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Karl-Otto Sattler
Spurensuche im Schattenreich
Die CIA-Affäre hat die deutsche
Innenpolitik erreicht
Es wäre eine Zäsur, sollten die USA
nach dem Einlenken von Präsident George Bush gegenüber
dem Kongress den Geheimdiensten ein umfassendes Folterverbot
verordnen. Vorerst aber hat die CIA-Affäre um illegale
Verschleppungen Terrorverdächtiger in geheime Verliese auch
die deutsche Innenpolitik fest im Griff. Noch harrt der Fall El
Masri einer umfassenden Aufklärung. Die Vernehmungen von
Inhaftierten in Guantanamo und Syrien durch deutsche Beamte
provozieren bei der Opposition neue Kritik.
Aufregende Stunden, aufregende Tage, und ein
Ende der Aufregungen um die verwinkelte CIA-Affäre ist nicht
abzusehen. Im Bundestag ist es spannend wie selten, bei den
Äußerungen von Ministern und Abgeordneten werden jedes
Wort und jeder Zwischenton gewogen. Sogar fast sensationell
Anmutendes ist zu erfahren, als CDU-Innenressortchef Wolfgang
Schäuble plötzlich die Vernehmung von Inhaftierten im
berüchtigten Guantanamo und in einem syrischen
"Foltergefängnis" (FDP-Chef Guido Westerwelle) durch deutsche
Sicherheitsbeamte einräumt. Die Türen, hinter denen die
Ausschüsse für Inneres, Äußeres und Recht die
jeweiligen Minister befragen, werden von der Medienmeute umlagert.
Und die Abgeordneten nutzen nach diesen Sitzungen die Mikrofone
dankbar, um das nichtöffentlich Gehörte aus ihrer Sicht
zu interpretieren: Wolfgang Bosbach (CDU) sieht in einem
Untersuchungsausschuss nur ein "politisches Spektakel", für
Walter Kolbow (SPD) ist die Forderung nach einem solchem Gremium
"nicht berechtigt", während für Politiker von FDP,
Linkspartei und Grünen noch vieles ungeklärt
ist.
Der CIA-Skandal um das Kidnapping von
Terrorverdächtigen im Ausland samt deren Transport in dunkle
Verliese hat im Gefolge des Falls Khaled El Masri die Innenpolitik
voll erfasst. Auch wenn das Verlangen nach einem
Untersuchungsausschuss seitens der Opposition inzwischen
verhaltener klingt, so wird angesichts vieler offener und
zusätzlich auftauchender Fragen dieser Konflikt auch im neuen
Jahr Politiker, Medien und Bürger in Atem halten. Es
läuft eigentlich so wie meist bei Affären: Es fliegt
etwas auf, es wird nachgehakt, zuerst wird vieles abgestritten,
manches zunächst brisant Erscheinende verliert an Bedeutung,
dafür drängen sich neue heikle Aspekte auf, unvermutete
Enthüllungen kommen ans Tageslicht.
Es ist nicht einfach, die verworrenen
Fäden dieser Affäre aufzudröseln. Was Politik und
Öffentlichkeit hierzulande umtreibt, ist die Rolle der alten
Regierung und deutscher Institutionen bei der Verschleppung des
offenbar keineswegs terrorverdächtigen Deutsch-Libanesen El
Masri durch die CIA: Wer wusste was wann, was hat die deutsche
Seite zugunsten des Mannes getan, gab es ein Zusammenspiel hiesiger
Geheimdienste oder Behörden mit den Amerikanern? Und wie steht
es generell um die Kooperation deutscher Stellen mit den USA beim
Anti-Terror-Kampf in jener Sphäre, die SPD-Außenminister
Frank-Walter Steinmeier am 14. Dezember im Bundestag als "die
weniger glitzernden Seiten der Macht" umschreibt?
Angesichts des innenpolitischen Streits
rückt der Kern der Kalamitäten etwas in den Hintergrund:
nämlich die CIA-Aktivitäten in Grauzonen rund um
Entführungen, um Tarnflüge im europäischen Luftraum
und um die ominösen "black sites", die geheimen
Gefängnisse in diversen Ländern. Doch aufgeschoben ist
nicht aufgehoben. Die EU-Volksvertretung hat einen Ausschuss zwecks
Aufklärung der CIA-Machenschaften installiert. Im Januar wird
das Parlament des Europarats über die Recherchen des
Sonderermittlers Dick Marty (Schweiz) diskutieren. Und bis Februar
müssen die europäischen Regierungen dem Straßburger
Staatenbund erläutern, wie sie ausländische Geheimdienste
auf ihrem Territorium kontrollieren und wie sie die Respektierung
der Menschenrechtscharta mit ihrem Verbot von Folter und
Freiheitsberaubung durch fremde Dienste sicherstellen. Diese
Debatten zielen auf das Grundproblem der Beachtung
rechtsstaatlicher Maßstäbe bei der Terror-Bekämpfung
und stellen die Beziehungen mit den USA auf den
Prüfstand.
Zu den CIA-Flügen und den
"vermeintlichen Geheimgefängnissen" sagt Steinmeier im
Bundestag: "Da sind viele Fragen offen", Berlin wolle den Europarat
bei seiner Arbeit aktiv unterstützen. Vor dem Rechtsausschuss
lässt Justizministerin Brigitte Zypries erkennen, dass manche
Aktionen der USA beim Vorgehen gegen den Terrorismus nicht auf
allgemein anerkannten Rechtsgrundlagen beruhten. "Hinreichende
Erkenntnisse" über geheime CIA-Flüge im deutschen
Luftraum lägen, so die SPD-Politikerin, jedoch nicht vor.
Allerdings wurde vor dem Ausschuss offenbar, dass es kaum
Kontrollen gibt.
Der Europarats-Beauftragte Marty seinerseits
sieht jedenfalls den Verdacht erhärtet, dass die CIA unter
Beteiligung oder Duldung europäischer Stellen Menschenrechte
verletzt hat. Ermittlungen deuteten darauf hin, dass der
US-Geheimdienst Personen "entführt und in andere Länder
gebracht" habe. Es sei schwer vorstellbar, insistiert Marty, dass
diese Aktivitäten "ohne eine gewisse Zusammenarbeit oder eine
gewisse Passivität" von Behörden, Geheimdiensten oder
Regierungen in Europa stattfanden. Ob die Bundesrepublik eine
weiße Weste hat? Diese Frage schwingt bei der weiteren
innenpolitischen Aufklärung des Falls El Masri mit. Was war in
den zurückliegenden Jahren hierzulande wirklich los im Umfeld
der CIA-Tätigkeiten? Häufig wird die Kooperation beider
Seiten schlicht als unverzichtbarer Informationsaustausch
dargestellt, was auf den ersten Blick recht unproblematisch
klingt.
Die bislang wohl spektakulärste
Neuigkeit ist Schäubles Enthüllung im Plenum des
Bundestags und im Innenausschuss, dass Vertreter hiesiger
Sicherheitsbehörden Gefangene in Guantanamo und in Syrien
vernommen haben - also an Orten, die unter begründetem
Folterverdacht stehen. In Syrien handelt es sich um den Deutschen
Haydar Zammar, der vor vier Jahren in Marroko verschwand und
mutmaßlich von der CIA in das arabische Land verschleppt
wurde. In Guantanamo dreht es sich um den lange Zeit in Bremen
lebenden Türken Murat Kurnaz, der in der Kuba-Enklave ohne
Anklage festgehalten wird. Laut "Süddeutscher Zeitung"
verhörten deutsche Geheimdienstler in Guantanamo zudem den
gebürtigen und in Duisburg wohnhaften Mauretanier Ould
Slahi.
Ruprecht Polenz (CDU) und Dieter
Wiefelspütz (SPD) rechtfertigen die Reisen nach Guantanamo und
Syrien. Aus dieser Sicht sind angesichts der Bedrohung durch den
Terrorismus derart gewonnene Erkenntnisse bedeutsam für die
Verhinderung von Anschlägen. Schäuble kündigte im
Innenausschuss an, dass künftig BKA-Beamte im Ausland
Inhaftierte nicht mehr befragen dürften, wenn kein
Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts läuft. Man
müsse "noch strenger auf die Trennung von BKA und Diensten
achten", so der Minister im Bundestag. Eine Absage an den Einsatz
von Geheimdienstlern in solch sensiblen Situationen ist von
Schäuble indes nicht zu hören.
Die Enthüllungen über die
fragwürdigen Verhöre bringen jedoch die Opposition erst
recht auf die Palme. Petra Pau von der Linkspartei fragt, was
Vertreter von BKA und BND ausgerechnet in Syrien zu suchen
hätten, das schließlich von den USA zum "Schurkenstaat"
erklärt worden sei. Werner Hoyer (FDP) ist dagegen, die
"Früchte des Folterns" indirekt durch Vernehmungen der
Betroffenen zu ernten. Christian Ströbele (Grüne) sagt es
so: Man wolle die Folter wohl nutzen, "ohne sich selbst die
Hände schmutzig zu machen". Parteifreund Wolfgang Wieland:
"Ein Outsourcen von Folter darf es nicht geben."
In der El-Masri-Affäre selbst lichtet
sich inzwischen mancher Nebel, während anderes immer noch der
Klärung harrt. So scheint Frank-Walter Steinmeier als ehedem
für die Geheimdienste verantwortlicher Kanzleramtschef
zusehends aus der Schusslinie zu geraten: Auch Oppositionelle wie
die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast sagen, dass
die zuständigen Regierungsstellen und Behörden im Gefolge
der Unterrichtung von Kanzleramt und Außenministerium durch El
Masris Anwalt Manfred Gnjidic im Juni 2004 die nötigen
Schritte unternommen hätten. Merkwürdig mutet freilich
das Schweigen Otto Schilys und Joschka Fischers an, die es
vorzogen, in der Bundestagsdebatte gar nicht erst zu erscheinen.
Der Ex-Innenminister war schließlich als erster von
US-Botschafter Daniel Coats über das Fiasko der
Entführung El Masris nach Afghanistan ins Vertrauen gezogen
worden und hatte sein Wissen für sich behalten. Auch der
ehemalige Außenminister mag sich nicht erklären. Kein
Wunder, dass Union und FDP in dieser Wunde der Grünen bohren.
Der CSU-Abgeordnete Eduard Lintner: "Was hat eigentlich Fischer
getan?"
Steinmeier weist jede Verstrickung von
Sicherheitsstellen in den Fall El Masri zurück, es habe keine
Hilfe bei dessen Verschleppung gegeben. Gegen "infame
Vorwürfe" dieser Art verwahrt sich der Außenminister
vehement.
Zu den seltsamen Wendungen der Affäre
gehört auch, dass El Masri ohne jede Resonanz immerhin
fünf Monate spurlos verschwunden war. Gregor Gysi von der
Linkspartei prangert dieses Kidnapping als "schweres Verbrechen"
an. Max Stadler fragt, warum sich in dieser langen Zeit niemand
gewundert habe. Der FDP-Politiker will wissen, wieso die CIA
für die Aufklärung der Verwechslung fünf Monate
brauchte und ob es Rückfragen bei den Deutschen gab. El Masris
Anwalt bestreitet entschieden den Vorwurf, sein Mandant habe von
den USA ein Schweigegeld erhalten. Entsprechende Andeutungen hat
Schäuble unter Hinweis auf das Gespräch zwischen Schily
und Coats gemacht. Gnjidic fordert den CDU-Innenminister auf,
dieses "böse Gerücht" mit Belegen zu
untermauern.
Die Große Koalition hat wohl nicht
geahnt, schon wenige Wochen nach ihrem Start mit einer derart
massiven Krise konfrontiert zu werden. Seit ihrem Treffen mit
US-Außenministerin Condoleezza Rice hält sich Kanzlerin
Angela Merkel in der leidigen Angelegheit im Übrigen
auffällig zurück. Nun, in den Fußangeln der
Geheimdienstwelt haben sich schon manche verheddert. Selbst ein
George W. Bush bleibt von politischen Heimsuchungen dieser Art
nicht verschont. Die CIA lässt grüßen.
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