Der 95. Katholikentag in Ulm
Ein Fest des Glaubens und der Freude, aber zugleich eine politisch-gesellschaftliche Zeitansage" war der 95. Deutsche Katholikentag vom 16. bis 20. Juni in Ulm für den gastgebenden Bischof Gebhard Müller. Rund 25.000 Dauer- und 10.000 Tagesteilnehmer kamen zu den 800 Veranstaltungen in der mehrheitlich protestantischen Stadt an der Donau, die unter dem gemeinsamen Leitwort "Leben aus Gottes Kraft" standen. Zu den Großveranstaltungen wie "Abend der Begegnung" oder Schlussgottesdienst kamen jeweils noch viele tausend Menschen zusätzlich.
In einem Grußwort an das größte katholische Laientreffen in Deutschland forderte Papst Johannes Paul II. die Christen auf, Verantwortung für Europa zu übernehmen: "Christen haben für die Einheit Europas gearbeitet und bleiben diesem Ziel weiter verpflichtet. Europa braucht auch heute den Beitrag der Christen und des Christentums für eine gute Entwicklung seiner Völker." Der gastgebende Ministerpräsident, Erwin Teufel, wünschte sich einen Katholikentag, "der ein kraftvolles Signal gegen die Resignation in Kirche und Gesellschaft ist".
Ein Schwerpunkt dieses katholischen Laientreffens lag auf der Ökumene. Die spannende Frage lautete: Welche Auswirkungen hatte der Ökumenische Kirchentag 2003? Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und damit auch Präsident des 95. Deutschen Katholikentages, Hans Joachim Meyer, formulierte vorsichtig: "Dass ein so bedeutendes und ermutigendes Ereignis keine Fortsetzung in einem zweiten Ökumenischen Kirchentag und keine Nachwirkung auf die Katholikentage und die Evangelischen Kirchentage haben sollte, das zu meinen wäre wirklichkeitsfremd."
Viele evangelische Bischöfe waren als Referenten nach Ulm eingeladen worden - vom Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, bis zu seinem Stellvertreter, Bischof Christoph Kähler, von Bischöfin Margot Käßmann bis Bischof Martin Hein.
Bischöfin Käßmann zählte zu den heimlichen Stars des Ulmer Katholikentages. Sie machte ihren Zuhörerinnen und Zuhörern Mut: Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch in der Katholischen Kirche Priesterinnen und Bischöfinnen geben würde.
Zu den politischen Schwerpunktthemen gehörte die Frage nach dem Wohin der Bioethik, zu der auch der Bonner Neurologe Oliver Brüstle eingeladen war, durch dessen Antrag auf Förderung der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen die Stammzell-Debatte in Deutschland ausgelöst worden war. Bischof Gebhard Fürst, der auch dem Nationalen Ethikrat angehört, blieb bei seinem Nein. Embryonen dürften nicht getötet werden, um geborene Menschen zu retten.
Der international anerkannte Tübinger Moraltheologe Dietmar Mieth forderte einen "Reichtum an Perspektiven im Kampf und Achtung und Schutz der unantastbaren Menschenwürde." Zunehmend werde der Begriff Würde des Menschen falsch definiert und führe zu einem immer größeren Druck auf die Schwachen. Die Politik müsse sich vom ökonomischen Druck zu befreien. Die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) betonte, dass es bei der Menschenwürde kein Mehr oder Weniger gebe. Sie bestehe und werde nicht zugewiesen. Sie kritisierte Äußerungen ihrer Amtsnachfolgerin Brigitte Zypries (SPD), die in Embryonen zwar menschliches Leben sehe, aber ihnen keine Menschenwürde zuspreche. Gerade am Anfang und Ende des Lebens sowie bei behindertem Leben müsse die Menschenwürde besonders geachtet werden, sagte Däubler-Gmelin.