Geschichte des Zweiten Weltkriegs
In Zeiten des Umbruchs und weit verbreiteter Zukunftsängste ist das allerdings nicht ungewöhnlich. Gerade dann sucht man Halt und Orientierung in der jüngeren Geschichte. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn sich die Autoren dieses Buches von vornherein ausdrücklich an die interessierte Laienschaft richten, zumal sie dem Historiker hier nichts wirklich Neues mitzuteilen haben.
Freilich sind H.P. Willmott, Robin Cross und Charles Messenger allesamt vom Fach und ausgewiesene Kenner der Materie. Und sie verstehen es ausgezeichnet, ihren Stoff anschaulich und zu einer kurzweiligen Lektüre werden zu lassen. Und sie bemühen sich um die Verknüpfung unterschiedlichster Blickwinkel. Denn der Zweite Weltkrieg nimmt sich nicht nur aus der Sicht der beteiligten Staaten zuweilen höchst unterschiedlich aus. Er zog vielmehr die verschiedensten Rückwirkungen auf die jeweiligen Gesellschaftsordnungen und Wirtschaftssysteme nach sich. Auch das Menschheitsverbrechen an den europäischen Juden beziehen die Autoren im Gegensatz zu manchen weit umfänglicheren Überblicksstudien in ihre Darstellung mit ein.
Der Band ist reich bebildert. Übersichtliches Kartenmaterial, Kurzportraits der wichtigsten Militärs aller Seiten, knappe Skizzen herausragender Waffensysteme und besonderer Ereignisse sind zusätzliche Farbtupfer. Besonders gelungen sind die übersichtlichen Zeittafeln zu den einzelnen Abschnitten. Hier wird deutlich, wie viele der militärischen Großereignisse sich chronologisch überschnitten. Bei isolierter Betrachtung entsteht oft der unzutreffende Eindruck, die Staatsführungen hätten sich voll auf dieses oder jenes Geschehen konzentrieren können. In Wirklichkeit war der Zweite Weltkrieg durch zahlreiche wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den verschiedensten Kriegsschauplätzen gekennzeichnet.
Dass das Autorenteam ebenso anschaulich wie umfassend in die Breite geht, hat freilich auch zur Folge, dass die Tiefenschärfe darunter leidet. Sie vertreten mithin zuweilen noch Positionen, die wissenschaftlich bereits überholt sind. So ist beispielsweise seit der Arbeit Karl-Heinz Friesers klar, dass sich so etwas wie eine geheimnisumwitterte deutsche "Blitzkriegsstrategie" erst nach dem Sieg über Frankreich im Sommer 1940 herausgebildet hat. Sie war Folge, nicht Ursache der bis dahin erfolgreichen deutschen Eroberungsfeldzüge. Ferner sitzen die Autoren noch immer der Legende von der angeblich "größten Panzerschlacht der Weltgeschichte" am 12. Juli 1943 bei Prochorowka auf. Auch hier ist längst nachgewiesen, dass das tatsächliche historische Ereignis nur wenig mit seiner späteren propagandistischen Verklärung zu tun hat.
Wirklich gravierend ist aber, dass die Autoren die politisch-strategische Ebene dieses Krieges weitgehend ausblenden. Welchem Grundkonzept, welcher "Generallinie" folgten zumindest die Hauptmächte in ihrer Kriegführung? Bestand sie bereits im Moment des Kriegseintritts oder hat sie sich erst im Laufe der Zeit herausgebildet?
Seit Andreas Hillgrubers Arbeit aus dem Jahre 1965 wissen wir, dass Deutschland im Moment der britisch-französischen Kriegserklärung am 3. September 1939 über keinen grundlegenden "Kriegsplan" verfügte. Erst innerhalb des folgenden Jahres entstand eine Leitlinie, die derjenigen ähnlich war, mit der Japan im Dezember 1941 in den Krieg eintrat: Beide Mächte setzten auf einen kurzen Krieg. Beide wollten sich schnellstmöglich einen blockadefesten Raum erobern. Sie gingen dabei von der Annahme aus, die Anglo-Amerikaner würden vor einem langen Abnutzungskrieg, der zu dessen Rückeroberung erforderlich wäre, zurückschrecken und sich auf einen Verhandlungsfrieden einlassen. Dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wohnte folglich auch eine geostrategisch-wirtschaftliche Dimension inne. Er entsprang, anders als die Autoren meinen, keineswegs allein einer "fixen Idee" Hitlers.
Großbritannien und die USA kalkulierten dagegen von vornherein einen langen Krieg, in dessen Verlauf sie zunächst auch Rückschläge zu erleiden hätten. Erst nach voller Mobilisierung ihres überlegenen Wirtschaftspotentials wollten sie in die Offensive gehen. Zu Frage einer sowjetischen "Leitlinie" sind der Forschung bisher zwar einige Indizien bekannt; sie reichen zu einer abschließenden Zusammenfassung aber noch immer nicht aus.
So bleibt die grundsätzliche Frage, ob die Autoren nicht besser daran getan hätten, auf manche rein kriegsgeschichtlichen Einzelheiten zu verzichten um dafür die politische Militärgeschichte stärker zur Geltung zu bringen. Ein solcher Orientierungsrahmen hätte gerade dem Laien geholfen, die Übersicht zu bewahren. So aber wird er im Laufe der ansonsten wirklich kurzweiligen und anregenden Lektüre der Gefahr ausgesetzt, vor lauter "Bäumen" den "Wald" allmählich aus den Augen zu verlieren.
H.P. Willmott / Robon Cross / Charles Messenger
Der Zweite Weltkrieg.
Aus dem Englischen von Klaus Binder unter Mitarbeit von Alia Pagin.
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2005; 320 S., 39,- Euro
Der Autor hat sich in seiner publizistischen Arbeit vor allem auf zeitgeschichtliche Fragen und Themen zum Zweiten Weltkrieg konzentriert.