...vor 45 Jahren am 24. und 25. Juni 1959: Der Bundestag verabschiedet die Saareingliederungsgesetze
Eigentlich war schon alles klar: Dass die vollständige Eingliederung des Saarlands in die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr aufzuhalten war, bezweifelte im Juni 1959 niemand mehr. Schon seit dem 1. Januar 1957 war die Saarregion, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter französischer Verwaltung gestanden hatte, Bundesland, das Grundgesetz galt dort bereits. Noch wurde dort allerdings mit französischen Francs bezahlt, eine Wirtschaftsunion hatte noch nicht stattgefunden. Doch dieser so genannte Tag X, dessen genaues Datum geheim gehalten wurde, um unter anderem Spekulanten keine Chance zu geben, war sehr nahe gerückt. Das spürte man.
Das spürten auch die Abgeordneten des Bundestages, als sie am 24. und 25. Juni über insgesamt acht Eingliederungsgesetze für das Saarland debattierten. Die Gesetze sollten nicht nur die Einführung des Bundesrechts und des Beamtenrechts im Saarland sowie die Änderung rechtlicher Grundlagen der Krankenversicherung regeln, sondern auch sicherstellen, dass die Ersparnisse erhalten blieben und dass die Bürger durch die Union keine gravierenden wirtschaftlichen Nachteile erlitten. Das war nicht ganz einfach. So war etwa die französische Kindergeld-Regelung wesentlich großzügiger als die deutsche. Es würde außerdem eine teuere Angelegenheit werden: Bereits zwischen 1957 und 1959 waren nach Auskunft eines Staatssekretärs im Finanzministerium fast 600 Millionen Mark aus dem Haushalt des Bundes an jenen des Saarlandes geflossen. Zudem hatte die Wirtschaftsförderung an der Saar den Bund 300 Millionen Mark gekostet. Damals ein guter Batzen Geld.
Die Debatte im Bundestag hatte zwei Dimensionen: Zum einen die konkrete Ausgestaltung der Gesetze. Zum anderen betonten zahlreiche Redner die historische Dimension dieser "kleinen Wiedervereinigung", der möglichst bald die große - jene zwischen West- und Ostdeutschland - folgen sollte.
Insbesondere Redner der SPD kritisierten die ihrer Meinung nach zu niedrigen Leistungen für Familien. "Eines der besten Kindergeldgesetze" Westeuropas werde durch das schlechteste ersetzt, sagte Karl Mommer (SPD). Die Bundesregierung erkenne "die Bedeutung des Sozialen in unseren nationalpolitischen Problemen nicht". Der saarländische FDP-Abgeordnete Heinrich Schneider monierte, dass aus den Forderungen des Saarlandes, dem Land für einige Jahre die gleichen Vergünstigungen zu gewähren wie West-Berlin, "ein Feilschen und Kuhhandeln" geworden sei mit äußerst mäßigem Erfolg. Es sei zu befürchten, dass den einheimischen Erzeugern der saarländische Markt nach der Wirtschaftsunion verloren gehen wird, weil die wesentlich stärkere bundesdeutsche Wirtschaft nur darauf warte, "ihre Waren in das Saarland hineinströmen zu lassen". In der Tat war die saarländische Wirtschaft anfangs kaum wettbewerbsfähig.
Der CDU-Abgeordnete Fritz Hellwig verwahrte sich hingegen gegen den Eindruck, die Saar sei ein "Notstandsgebiet". Vielmehr hätte man die Übergangsjahre erfolgreich genutzt, um die Unternehmen zu stabilisieren. Auch würden finanzielle Hilfen in einer "ungewöhnlichen Größenordnung" bereitgestellt. Hellwig sprach von zwei Milliarden Mark in den kommenden Jahren. Er lehnte es ab, die Saar einen "Modellfall für die Wiedervereinigung" zu nennen. Damit würde man die voraussichtlichen Probleme einer "großen Wiedervereinigung" bagatellisieren: "Was wirtschaftlich und sozial die Entwicklung an der Saar bedeutet, ist einfach nicht mit dem vergleichbar, was in der Zone geschehen ist." Ähnlich äußerte sich Karl Mommer: "Der Prozess des Wiederzusammenwachsens zu einer Einheit" werde angesichts der viel tiefer gehenden Auseinanderentwicklung der beiden Teile Deutschlands "vor noch schwierigere Probleme gestellt" sein.
Der Bundestag stimmte mehrheitlich für die Eingliederungsgesetze, genauso wie der Bundesrat einen Tag später. Dort enthielt sich allerdings das Saarland bei einigen Abstimmungen. Der Tag X kam am 6. Juli und mit ihm der vollständige wirtschaftliche Anschluss. Bis zur gänzlichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Integration in die Bundesrepublik, einschließlich einer umfassenden Rechtsanpassung, vergingen rund zwei Jahrzehnte. Noch heute sprechen einige Saarländer davon, "ins Reich zu fahren", wenn sie ihr Bundesland in Richtung Bundesrepublik verlassen