10.3.3 Herausbildung
neuer Kooperations formen zwischen staatlichen und
nichtstaatlichen Akteuren
Nicht nur in der nationalen Politik, sondern
auch auf den Weltkonferenzen und in internationalen Organisationen
wird die Einbindung nichtstaatlicher Akteure in politische Prozesse
bereits praktiziert. Nun wird verstärkt darüber
nachgedacht, welche neuen internationalen Kooperationsformen
zwischen (zwischen-)staatlichen, zivilgesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Akteuren dazu beitragen könnten, das Projekt
einer demokratischen und effektiven
Global Governance voranzutreiben.
Zunächst gibt es schon langjährige
und gute Erfahrungen im Bereich von Beratungsverfahren. Dies
gilt für nationale und internationale Entscheidungsprozesse.
Auch in internationalen Institutionen wie der OECD, WTO, IWF und
Weltbank werden nichtstaatliche Akteure bereits gehört. In
manchen Organisationen ist diese Einbindung sogar
institutionalisiert. So existiert in der OECD ein Beirat der
Unternehmerseite (BIAC),49 dem ein Beirat der Gewerkschaftsseite
(TUAC)50 gegen
übersteht. Bei den Vereinten Nationen können sich
internationale NGOs über den Wirtschafts- und Sozialrat
(ECOSOC) für Verhandlungen akkreditieren, bei dem auch seit
1948 der Council for Non Governmental Organisations (CONGO)
angesiedelt ist. Bei der Weltbank gibt es seit 1981 ein
NGO-Komitee. Die reelle Bedeutung dieser Foren ist jedoch sehr
unterschiedlich. Der Politikdialog mit NGOs kann für
(zwischen-)staatliche Institutionen vielfältige Vorteile
haben: die Abschöpfung von Expertise und
Problemlösungskompetenz, die Legitimierung der eigenen Politik
und die Stärkung der eigenen Position gegenüber anderen
Regierungen oder zwischenstaatlichen Organisationen sowie auch die
Früherkennung von gesellschaftlichen Problemen und sozialem
Protest. Um die Perspektive nicht auf die Instrumentalisierung der
NGOs zu verengen, ist für die Vision einer zukünftigen
demokratischen
Global Governance auch der öffentliche Protest
außerhalb der Institutionen wichtig (vgl. Altvater und
Brunnengräber 2002).
Eine aktuell diskutierte
Idee, wie diese Konsultationsverfahren im Rahmen einer Global
Governance ausgebaut werden könnten, bezieht sich auf
Politiknetzwerke und Formen der Netzwerksteuerung (vgl.
Reinicke u.a. 2000, Wolf 2001). Hier geht es darum, verschiedene
Akteure an „Runden Tischen“ zusammenzubringen und
Brücken zwischen dem öffentlichen Sektor, der
Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft zu bauen, oft unter
Mithilfe von internationalen Organisationen.51 Gemeinsam erarbeiten diese Akteure
Vorschläge für Problemlösungen, die dann auf
nationaler Ebene aufgegriffen, parlamentarisch legitimiert und
umgesetzt werden können. Netzwerke sollen so das Verhandeln
globaler Regeln und Standards erleichtern, denn das bei der
Behandlung globaler Probleme vorhandene Konfliktpotenzial ist nur
über die systematische Einbindung aller Konfliktparteien bzw.
„Stakeholders“ zu entschärfen. Außerdem
können Netzwerke bei der Produktion und Verbreitung von Wissen
hilfreich sein und innovative Implementationsmechanismen für
bestehende intergouvernementale Abkommen erarbeiten.
Schließlich schaffen Netzwerke auch Vertrauen unter den
Beteiligten als Basis für jede effektive Kooperation, sorgen
für mehr Transparenz in der internationalen Politik und
können die Partizipationslücke im Bereich globaler
Politik verkleinern. Aber auch Politiknetzwerke könnten zu
Demokratieproblemen führen, wenn die Herausbildung neuer
globaler Machtstrukturen und die dort getroffenen politischen
Entscheidungen nicht mehr hinreichend mit den Menschen vor Ort
verbunden sind.
Bei der
Implementation beschlossener Politiken sind nichtstaatliche
Akteure schon heute hilfreich. Die Vorteile aus staatlicher Sicht
bestehen darin, dass zum Beispiel die sog.
„technischen“ NGOs im Entwicklungsbereich oder auch
privatwirtschaftliche Unternehmen in Einzelbereichen über
spezielle Expertise verfügen, besseren Zugang zu bestimmten
Zielgruppen haben, die Anerkennung von staatlichen Projekten
gegenüber Zielgruppen und der Öffentlichkeit erhöhen
könnten und zudem meist kosteneffizienter arbeiten. Dafür
erhalten sie Zugang zu zusätzlichen Finanzressourcen und
erfahren ggf. auch eine Aufwertung in der Öffentlichkeit bzw.
auf dem Spenden- und Zuschussmarkt. In diesem Sinne können
solche „Public Private Partnerships“ meist produktiv
und zu beiderseitigem Nutzen verlaufen.52 Ebenso kann bei der Evaluation von
Projekten das kritische Potenzial von NGOs genutzt werden. Kritiker
sehen jedoch eine rein technische Einbindung von NGOs ohne die
Möglichkeit auch zum politischen Diskurs über Ziele von
Politiken mit Skepsis. Sie verweisen auf die Gefahr der
Instrumentalisierung und Kooptation (vgl. Brand u.a. 2000:
123ff.).
Empfehlung 10-13 Einbezug
nichtstaatlicher Akteure in Global Governance
Zum Zwecke einer
verbesserten Transparenz von und der Partizipation nichtstaatlicher
Akteure an
Global Governance sollte zivilgesellschaftlichen NGOs,
Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften auch bei IWF, Weltbank
und WTO ein Konsultativstatus zuerkannt werden, den sie bereits in
UN-Organisatonen besitzen. Bei allen internationalen Organisationen
sollten Anhörungs-, Petitions- und
Beschwerdemöglichkeiten geschaffen werden. Minis-terien und
andere öffentliche Institutionen, die sich noch nicht für
den Dialog mit NGOs geöffnet haben, sollten dies tun.
Außerdem sollten gesetzliche Grundlagen für den Zugang zu
Informationen in den staatlichen Einrichtungen und internationalen
Organisationen entwickelt werden – ähnlich dem
US-amerikanischen „Freedom of Information Act“. Dies
umfasst einen rechtlich gesicherten Zugang zu Informationen sowie
ein Recht auf die Einspeisung von Informationen und Vorschläge
in die offiziellen Kommunikationskanäle. Die Bundesregierung
sollte sich auf nationaler wie auf internationaler Ebene für
die Umsetzung dieser Ziele einsetzen.
Die
Institutionalisierung des Dialogs sollte behutsam und in
demokratischer Verantwortung geschehen. Traditionelle Beiräte
u.ä. Konstruktionen könnten durch zu starke
Formalisierung zu bürokratischer Erstarrung führen. NGOs
sollten aber von staatlicher Seite grundsätzlich in gleicher
Weise wie wirtschaftliche Verbände und Sozialpartner behandelt
werden.
Um
zivilgesellschaftliches Engagement, das eine für die
Gesamtgesellschaft nützliche Tätigkeit im Sozial-,
Menschenrechts- oder Umweltbereich darstellt, zu unterstützen,
sollte die Institutionalisierung gesellschaftlicher Vernetzung und
partizipativer Dialoge bis zu einem gewissen Maße finanziell
unterstützt werden. Dies könnten etwa Foren zur
Abstimmung von gesellschaftlichen Positionen und Aktivitäten
sein, die auch einen Zugewinn an Transparenz, Legitimität und
Effektivität in der Zusammenarbeit von staatlichen und
nichtstaatlichen Akteuren ermöglichen sollten.
49 Business and Industry Advisory
Committee.
50 Trade Union Advisory Committee.
51 Ein klassisches Beispiel für ein solches
globales Politiknetzwerk war die „World Commission on
Dams“ (WCD), sie bestand aus zwölf Mitgliedern, die alle
verschiedenen Stakeholders repräsentierten, und wurde durch
ein 50-köpfiges Forum ergänzt. Am 16. November 2000
stellte die WCD ihren Bericht vor und löste sich auf (vgl.
Kapitel 7.5.2.3und
http://www.dams.org/30. April 2002).
52 Allerdings sind private Akteure nicht
notwendigerweise immer effektiver und effizienter – und der
Staat trägt zudem weiter das Risiko. Dazu kommt die Gefahr der
schädigenden Kartellbildung zwischen öffentlichen und
privaten Akteuren.
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