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Katl-Otto Sattler
Agenten ohne Samthandschuhe
Die USA im Anti-Terror-Kampf
Wir haben die Samthandschuhe ausgezogen": Auf diese ebenso
knappe wie einprägsame Formel bringt Cofer Black schon im
Herbst 2002 die von der CIA nach dem 11. September 2001
eingeschlagene Strategie beim Kampf gegen den Terrorismus. Man
könnte den coolen Spruch des Chefs der CIA-Terrorabwehr CTC so
übersetzen: Der Zweck heiligt die Mittel. Vielleicht muss die
CIA aber nun wieder umdenken. Präsident George W. Bush will
nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen der Forderung des
US-Kongresses offenbar nachkommen, künftig Folterpraktiken
irgendwelcher Art zu untersagen.
Cofer Black liegt ja nicht falsch: Samthandschuhe sind in der
Tat hinderlich, wenn man irgendwo auf der Welt Leute gezielt
tötet, die von der CIA als gefährliche Terroristen
eingestuft werden. Oder wenn man Personen in einem anderen Land
kidnappt und in geheime Kerker nach Jordanien, Ägypten,
Marroko, Syrien, Afghanistan auf mehr schlecht als recht getarnten
CIA-Flügen verschleppt, eventuell waren auch Polen und
Rumänien unter den Destinationen. Und wenn man diese
Geheimgefangenen fernab jeder rechtstaatlichen Aufsicht
unkontrolliert, vermutlich brutal und eventuell unter Foltereinsatz
verhört. Es kann auch Unschuldige treffen, wie man inzwischen
weiß. Gewiss: Der letzte Beweis für diese gruseligen
Dinge fehlt. Aber das international von Bürgerrechtsgruppen,
Staatsanwälten, Medien und von europäischen wie
US-Parlamentariern zusammengetragene Indizienpuzzle ist so
umfassend und detailreich, dass kaum noch Zweifel bestehen
können.
Washington führt nicht nur Krieg in Afghanistan und im
Irak. Auch der Kampf "in der Schattenwelt der Geheimdienste", auch
der Agenteneinsatz "auf der dunklen Seite" (US-Vizepräsident
Richard Cheney) ist in diesen Kreuzzug integriert. Erst diese
Neuausrichtung der CIA hat mit einiger Verzögerung zu all der
Aufregung um Entführungen, Geheimflüge und umstrittene
Verhörmethoden geführt.
Flecken auf der nicht gerade weißen Weste der "Firma" in
Langley gibt es bereits seit langem. Da half man kräftig beim
Sturz demokratisch gewählter, aber nicht US-kompatibler
Regierungen etwa in Persien (1953), in Guatemala (1954) oder in
Chile (1973). 1961 versagte die CIA bei der Schweinebucht-Invasion
auf Kuba. Im Kalten Krieg kämpften sowjetische und US-Agenten
gleichermaßen mit wenig zimperlichen Methoden. Ex-CIA-Leute
organisierten 1972 den Einbruch in die Wahlkampfzentrale der
US-Demokraten, der Watergate-Skandal sollte Richard Nixon das
Genick brechen. In den 70ern ließ Langley Tausende von
oppositionellen Bürgerrechtlern in den USA bespitzeln. Die
schmutzige Liste ließe sich verlängern. Der Zusammenbruch
des Sowjetimperiums bewirkte auch bei der "Firma" eine
Abrüstung, Bill Clinton kürzte das Budget der CIA, um die
es für einige Jahre etwas ruhiger wurde. Doch spätestens
seit dem 11. September galt dies nicht mehr. Fortan war wenn nicht
alles, so doch vieles erlaubt.
Feldzug im Namen der Freiheit
Aber kann beim Einsatz gegen Terroristen wirklich der Zweck die
Mittel heiligen? Kann man gegen den Terror einen Feldzug im Namen
der Freiheit führen, wenn man selbst
freiheitlich-rechtsstaatliche Normen verletzt? In Europa, wo die
Straßburger Menschenrechtscharta Folter und
folterähnlichen Praktiken durch Staatsorgane kategorisch
untersagt, mutet dies unglaublich an.
Da werden, so die recherchierten Indizienketten, Gefangene
außerhalb des eigenen Landes herumtransportiert und in einer
Art exterritorialen Gefängnissen festgesetzt, um sie der
Reichweite der US-Justiz zu entziehen. Bei Verhören wird
feinsinnig unterschieden zwischen Folter im engeren Sinne und der
so genannten "Folter lite" - Schläge ohne Verletzungen
gehören dazu, nach Berichten von Bürgerrechtlern und
Medien werden Verhaftete zuweilen in eiskalte Zellen mit zehn Grad
minus gesteckt oder beim "waterboarding" dem Gefühl des
Ertrinkens ausgesetzt. Indizien nähren den Verdacht, dass
für besonders üble Sachen schon mal Helfer in diesen und
jenen Ländern herangezogen werden, etwa im arabischen
Raum.
Außenministerin Condoleezza Rice erklärte während
ihres Europabesuchs, US-Bedienstete unterlägen auch im Ausland
der Anti-Folter-Konvention der UNO, womit also auch eine "grausame"
und "unmenschliche" Behandlung von Gefangenen untersagt wäre.
Nun ist sicher genau zu klären, wie "grausam" und
"unmenschlich" definiert wird. Und die Formulierung von den
"US-Bediensteten" lässt zumindest theoretisch das Schlupfloch
offen, dass vielleicht für andere, die im Auftrag der USA
handeln, die UN-Charta nicht unbedingt gelten muss. Gleichwohl: Die
Worte von Rice waren in dieser Klarheit bisher von US-Seite nicht
zu hören.
Vielleicht bleibt die Kritik aus Europa ja nicht folgenlos. Vor
allem aber hat die Gesetzesinitiative von Senator John McCain, die
auf eine prinzipielle Absage auch an "Folter lite" zielt, die
US-Regierung in die Defensive gebracht. Wie es scheint, will Bush
gegenüber dem Kongress jetzt einlenken. Die CIA-Kritiker
können nicht nur moralisch mit dem Hinweis argumentieren, dass
Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit die
Glaubwürdigkeit der USA untergraben. Politisch von Belang ist,
dass die Methoden der "Firma" einen Keil zwischen Washington und
dessen Verbündete zu treiben drohen. Die Al-Qaida-Terroristen
samt ihrem diffusen Umfeld können sich über die
CIA-Affäre als Nährboden für die Rekrutierung neuer
Sympathisanten freuen. Und nicht zuletzt hat Langley selbst ein
Problem: Was soll mit den Gekidnappten auf Dauer geschehen? In den
USA vor Gericht bringen kann man sie kaum, weil Haft, Verhöre
und Geständnisse unter Folter oder folterähnlichen
Bedingungen dort nicht akzeptiert würden. Will die CIA die
Gefangenen auf ewig um den Globus zu Geheimverliesen hin und her
fliegen? Eine Falle schnappt zu.
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