Unterwegs in Indien und Pakistan
Das Eis schmilzt. Ein Permanenzkonflikt der Weltpolitik könnte mit der Zeit einer Lösung zugeführt werden. Keine Übereilung jedoch, keine überhohen Erwartungen. Dazu hat es zu viele Enttäuschungen und Rückschläge gegeben in dem halben Jahrhundert der Beziehungen zwischen Indien and Pakistan. Der Widersinn einer Grenzziehung, mit der sich die Kolonialherrschaft aus ihrer Verantwortung stehlen wollte, wirkt immer noch nach.
Die Labour Regierung Atlee-Bevin glaubte damals, in Lord Mountbatten einen Vize-König gefunden zu haben, der ihr die Kastanien aus dem Feuer holte und mit einer Zwei-Staaten-Gründung das Miteinander von Hindus and Muslimen auf eine neue Basis stellte. Umsiedlungen im Stil einer Völkerwandlung brachten Meuchelei, Gemetzel, Hass und Todfeindschaft, schließlich gar drei Kriege mit sich.
Die absurdeste Lösung, die Aufspaltung Pakistans in ein Ost-und West-Pakistan mit 3.000 Kilometern Indien dazwischen, beendete 1971 Indira Gandhi mit einem Blitzkrieg, nachdem sie den Sezessionisten Mujibur Rahman in das neukreierte Bangladesch, sein "goldenes Bengalen", auf den Thron setzte. Rest-Pakistan konnte in einem hektischen Wechsel von Zivilregierungen und Militärmacht nie zur Ruhe gelangen. Hier war es namentlich der Kaschmir-Konflikt an dem sich die Spannungen immer wieder entzündeten. Beide Länder rüsteten sich mit Atomwaffen auf.
Nun soll all dies nach dem Willen des indischen Ministerpräsidenten Atal Bhari Vajpayee und des pakistanischen Staatschef Pervez Musharraf anders werden. Sie trafen sich vor kurzem und setzten eine Verhandlungskommission auf der Ebene ihrer Außenminister ein, die bereits tagte und sich in realistischen und von Emotionen freien Formen auf eine friedlich Lösung hin zubewegt. Verkehrs-und Handelswege könnten geöffnet werden. Die Kaschmiris aus dem indischen und pakistanischen Gebiet können zueinanderfinden.
Trotz der schon darüber hinausgehenden weltpolitischen Entwicklungen sind die beiden Bändchen doch hilfreiche Handreichungen zum Verständnis der menschlichen Problematikt. Beide Autoren, Brigitte Voykowitsch und Andres Altmann, haben sich als Reisende zu Fuß, per Bus und mit der Eisenbahn unter die Menschen gemischt und in Gesprächen und Beobachtungen die Vorraussetzungen geortet, die zu einer Annäherung führen können.
Voykowitsch tut es in der ruhigen Manier einer routinierten Reporterin, sachlich, abgewogen, nüchtern. Andreas Altmann ist ambitionierter. Er lehnt sich etwas an die poetisierenden Reisebeschreibungen eines Bruce Chadwin an. Das liest sich amüsanter. Der Vorteil beider Bücher besteht darin, dass sie zu einer Zeit auf den Markt gelangen, wo die großen Zusammenhänge diskutiert werden. Die Leserschaft wird für die gewonnenen Einblicke und Einsichten dankbar sein.
Brigitte Voykowitsch
Allah, Ram und Kricket - Indisch-Pakistanische Konfrontationen.
Picus Verlag, Wien 2004; 144 S., 14,90 Euro
Andreas Altmann
Notbremse nicht zu früh ziehen! Mit dem Zug durch Indien.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2004; 188 S., 12,20 Euro
Der Autor war viele Jahre Südasien-Korrespondent der ARD. Heute lebt er im Ruhestand in Berlin.