3.5.3.2 Interessen von
Verbraucherinnen und Verbrauchern
Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein
Interesse an Produkten, die weder ihre Gesundheit noch ihre
Sicherheit gefährden. Sie haben aber auch Interesse an
Produkten, die mit ihren ethischen und gesellschaftlichen
Wertvorstellungen vereinbar sind. Das bedeutet zum einen, dass die
Produkte selbst sicher und nicht gesundheitsgefährdend sein
dürfen, und dass zum anderen die Herstellung der Produkte
Gefahren für die Verbraucherinnen und Verbraucher
ausschließt. Es bedeutet aber auch, dass Käuferinnen und
Käufer zunehmend Interesse daran haben, wie die Produkte
hergestellt werden. Kurzum: Es wird Wert auf die Einhaltung
bestimmter Umwelt- und Sozialstandards und die Einhaltung der
Menschenrechte gelegt. Dies gilt nicht nur für
Gebrauchsgegenstände. Auch bei Geldanlagen spielen solche
Beweggründe zunehmend eine Rolle, z. B. bei der Anlage von
Geldern für die private Rentenversorgung (vgl. Kapitel 2.4.5).
3.5.3.2.1 Qualitäts- oder
Gütesiegel
Der
Sicherheitsaspekt und die entsprechenden Prüfsiegel sind
Käuferinnen und Käufern über Jahrzehnte vertraut.
Bei Kauf und Gebrauch von Gegenständen für Haushalt und
Freizeit wird auf diese Siegel geachtet bzw. diejenigen, die
Gegenstände ohne Siegel kaufen, sind sich häufig einer
möglichen Gefährdung durch dieses Produkt bewusst. Es gab
auf europäischer Ebene eine Untersuchung der Direktion
für Gesundheit und Verbraucherschutz, wo bei dem
europäischen Siegel für technische Einrichtungen
„CE“ festgestellt wurde, dass in allen Mitgliedstaaten
eine Großzahl der Kunden das Siegel identifizieren, vor allem
auf Elektrogeräten, Spielzeug und Kommunikationstechnologie.
Die meisten der befragten Personen gingen davon aus, dass dieses
Siegel eine besondere Prüfung kennzeichnet, kannten aber nicht
die genaue Bedeutung. Obwohl das CE-Siegel von über 60 Prozent
der Befragten auf den Produkten identifiziert wird, beeinflusst
dies nur bei drei Prozent immer die Kaufentscheidung. 49 Prozent
sagten, dass sie beim Kauf nie darauf achten.
Qualitäts-
oder Gütesiegel sind eine Entscheidungshilfe, wenn für
die Verbraucherinnen und Verbraucher klar ist, was mit dem Siegel
an Informationen verbunden ist. Natürlich wird eine Vielzahl
von Gütezeichen eher zur Verwirrung als zur Klarheit von
Produktinformationen beitragen. Deshalb ist die Einführung des
neuen Biosiegels in der Bundesrepublik ein Schritt zur
Einheitlichkeit, Transparenz und Sicherheit für die
Kaufentscheidung von Lebensmitteln und anderen Gegenständen.
Das Biosiegel erhalten nur Erzeuger und Hersteller, die der
EG-Öko-Verordnung gerecht werden und sich vorgeschriebenen
Kontrollen unterziehen. Durch den EU-weiten Standard und ein
einfaches und unbürokratisches Vergabeverfahren können
Erzeuger, Hersteller und Handel sofort einsteigen. Parallel zum
Biosiegel dürfen auch die Verbandszeichen der Öko- und
Anbauverbände oder Eigenmarken des Handels oder der Hersteller
verwendet werden. So können Verbraucher weiterhin schnell die
von ihnen bevorzugten Produkte erkennen und erwerben (vgl. Kapitel 3.6.1und 7.7.1).
Mit der Vorlage
des Grünbuchs der Europäischen Kommission
„Europäische Rahmenbedingungen für die soziale
Verantwortung der Unternehmen“ (Europäische Kommission
2001c) wird die Einführung eines Gütesiegels für
soziale Verantwortung nicht mehr allein von Gewerkschaftsseite oder
den Nichtregierungsorganisationen vorgeschlagen. Über ein
solches soziales Gütesiegel könnten, ähnlich dem genannten Biosiegel,
über EU-weiten Standard und ebenso unbürokratische
Vergabeverfahren bestehende Initiativen und „Labels“
auf höherer Ebene gebündelt werden.
Eines der ersten
Siegel, das nicht technische Sicherheit sondern soziale und
gesellschaftliche Werte, nämlich die Produktion von Teppichen
ohne Kinderarbeit betraf, war „RUGMARK“. Dieses Siegel
für „fairen Handel“ wurde 1994 aus der Arbeit von
Menschenrechtsorganisationen in Indien entwickelt und dann durch
Entwicklungspolitik unterstützt. Die Differenz aus
höheren Verkaufspreisen der Teppiche wurden für den
Freikauf von Kindern aus Schuldknechtschaft und für den
Schulbesuch der arbeitenden Kinder verwendet (SPD 1996).
Die Herstellung
und Beachtung von Produktionsbedingungen ist auch Ziel von
Fair-Trade-Gütezeichen. Die Verkaufspreise sind so gestaltet,
dass die Produzenten die Preise erhalten, die ihren
Lebensunterhalt, einschließlich z. B. des Schulbesuchs ihrer
Kinder, sichern können. Gleichzeitig wird über
höhere Erzeugerpreise auch eine Verbesserung der sozialen
Arbeits- und Infrastruktur angestrebt. Transfair, eine der ersten
Fair-Trade-Handelsorganisationen in Deutschland, begann
zunächst mit Kaffee, mit zunehmenden Erfolgen bezog
Transfair weitere landwirtschaftliche Produkte in sein Sortiment
ein. Für die Preise des Endprodukts auf dem europäischen
Markt bedeutet dies nur einen geringen Aufschlag.
Wer also Produkte
aus ökologischem Landbau oder Produkte ohne Kinderarbeit
erwerben möchte, kann sich an den entsprechenden Siegeln
orientieren. Wer die Verbesserung der Einkommen der Produzenten
unterstützen möchte, wird „fair gehandelte“
Produkte kaufen. Der Erwerb von Produkten mit diesen sozial
und/oder ökologisch begründeten Siegeln fördert also
die Zielsetzung hinter dem Siegel. Das heißt aber auch: der
Erfolg dieser Siegel hängt davon ab, dass die Produkte gekauft
werden. Entscheidungen gründen sich also nicht alleine auf
Produkt- und Siegelkenntnis, sondern – vor allem bei
Entscheidungen durch öffentliche Auftraggeber oder
Unternehmen, Gesellschaften, Vereine etc. – auch auf den
Willen, die Zielsetzung zu unterstützen. Hier gibt es
parlamentarische Initiativen, den Import von landwirtschaftlichen
fair-trade-Produkten aus Entwicklungsländern zu fördern
und im öffentlichen Beschaffungswesen Fair-Trade-Produkte zu
bevorzugen (Bündnis 90/Die Grünen 2002; seit Jahren
werden auf Beschluss des Bundestages in seinen gastronomischen
Einrichtungen Fair-Trade-Produkte angeboten), was über
Maßnahmen zur Steigerung der Nachfrage (Informationskampagnen,
bessere Vermarktungsstrukturen) und eine entsprechende
Änderung der EU-Beschaffungsrichtlinie für die
öffentliche Hand erreicht werden kann.
3.5.3.2.2 Soziale und ökologische
Verhaltenskodizes von Unternehmen
Transparenz
für Verbraucherentscheidungen herzustellen, beabsichtigen auch
Organisationen wie Clean Clothes Campaign. Hier werden jedoch die
Arbeitsbedingungen z.B. in Zulieferbetrieben für Kleidungs-
und Sportartikelhersteller bekannter Markennamen untersucht und
öffentlich gemacht. Unter anderem wird als Fallbeispiel
berichtet, wie in den Nähwerkstätten vor allem junge
Frauen und meist noch minderjährige Mädchen unter
menschenunwürdigen Bedingungen zu Löhnen unter
Existenzniveau mit ständigen Gewalt- und
Vergewaltigungsdrohungen bis zu zwölf Stunden am Tag arbeiten.
Selbst wenn es im jeweiligen Land Arbeitnehmer- und
Organisationsrechte gäbe, werden diese von Seiten der
Zulieferunternehmen mit Kündigungsdrohungen o. ä.
unterlaufen. Ein im Verhältnis ebenfalls geringer
Preisaufschlag auf die Produkte könnte nach Ansicht dieser
Organisationen die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen in den
tausenden von Zulieferbetrieben für internationale Konzerne
oder transnationale Unternehmen wesentlich verbessern. Da
Arbeitsbedingungen wie die beispielhaft genannten offenbar nicht
Einzelfälle sind, ist ein Ziel der Arbeit dieser
Organisationen, auf die Vereinbarung und Einhaltung von sozial und
ökologisch orientierten Verhaltenskodizes durch die
internationalen Konzerne und transnationalen Unternehmen
hinzuwirken. Verbraucherinnen und Verbraucher tendieren nach
solchen Informationen über negative Produktionsbedingungen
eher dazu, sich gegen den Kauf zu entscheiden. Gerade Hersteller
von Mode- oder Sportartikeln bzw. von stark nachgefragten Produkten
achten hier zunehmend auf ihr Image (vgl. Kapitel 3.6und 10.3.4).
Im Gegensatz zur
Kaufentscheidung aufgrund von Güte- und Qualitätssiegeln
führt „Naming and Shaming“ wie bei der Information
über Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben eher zum
Kaufverzicht oder Boykott. Dies kann in Konsequenz jedoch auch
negative Wirkungen für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer haben. Denn wenn sich die ‚angeprangerten‘
Unternehmen entschließen, sich von dem Zulieferbetrieb
aufgrund eingegangener Verpflichtungen im Rahmen von
Verhaltenskodizes zu trennen, gibt es für viele Menschen keine
Arbeit mehr. Die Erfahrung hat gezeigt, dass an anderer Stelle neue
Zulieferbetriebe eingerichtet werden, die unter ebenso schlechten
Bedingungen produzieren. Deshalb empfehlen
Nichtregierungsorganisationen den Kundinnen und Kunden der
transnationalen Unternehmen inzwischen, auch nicht einfach nur die
Produkte zu boykottieren. Es werden öffentlich Adressen
bekannt gemacht, um mit persönlichen Schreiben an die
Unternehmen zu fordern, dass vereinbarte soziale und
ökologische Kodizes eingehalten werden, ohne dass die
Lieferverträge gekündigt werden.
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