Erneut Diskussionen um Lkw-Maut in Bundestagsausschüssen
So sei Toll Collect den Forderungen nach einem verbindlichen Starttermin, nach einer Erhöhung der Vertragsstrafen und Verhandlungen über Schadenersatz für die Mautausfälle nachgekommen. Ob er das vorliegende Angebot akzeptieren werde, wollte der Minister jedoch noch nicht sagen - es bedürfe noch einer intensiven kritischen Prüfung.
Im Einzelnen sehe das Angebot eine Einführung der Lkw-Maut in zwei Stufen vor: Zum 31. Dezember 2004 solle der Betrieb zunächst mit eingeschränkter Funktion erfolgen, in der aber bereits eine Erfassung, Erhebung und Abrechnung der Maut möglich ist. Das voll funktionstüchtige System zur Verkehrssteuerung solle dann zum 31. Dezember 2005 in Betrieb gehen. Für beide Ausbaustufen bestehe zudem die Option, den jeweiligen Start um drei Monate vorzuziehen.
Bei den Vertragsstrafen habe das Konsortium angeboten, diese von bisher 7,5 Millionen Euro (ab 1. März 15 Millionen Euro) auf bis zu 65 Millionen Euro pro Monat zu erhöhen. Zudem habe sich Toll Collect bereit erklärt, die strittigen Schadenersatzfragen in einem Schiedsgerichtsverfahren zu klären.
Laut Stolpe hat Toll Collect jedoch dieses Angebot mit weiteren Elementen verknüpft: Hierzu gehören unter anderem Vertragsänderungen im Bereich der Anpassung der Vergütungsregelung, die Beschränkung der Haftung der Auftragnehmer und der Projektgesellschaft nach der Inbetriebnahme des Mautsystems, eine Änderung der Kündigungsregelungen sowie Änderungen von Anforderungen an das technische Konzept. Insgesamt sieht der Verkehrsminister jedoch die Kernforderungen seines Ministeriums verbindliche Projektplanung, höhere Zahlungen, Schiedsgerichtverfahren erfüllt und keine Notwendigkeit, den Vertrag zum 31. Januar zu kündigen.
Die CDU/CSU kritisierte im Verkehrsausschuss, der Minister habe eine wichtige Forderung, nämlich bei der Frage des Schadenersatzes zu einem Interessenausgleich zu kommen, zum Teil fallen lassen. Nunmehr gebe er sich damit zufrieden, dass die Schadensersatzfrage in einem Schiedsgerichtsverfahren geklärt werden soll. Da das Schiedsgericht nur auf der Basis des geltenden Vertrages agieren könne, befinde sich der Bund in einer ungünstigen Ausgangsposition. Nach Ansicht der FDP zeigt das von Toll Collect unterbreitete Angebot, "auf welcher Seite die stärkeren Bataillone stehen". Das Hauptproblem bleibe, dass der Vertrag "grottenschlecht" ausgehandelt worden sei. Zudem müsse Stolpe endlich konkrete gesetzgeberische Maßnahmen einleiten, um die Finanzierungslücke von 2,1 Milliarden Euro im Verkehrsetat dieses Jahres zu schließen.
Der Sprecher der SPD-Fraktion nannte das Terminangebot des Konsortiums "ärgerlich und enttäuschend". Grundsätzlich sei man zu einer stufenweisen Einführung der Lkw-Maut bereit. Dies stelle jedoch ein vom Vertrag abweichendes Entgegenkommen dar, das Toll Collect jedoch nicht mit einem angemessenen Angebot beantwortet habe. Auch für Bündnis 90/Die Grünen sind die angebotenen Fristen für die Einführung der Lkw-Maut "vollends enttäuschend". Sie stellten zugleich ein Eingeständnis dar, dass das Konsortium einen Vertrag mit "unrealistischen" Terminen zur Einführung der Maut unterzeichnet habe.
Der Sprecher der CDU/CSU im Haushaltsausschuss sah die Kernforderungen nicht erfüllt und forderte deshalb "harte Verhandlungen" und die Prüfung alternativer Angebote. Es werde der Eindruck erweckt, als gebe es gar keinen gültigen Vertrag. Es komme einem so vor, als hätte der Bund einen Mercedes der S-Klasse bestellt und nun werde ein Smart geliefert, so ein Unionsabgeordneter. Auch die SPD war mit dem Angebot "nicht zufrieden". Es sei aber "leider" nicht einfach, den Vertrag zu lösen. Der Sprecher wies darauf hin, dass die Bundesregierung bisher gegen keinen Vertrag verstoßen habe, sondern Toll Collect. Bündnis 90/Die Grünen hielt es für "skandalös", dass jetzt 28 Monate nach dem zunächst genannten Termin das System eingeführt werden solle. Auch für die FDP-Fraktion ist das Terminangebot von Toll Collect "unbefriedigend spät", und die Höhe der Zahlung bei Nichteinhaltung der Termine sei "nicht akzeptabel".
Nach einem Bericht des Finanzministeriums sind bisher bei der Einführung der streckenbezogenen Lkw-Maut Kosten von rund 46,2 Millionen Euro entstanden. Der Netto-Einnahmeverlust durch die Verschiebung beträgt danach 624,5 Millionen Euro. Im Jahr 2004 belaufen sich die Mindereinnahmen auf netto 180 Millionen Euro.