Jugend in Deutschland
Politikverdrossenheit, steigender Alkoholkonsum und eine zunehmende Gewaltbereitschaft - um diese Themen pflegt die aktuelle Diskussion über junge Menschen in Deutschland zu kreisen. Bei der Suche nach Ursachen und möglichen Lösungen für diese in der Tat besorgniserregenden Entwicklungen ist es gemeinhin immer "die Jugend", die im Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit steht. Dabei wird oft sehr holzschnittartig argumentiert.
Es ist eines der Verdienste des Buches, auf die Individualität der jungen Menschen und auf deren Aufbegehren gegen festgeschriebene Rollenzuweisungen mit größerer Gelassenheit einzugehen. Schließlich sind Adoleszenzkonflikte nicht nur sehr komplexe, dynamische und mitunter hoch emotionale Prozesse, sondern immer auch Erwachsenenkonflikte: Zwischen den Generationen gibt es unbewusst funktionierende Bündnisse, Aufträge und Interessenverschränkungen, die man zunächst einmal kennen muss.
Hervorgegangen aus einer Konferenz im Juli 2001 an der Technischen Universität Berlin über "Adoleszenzkonflikte als gesellschaftliches Problem in Ost und West", setzen Ute und Wolfgang Benz mit der Publikation "Jugend in Deutschland" den interdisziplinären Dialog fort, der mit dem Thema "Deutschland deine Kinder" begonnen hatte.
Die um zusätzliche Beiträge erweiterte Arbeit informiert insbesondere durch ihre theorie- wie praxisgeleitete Konzentration auf Themen wie Konflikte, Traditionen, Erfahrungen, Rechtsextremismus und Jugendgewalt. Deutlich wird bei der Lektüre beispielsweise, dass die Zeit des Heranwachsens in ihren Auswirkungen auf die Eltern - und hier vor allem für die wachsende Gruppe der Alleinerziehenden - oft unterschätzt, ja gleichsam negiert wird. Dabei haben sich Eltern mit widersprüchlichen Gefühlen auseinander zu setzen. Sorge, Kränkung und Freude gehen oft nebeneinander her. Auch durchlaufen Erwachsene einen Prozess der Erfahrung von Verlust, Trauer um das Ende eines Lebensabschnittes, aber auch die Entlastung von Verantwortung.
Zu berücksichtigen ist stets, dass beim Erfolg oder Misserfolg adoleszenter Entwicklung immer auch kollektive Faktoren ins Gewicht fallen. Nie ist es ausschließlich nur "die Jugend", die bei problematischen Entwicklungen allein verantwortlich gemacht werden kann.
Die Autorin ist Medien- und Politikwissenschaftlerin; sie lebt und arbeitet in Konstanz.
Ute und Wolfgang Benz (Hrsg.)
Jugend in Deutschland. Opposition, Krisen und Radikalismus zwischen den Generationen.
dtv, München 2005; 240 S., 12,50 Euro