Seine zentrale geographische und politische Lage machte Leipzig immer zu einem Ort kriegerischer wie friedlicher Auseinandersetzungen
Im siebenjährigen Krieg (1756 - 63) stand die Stadt fast ununterbrochen unter preußischer Besatzung; 10.286.430 Taler hatten die Leipziger Kontributionen zu leisten. Daran erinnert heute keine Tafel und kein Gedenkstein. Umso mehr aber an zwei Schlachten des 30-jährigen Krieges. "Gustav Adolph Christ und Held rettete bei Breitenfeld Glaubensfreiheit für die Welt" steht auf dem Gedenkstein, der in dem kleinen Ort nahe Leipzig an den 7. September 1631 erinnert, als der Schwedenkönig gemeinsam mit Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen gegen die kaiserlichen Truppen unter Tilly siegte. Der bürgerliche Breitenfelder Gutsherr und Kaufmann Gruner-Blümer ließ den Stein 200 Jahre nach der Schlacht aufstellen.
Doch auch auf ganz andere Weise wird an diese Schlacht erinnert: Eine Biermarke der Region schmückt sich bis heute mit einem behelmten Schwedenkopf und der Legende vom durstigen Gustav Adolf. Weil in Rotenhahn die Soldaten alles weggetrunken hatten, wurde der König nach Klein-Crostitz verwiesen, wo ihm in einer Silberkanne würziges Bier gereicht wurde. Zum Dank schenkte der König einen mit Rubinen besetzten Goldreif und siegte am nächsten Tag in der Schlacht von Breitenfeld. Seitdem wird das Bier aus dem "Schwedenquell" gebraut, und gerade eröffnete die Brauerei einen "Gustav-Adolf-Saal".
Ein richtiger kleiner Museumskomplex entstand auf dem historischen Schlachtengelände in Lützen. 1632 standen sich hier die Kaiserlichen unter Wallenstein und die Schwedischen unter Gustav Adolf gegenüber. Der König, noch keine 38 Jahre alt, fiel in der Schlacht; Wallenstein, der mit 25.000 Söldnern nur die lebenswichtige Etappenstraße verteidigen wollte, gab am Abend den Rückzugsbefehl, die Schweden siegten durch Unentschieden.
An den Tod des Königs erinnerte zunächst ein Granitfindling mit der schlichten Inschrift "G. A. 1632". 1837 wurde dieser "Schwedenstein" mit einem von Karl Friedrich Schinkel entworfenen Säulenbaldachin aus Gußeisen überwölbt, gestiftet vom schwedischen Konsul Oskar Ekman und dessen Frau Maria. 1903 und 1904 schickte das landwirtschaftliche Ministerium zu Stockholm im Auftrag von König Oskar II. Bäume aus schwedischen Wäldern für einen Park auf dem Schlachtfeld. 1907 wurde dann die "Schwedische Kapelle" gebaut, ein Sandsteinquaderbau mit 14 Meter hohem Glockenturm. Von den zwei Blockhäusern, im schwedischen Stil der Kriegszeit erbaut, dient eines, 1994 neu gestaltet, als Museum. Im Schloss-Heimatmuseum ist die Schlacht mit 3.600 Zinnfiguren nachgestellt. Gute Beziehungen zu Schweden hat man in Lützen bis heute; 1993 besuchte das Königspaar Carl XVI. Gustav und Silvia den Ort.
Ein Wahrzeichen und Touristenmagnet ist in Leipzig das Denkmal für die Völkerschlacht vom 16. bis 19. Oktober 1813. Der 91 Meter hohe Turmbau wurde zwischen 1898 und 1923 gebaut, aber schon 1913 pompös eingeweiht. Die Idee hatte der Leipziger Architekt Clemens Thieme, der auch die Baukosten von sechs Millionen Mark mit dem 1894 dafür gegründeten Deutschen Patriotenbund sammelte. Die Pläne entwarf der Düsseldorfer Architekt Bruno Schmitz. 1.200.000 Kubikmeter Stampf- und Eisenbeton wurden als "Ruhmesmal für die Helden der Befreiungskriege" geweiht.
Es war eine Massenschlacht. Die Verbündeten Preußen, Russland, Österreich und Schweden stellten drei Heere mit 275.000 Mann gegen Napoleon und seine 180.000 Soldaten auf. Mehr als 120.000 Menschen starben auf beiden Seiten. Napoleon verlor die Schlacht. Daran erinnern in der 68 Meter hohen Kuppelhalle des Denkmals acht "Masken des Schicksals" und 16 Wache haltende Krieger.
Noch weitere Denkmale in und um Leipzig erinnern an diese Schlacht. Westlich des Kolosses findet sich ein roter Granitwürfel, der "Napoleonstein": Von dort beobachtete der Kaiser bei der Quandtschen Tabaksmühle am 18. Oktober den Kampf und gab gegen 16 Uhr den Befehl zum Rückzug. Etwa 3,5 Kilometer Luftlinie entfernt liegt der "Monarchenhügel", von dem aus Friedrich Wilhelm III., Alexander I. und Franz I. die Schlacht beobachteten.
Zwischen 1861 und 1863 ließ der Leipziger Theodor Apel auf eigene Kosten 46 "Apelsteine" an Brennpunkten der Kämpfe aufstellen; ein runder Kopf und ein "N" symbolisierte die Franzosen, ein spitzer Kopf mit "V" die Verbündeten. Sie sollten Marksteine sein für "entsetzlichstes Unheil, zu welchem Menschen die ihnen von Gott gegebenen Kräfte gemißbraucht" (Apel). Im ehemals umkämpften Torhaus Dölitz sind in etwa 80 Dioramen mit 20.000 Zinnfiguren die Schlachten nachgestellt.
Seit 1863 steht ein kubischer Stein als "Brückensprengungsdenkmal" an der Ecke Jahnallee/Thomasiusstraße. Die Brücke über die Mühlelster war am Ende der Völkerschlacht der einzige Rückzugsweg für Napoleons Heer. Doch ein französischer Korporal sprengte die Brücke zu früh, Hunderte ertranken, darunter auch der polnische General und napoleonische Marschall Fürst Joseph Poniatowski.
Den 22.000 gefallenen russischen Soldaten schließlich gilt die St. Alexeij-Gedächtniskirche nahe der Deutschen Bücherei, 1912/13 vom Leningrader Architekt Wladimir Prokowski im Nowgoroder Stil des 16. Jahrunderts erbaut. Den 16-seitigen, 55 Meter hohen Turm schmücken eine vergoldete Zwiebelkuppel und ein Patriarchenkreuz. Heute ist sie nicht nur Gruft und Gedenkstätte für gefallene Soldaten, sondern ein nach wie vor genutztes orthodoxes Gotteshaus. Noch eine andere Erinnerung ist mit diesem Bau verbunden: Der Tenor Nicolai Gedda verbrachte dort einige Kinderjahre, als sein Ziehvater Michail Ustinoff hier Kantor und Chordirigent war. Am Harmonium in der kleinen Dienstwohnung im rechten Seitenflügel der Kirche erhielt Gedda die ersten Gesangsstunden.
Zum Glück hat Leipzig aber nicht nur kriegerische Denkmale zu bieten (auch wenn ein "Neues Leipziger Taschenwörterbuch für Einheimische und Fremde" von 1999 deren 32 auflistet). Der imposante Portikus des Bayrischen Bahnhofs kündet noch heute davon, dass von 1836 bis 1839 mit der Leipzig-Dresdner-Eisenbahn die erste längere Schienenstrecke in Deutschland gebaut wurde. Der Bahnhof gilt als das wohl älteste Beispiel eines klassizistischen Zweckbaus dieser Art. Ein weiteres "Denkmal" hat längst Nachfolger in jeder größeren Stadt, und das, obwohl der Namensgeber eigentlich nichts damit zu tun hatte: Der Schrebergarten.
Der Leipziger Arzt und Pädagoge Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808 - 1861) vertrat ein Erziehungskonzept, zu dem - vor allem für Kinder - körperliche Ertüchtigung im Freien gehörte. 1864, drei Jahre nach seinem Tod, pachtete der Schuldirektor Ernst Innocenz Hauschild ein Stück Land für einen Kinderspielplatz, der zu Ehren des Freundes Schrebergarten genannt wurde Da war von Porree, Lauch und Karotte noch keine Rede, auch nicht von Kleingartensparten, die in der DDR die Speisezettel der werktätigen Bevölkerung bereichern sollten.
Im Jahr 1849 schrieb Louise Otto-Peters (1819 - 1895), erste politische Dichterin Deutschlands, einen Aufruf an die Sächsische Regierung: "Im Namen der Moralität, im Namen des Vaterlands und im Namen der Humanität fordere ich Sie auf: Vergessen Sie die Frauen nicht! Vergessen Sie die Fabrikarbeiterinnen, die Tagelöhnerinnen und Strickerinnen nicht. Fragen Sie nach ihrem Verdienst, nach dem Druck, unter dem sie schmachten, und Sie werden erkennen, wie dringend nötig Ihre Hilfe ist!"
Vom selben Jahr an bis 1852 war sie die Herausgeberin der "Frauenzeitung für höhere weibliche Interessen". 1865 lud sie zum ersten Frauenkongress nach Leipzig, aus dem der "Allgemeine Deutsche Frauenverein" hervorging. Mitstreiterinnen waren Auguste Schmidt und Henriette Goldschmidt (1825 - 1929), die 1871 einen Verein für Familien- und Volkserziehung, 1872 ein Seminar für Kindergärtnerinnen und 1911 die "Hochschule für Frauen zu Leipzig" in der Königstraße gründete. Dort, in der heutigen Goldschmidtstraße 20, erinnert eine Tafel daran. Das 1900 für Louise Otto-Peters auf dem Alten Johannisfriedhof errichtete Denkmal steht heute im Rosental, am Rand eines Spielplatzes. Die Inschrift lautet: "Der Führerin auf neuen Bahnen / In Dankbarkeit und Verehrung /
Doch auch Louise Otto-Peters schaffte es nicht, in Leipzig eine Mädchenschule zu etablieren. Schon 1840 forderten viele Eltern ein solches Institut, doch die Behörden lehnten ab: Dies wäre nur eine Standesschule, und außerdem hätten für Mädchen nach der Konfirmation die Mütter zu sorgen. Es dauerte bis zum 16. Oktober 1871, ehe die "1. Städtische Höhere Mädchenschule mit Studienanstalt zu Leipzig" eröffnen konnte, zunächst in einem alten Gebäude bei der Thomaskirche; später war "eine der wichtigsten Bildungsstätten der Leipziger Frauenwelt" am Schletterplatz und im Pestalozzi-Stift untergebracht.
In die erste Klasse gingen bei der Gründung gerade einmal sieben Schülerinnen. 1921, im 50. Jahr, waren es über 900. Die Schule sollte eine höhere Bildung bieten, als es die Volksschulen konnten; nach sieben aufsteigenden Klassen gab es einen der Reifeprüfung der Realschule gleichwertigen Abschluss. Neben wissenschaftlichen Fächern wurden Zeichnen, Gesang und Nadelarbeit gelehrt, "wahlfrei" auch Stenographie. In der 1911 gegründeten "Studienanstalt" wurden junge Mädchen auf das Studium vorbereitet. Dies war eine ganz neue Schulorganisation ohne Vorbild.
Ganz dem Geist der Zeit entsprach allerdings die strenge Schulordnung: Auffallender Schmuck war verboten, Unterhaltung auf dem Weg zur Andacht und in die Aula ebenso. Auch für die Mittagspause mussten Schülerinnen, deren Elternhaus weiter entfernt war, dem Klassenlehrer eine Familie nachweisen, bei der sie sich aufhielten. Und auch, wo die Mädchen nach Schulschluss auf Mitschülerinnen zu warten hatten, war genau festgelegt: "Innerhalb des Schulgitters oder zwischen äußerer und innerer Eingangstür".
Bereits 1876 war die Mädchenschule in die Kategorie der höheren Schulen aufgenommen worden, und 1921 konnte Stadtrat Dr. Ackermann konstatieren: "Es dürfte im Deutschen Reich nicht viele Schulen geben, die eine so glänzende äußere Entwicklung aufzuweisen haben wie unsere 1. Höhere Mädchenschule".
Leipzig kann sich auch die "Wiege der deutschen Arbeiterbewegung" nennen. 1863 wurde hier der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet, dessen erstes Programm vom ersten Präsidenten Ferdinand Lassalle stammte, der 1840/41 die Leipziger Handelsschule besuchte. In Leipzig beantragte ein Drechslergeselle beim Rat der Stadt das Bürgerrecht: August Bebel, der zusammen mit dem Marx-Schüler Wilhelm Liebknecht (1865 - 90 in Leipzig) 1869 die SPD begründete.
An Bebel erinnert eine Tafel am Haus Gustav-Adolf-Straße 14. Eine Tafel am Haus Braustraße 15 erinnert an Karl Liebknecht, der 1916 zusammen mit Rosa
Luxemburg den Spartakusbund gründete und 1919 zusammen mit ihr ermordet wurde. Ihre Karl-Liebknecht-Straße nennen die Leipziger liebevoll "Karli" und verteidigen sie vehement gegen jeden Versuch der Umbenennung.
Sachsen trug eine zeitlang den Beinamen "rotes Königreich", gab es hier doch eine breite Mitte der gemäßigt sozialdemokratischen Arbeiterschaft, war die Partei stärker als anderswo in der Bevölkerung verankert. 1901 zählte man 25.000 Mitglieder, 1914 schon 177.500, - das waren mehr organisierte Sozialisten als in Frankreich und Italien zusammen. 1914 wirkten 2094 Sozialdemokraten in Gemeindevertretungen, 332 in Stadtverordnetenversammlungen.
Im Foyer des Schauspielhauses erinnert noch heute eine Tafel an die Konstituierung eines Großen Rates der Arbeiter- und Soldatenräte am 9. November 1918. Im Jahr 1919 wurde Sachsen der erste Freistaat in Deutschland, noch vor Bayern. Nach dem Triumph der sächsischen Partei bei der Reichstagswahl 1903 hatte der "Vorwärts" geschrieben, Deutschland müsse werden, was Sachsen bereits sei.
Inzwischen hat Leipzig auch Gedenkorte für die jüngere und jüngste Geschichte. Eine Tafel im Boden neben dem Alten Rathaus erinnert an den russischen Panzer, der am 17. Juni 1953 hier stand. Ein richtiger "T 34", zumal als Werbung für eine benachbarte Ausstellung, waren den Leipziger aber dann doch zu martialisch. Im "Museum Runde Ecke" in der ehemaligen Stasi-Zentrale klärt eine ständige Ausstellung über den Kontroll- und Spitzelstaat DDR auf. Und neben der Nikolaikirche, in der die "Kerzenrevolution" ihren Anfang nahm, deuten Lichter im Boden und eine den Kirchensäulen nachgestaltete Stele auf die Ereignisse von 1989 hin. Vor der Nikolaikirche, die Spenden für die Sanierung des Innenraums braucht, steht immer noch das Schild "Offen für alle".
Die Autorin arbeitet als Literatur- und Theaterkritikerin in Leipzig.