3.5
Standards und
globale Entwicklung53
3.5.1 Handel
und Umwelt
3.5.1.1 Problembeschreibung:
Die Dynamik des
internationalen Handels wirkt in mehrfacher Hinsicht
verstärkend und beschleunigend auf die Übernutzung der
Umwelt ein: Durch die weltweite Verallgemeinerung westlicher
Konsummuster und die damit verbundene rasante Zunahme industrieller
Produktion, die zur Steigerung des Ressourcenverbrauches auf ein
nicht nachhaltiges Niveau und zur Ausbreitung von
Schadstoff-einträgen führt; durch die zunehmende
Industrialisierung und Exportausrichtung der weltweiten
landwirtschaftlichen Produktion und die ökologischen Folgen
einer unangepassten Bearbeitung von Böden und Nutzung des
Wassers; sowie durch die vom wachsenden Welthandel direkt
verursachte immense Steigerung des Verkehrs und die damit
verursachten globalen Umweltauswirkungen.
Andererseits führt der internationale
Handel auch zu positiven Auswirkungen auf die globale Umwelt: Zum
Transfer umweltschonender Technologien in Entwicklungs- und
Transformationsländer, zu Effizienzsteigerungen in der
Industrie, zur Verbreitung relativ umweltschonender Produkte und
auch zur Verbreitung von Wissen und von Informationen über die
Folgen von Umweltschäden und Möglichkeiten ihrer
Vermeidung.
Aufgrund von Fehlfunktionen des Marktes und
Defiziten der Politik spiegeln die derzeitigen Marktpreise in
vielen Fällen nicht die realen Knappheitsverhältnisse der
gehandelten Güter wider. Hinzu kommt, dass der Transport durch
staatliche Infrastrukturmaßnahmen oder Steuerpolitik54 subventioniert wird und somit
mehr Güter international gehandelt werden als dies bei voller
Anrechnung der gesellschaftlichen Kosten der Fall wäre.
Umweltkos ten sind nicht voll internalisiert und tauchen z.B.
als Kosten im Gesundheitsbereich oder für Altlastensanierung
an anderer Stelle wieder auf. Sie werden somit von anderen Akteuren
und nicht von den für die externen Kosten verantwortlichen
Marktteilnehmern getragen – teilweise erst von späteren
Generationen. Wenn die derzeit externalisierten Kosten
tatsächlich erfasst und in den Marktpreisen internalisiert
würden und keine weiteren Fälle von Marktversagen
vorlägen, würde Freihandel zu einer effizienteren
Allokation auch des Faktors Umwelt beitragen.55 Solange dies nicht der Fall ist und der
liberalisierte Handel auf Basis unvollkommener Marktpreise
stattfindet und Umweltkosten nicht berücksichtigt, droht
Freihandel die Übernutzung natürlicher Ressourcen und
(ökonomische) Ineffizienzen zu verschärfen. Da beides
nicht im Interesse des Gemeinwohles ist, bedarf es des
regulierenden politischen Eingriffes.
Um die potenziell positiven Wirkungen des
Handels und der Handelsliberalisierung auszuschöpfen und
gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, sollten
deshalb Umwelterfordernisse verbindlich in die Handelspolitik
eingebunden und eine Kohärenz von Handels-, Umwelt- und
Entwicklungspolitik hergestellt werden.
53 Vgl. hierzu auch das Minderheitenvotum der
PDS-Fraktion in Kapitel
11.3.3.3.
54 Zur Frage der Kerosinsteuer vgl. Kapitel 7.4.
55 Die Begrenztheit natürlicher Ressourcen
fließt bei Internalisierung externer Kosten dementsprechend
als Faktor in die Preise mit ein. Allerdings gibt es immer einen
Bereich nicht-substituierbarer Faktoren (wie z. B. Atemluft), der
keiner ökonomischen Betrachtung zu unterwerfe ist. Freihandel
als optimale Option ist laut Theorie natürlich noch an weitere
Bedingungen geknüpft.
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