fragt er, runzelt seine Stirn und
zieht Grimassen. Ja, doch. Da sind nur noch wenige Falten. Alles
mal ausprobieren, das ist das Prinzip seiner Show. Und so ist
Richard Quest inzwischen der neue Star von CNN, denn er verbindet
News und Entertainment.
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