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Dirk Klose
Bange Blicke auf Tony Blair
Regierung und Bundestagsfraktionen sind besorgt
über EU-Finanzkrise
Besorgnis über die europäische
Finanzkrise und Vorschläge zu ihrer Lösung standen im
Mittelpunkt einer Regierungserklärung mit anschließender
Aussprache am 15. Dezember im Deutschen Bundestag. Mit Blick auf
das am selben Tag in Brüssel beginnende Treffen des
Europäischen Rats appellierten Redner aller Fraktionen an die
Gipfelteilnehmer, in dem sei Monaten schwelenden Finanzstreit zu
einem Erfolg zu kommen und vor allem die Frage des so genannten
Briten-Rabatts, über den nach wie vor großer Dissens
unter den EU-Mitgliedsstaaten besteht, einer für alle Seiten
akzeptablen Lösung zuzuführen.
Unmittelbar vor dem EU-Gipfel hatte
Großbritannien, das derzeit die Ratspräsidentschaft inne
hat, einen zweiten Vorschlag zur Lösung der Finanzprobleme
vorgelegt, dabei aber im wesentlichen an der Höhe des 1984
ausgehandelten Briten-Rabatts festgehalten. Der Vorschlag von
Premierminister Tony Blair war sowohl bei der Kommission in
Brüssel als auch bei mehreren Mitgliedstaaten auf
Zurückhaltung gestoßen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier
(SPD) verhehlte in seiner Regierungserklärung nicht die Sorge,
"dass sich Europa in einer Krise befindet". Mit Blick auf die
Finanzen sagte er, Europa brauche einen verlässlichen
finanziellen Rahmen, inerhalb dessen die EU ihre Politik gestalten
könne: "Wenn wir am Ende dieses Jahres mit dem zweiten Versuch
einer Einigung über den Finanzrahmen erneut scheitern
würden, dann ginge davon ein verheerendes Signal aus." Je
später Finanzmittel bereitstünden, umso langwieriger
werde letztlich der Aufbau- und Aufholprozess gerade der neuen und
noch schwächeren Mitglieder. Steinmeier appellierte an den
Kompromisswillen: "Jedes Land muss seinen Anteil leisten; damit
meine ich, nicht mehr und nicht weniger." Und wenn man von den
Deutschen Sparsamkeit beim Haushalt verlange, müsse das
generell auch für Europa gelten: "Ein sparsamer Haushalt ist
nicht weniger europäisch als ein ausgabenfreudiger
Haushalt."
Nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers
Andreas Schockenhoff hat der britische Premier Tony Blair die
Erwartungen nicht erfüllt. Am Ende der Präsidentschaft
müsse man feststellen: "Es gab viel Rhetorik und bescheidene
Ergebnisse. Zu der Verfassungskrise Europas ist eine Budgetkrise
hinzugekommen." Schockenhoff wie auch andere Redner verlangten
Solidarität mit den schwächeren Mitgliedsstaaten; man
dürfe nicht, so der Unionsabgeordnete Michael Stübgen,
zulassen, dass Großbritannien sein Privileg schone und die
Bürden auf die ärmeren Länder verlagere.
Für den FDP-Abgeordneten Werner Hoyer
reslutiert die EU-Krise gleichermaßen aus der Verfassungs- und
Finanzkrise sowie einer tiefen Verunsicherung der Bürger in
einer globalisierten Welt: "Die Antwort auf die Herausforderungen
der Globalisierung ist die europäische Integration." Auf das
Thema Finanzen eingehend verlangte Hoyers Fraktionskollege Michael
Link, die vorhandenen Finanzmittel in zukunftsträchtige
Politikfelder umzuschichten und eine europäische
Finanzverfassung zu schaffen, "die klare und transparente Verfahren
für zukünftige finanzielle Vorausschauen enthält".
Link appellierte an die deutschen Gipfelteilnehmer, an der intern
vereinbarten Obergrenze von einem Prozent des deutschen
Bruttonationaleinkommens festzuhalten und sich den teilweise
erheblich höheren Grenzen - die Kommission denkt an 1,24
Prozent - zu widersetzen.
Der Abgeordnete der Linken, Diether Dehm,
atta-ckierte sowohl die britische Ratspräsidentschaft als auch
die "dogmatische Sparpolitik" der Einzelstaaten. Die nach seiner
Auffassung vorgesehene "Privilegierung" hoher Einkommen und
Vermögen führe letztlich zu einem
"Wettbewerbskannibalismus auf die gesamte
Europapolitik".
Rainder Steenblock, Europaexperte der
Grünen, warnte davor, die EU nur als "Netto-Saldo-Politik der
nationalen Interessen" zu begreifen. Der SPD-Außenexperte
Markus Meckel regte an, die Bundesrepublik solle sich viel
stärker als bisher als ein Anwalt der kleineren Nachbarn
begreifen und vor allem den - europawilligen - Staaten des
Westbalkans eine klare Perspektive für eine Annäherung an
die EU geben.
Die Ergebnisse des Gipfels lagen bei
Redaktionsschluss noch nicht vor.
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