Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern
Europa ist für viele im Nordosten weit weg. Nur wenn es um Werftenhilfen, FFH oder Landwirtschaft geht, rückt Brüssel kurz in den öffentlichen Focus. Das neue EU-Mitglied Polen teilt zwar 78,1 Kilometer Grenze mit Mecklenburg-Vorpommern. Dessen Beitritt zur Europäischen Union verlief für die Menschen jedoch kaum wahrnehmbar. Unspektakulär erscheint auch die Arbeit der drei EU-Abgeordneten Alfred Gomolka (CDU), Heinz Kindermann (SPD) und Andre Brie (PDS). Die drei ungleichen Mecklenburger pflegen ein Mal im Monat im Brüsseler Büro von Alfred Gomolka einen "Informationsaustausch im Interesse des Landes". Gomolka, dessen Partei die einzige mit einer Landeliste war, blickte am Wahlabend im Schweriner Schloss zufrieden auf 42,4 Prozent. Die Abgeordneten von SPD und PDS zogen über die Bundeslisten ihrer Parteien ein.
Wichtiger war vielen Menschen die zeitgleich stattfindende Kommunalwahl. Immerhin 16.631 Bewerber traten für Sitze in 867 Gemeindevertretungen, sechs Stadtvertretungen/Bürgerschaften der kreisfreien Städte und zwölf Kreistagen der Landkreise an. Zusätzlich gab es in 714 Gemeinden die Wahl der ehrenamtlichen Bürgermeister. Eine Landratswahl im äußersten Südosten des Landes im Uecker-Randow-Kreis und auf Deutschlands größter Insel Rügen eine Bürgerbefragung zur Kreisgebietsreform machten den Wahlsonntag komplett. Im Extremfall hatten die Wähler damit fünf Stimmzettel zu bewältigen. Gewählt wurde erstmals ohne die Fünf-Prozent-Hürde.
Eher bedächtig und zurückhaltend ging es im Wahlkampf zu. Die Plakate kritisierte eine Regionalzeitung als langweilig. Da half auch wenig, dass die FDP nur zwei Tage vor der Wahl ihr Motto "Stark vor Ort" mit sechs an der Mole von Warnemünde posierenden Muskelmännern visualisieren wollte. Andere Parteien hatten gleich ganz auf ein Motto verzichtet.
Am Wahlabend gab es trotzdem strahlende Gesichter bei der CDU (38,8 Prozent), der PDS (20,2 Prozent), der FDP (6,1 Prozent) und den Grünen (3,1 Prozent), Enttäuschung dagegen bei der regierenden SPD, die mit lediglich 19,1 Prozent auf Platz drei landete.
Trotz des Wahlsieges hat die CDU Stimmenanteile in den kreisfreien Städten eingebüßt. Am stärksten in Greifswald mit minus zehn Prozent und in Stralsund mit minus 12,9 Prozent. Die Städte sind weiter die "Achillesverse der CDU", wie CDU-Landeschef Eckhardt Rehberg am Tag nach der Wahl sagte. Zugewinne gab es in sechs Landkreisen. Bei der Landratswahl in Uecker-Randow geht der CDU-Kandidat mit 36,1 Prozent gegen den Kandidaten eines Bürgerbündnisses (24,1 Prozent) in die Stichwahl.
Die SPD verlor durch die Bank. Auf Rügen, wo sich im Bürgerentscheid 92,4 Prozent der Wähler gegen die von der SPD geforderte Kreisneuordnung aussprachen, erreichte die Partei lediglich 10,7 Prozent. Fast schon trotzig kündigte Ministerpräsident Harald Ringstorff noch am Wahlabend die Durchsetzung der Reform an. Als letzte Bastion der Sozialdemokraten steht Wismar mit seiner streitbaren Bürgermeisterin Rosemarie Wilcken. Die angekündigte sozialdemokratische Furche, die SPD-Landeschef und Landwirtschaftsminister Till Backhaus durch das schwarze Vorpommern ziehen wollte, war am Wahlsonntag nicht zu finden. Er machte den Bundestrend für die schlechte Mobilisierung der eigenen Wähler verantwortlich.
Die PDS zeigte, dass sie die eigentliche zweite Volkspartei im Nordosten ist. Mit 20,2 Prozent gewann die Partei gegenüber September 2002 - Landtagswahl - 3,8 Prozent hinzu. PDS-Landesvorsitzender Peter Ritter sieht darin schon den Wiedereinzug der Partei in den Bundestag vorweggenommen.
FDP und Grüne, letztere vor allem wegen des Fehlens der Fünf-Prozent-Hürde, meldeten sich auf die politische Bühne im Nordosten zurück. Die FDP sieht sich mit landesweit 6,1 Prozent bereits im nächsten Landtag. Die Wahl ist aber erst im Herbst 2006.
Der Fall der Fünf-Prozent-Hürde brachte es mit sich, dass auch 30 Splitterparteien und Gruppierungen zwischen ein und sechs Sitzen in den Kreistagen, Stadtvertretungen und Bürgerschaften erhielten. Auch
21 Einzelbewerber werden dort künftig Platz nehmen. Bunt gemischte Vertretungen und unklare Mehrheiten werden die Kommunalpolitik in den nächsten fünf Jahren in Mecklenburg-Vorpommern bestimmen. So verteilen sich zum Beispiel die 53 Sitze im Kreistag von Güstrow auf zehn Gruppierungen und Einzelbewerber.
Ganz gegen den Trend hatten in einzelnen Wahllokalen der Landeshauptstadt Schwerin am Nachmittag bereits 100 Prozent der Erst- und Jungwähler ihre Stimme abgegeben. Ursache dafür dürfte ein gezielter Wahlkampf unter anderem in Discotheken von vier Kandidaten der CDU-Jugendorganisation Junge Union gewesen sein. Drei haben einen Platz in der Stadtvertretung gewonnen. Sonst war der Wahlsonntag durch Wahlenthaltung gekennzeichnet. Nur 45,5 Prozent der Mecklenburger und Vorpommern gaben ihre Stimme ab.