Optimismus statt Schwarzmalerei
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hat in der aktuellen konjunkturellen Krise zu mehr Optimismus und weniger Schwarzmalerei aufgerufen. „Wenn ich heute in Magazinen lese: '2009 wird das schwierigste Jahr in der Geschichte der Bundesrepublik', dann ist das für mich ein erschreckender Nachweis über den Verlust aller Maßstäbe in der Beurteilung der gegenwärtigen Lage“, sagte Lammert am 13. Januar 2009 auf der 50. Gewerkschaftspolitischen Arbeitstagung des Deutschen Beamtenbundes in Köln.
Die Krise relativiere sich, sobald man auf die Anfänge der
Republik und die damaligen Schwierigkeiten blicke. Unter schwersten
Bedingungen habe damals der Parlamentarische Rat das Grundgesetz
entworfen und damit nicht nur den Grundstein für Recht und
Freiheit, sondern auch für die Wiederherstellung der deutschen
Einheit 40 Jahre später gelegt. „Auch wenn die Aufgaben,
vor denen wir stehen, heute deutlich bescheidener sind, würde
ich mir ein Stück von dem Ernst, der Zuversicht und dem
Gottvertrauen wünschen, die damals die Schaffung der
Bundesrepublik Deutschland erst möglich gemacht haben."
"Das Land steht sehr gut da"
Die Deutschen, die in diesem Jahr den 60. Geburtstag der Bundesrepublik feiern werden, hätten allen Grund, stolz auf ihr Land zu sein. Stattdessen aber seien die Menschen notorische Kritiker, die auf einem sehr hohen Niveau klagten. Erfolge würden selten erwähnt, Misserfolge dafür umso vehementer vorgetragen. Ob bei Investitionen, bei der Kaufkraft oder den Sozialleistungen: Überall stehe das Land sehr gut da. „Unsere Probleme möchten die meisten anderen gerne haben“, sagte Lammert.
Ungeachtet der aktuellen Wirtschaftskrise sei es gerade im
Jubiläumsjahr der Bundesrepublik wichtig, die Errungenschaften
des Staates zu würdigen. Neben der Gründung der
Bundesrepublik auf der Basis des Grundgesetzes sei dies vor allem
die Wiedervereinigung der beiden deutschen Teile vor 20 Jahren
gewesen. Für ein Gemeinwesen sei es zwingend nötig, sich
zu erinnern.
Lammert zitierte eine Umfrage, nach der zwar zwei Drittel aller
Ostdeutschen positive Erinnerungen an die DDR hätten, aber 70
Prozent die Verhältnisse der DDR nicht wiederhaben wollten.
„Die Ostdeutschen wissen nur zu gut, was sie sich damals
erkämpft haben: Recht und Freiheit für alle
Deutschen“, sagte Lammert. „Weil Tausende wegliefen,
wurde die Mauer gebaut. Weil Tausende wegliefen, wurde die Mauer
schließlich eingerissen.“ Tagespolitische Aufgaben
sollten diesen Blick auf 1989 nicht verstellen.
"Wiedervereinigungsdenkmal überfällig"
20 Jahre nach dem Mauerfall sei es erschreckend, wie wenig gerade die jungen Menschen hier zu Lande von der jüngeren Vergangenheit wüssten. Laut einer Studie hielten fünf Prozent der deutschen Gymnasiasten Walter Ulbricht für einen oppositionellen Liedermacher, und sieben Prozent glaubten, Erich Honecker sei der zweite deutsche Bundeskanzler gewesen. Gerade, um die Erinnerung an die jüngere deutsche Geschichte und ihre Erfolge wach zu halten, sei das geplante Denkmal für die deutsche Wiedervereinigung ein „wichtiger Beitrag, der längst überfällig ist“.
„Wie haben in 20 Jahren Beachtliches erreicht. Nirgendwo
sonst und niemals zuvor hat ein Teil eines Landes einem anderen
Teil derart geholfen“, sagte Lammert. Selbst der
amerikanische Marshallplan habe nur einen Bruchteil der
Transferleistungen umfasst, die bislang im Rahmen des Solidarpaktes
geflossen seien.
Anpassungsfähiges Grundgesetz
Die Basis für all diese Entwicklungen sei im Grundgesetz gelegt, sagte Lammert. Seine Reputation und internationale Vorbildfunktion verdanke es auch seiner Anpassungsfähigkeit. 53 Mal wurde das Gesetzeswerk bislang verändert. Alle Änderungen seien gut gemeint gewesen, aber nicht alle seien gleich gut gelungen. „Mein Wunsch ist, dass wir mit dem Veränderungsehrgeiz noch behutsamer umgehen als in der Vergangenheit“, sagte Lammert.
Das Grundgesetz sei aber auch die Grundlage der freiheitlichen,
demokratischen Leitkultur in Deutschland. „Niemand bestreitet
heute mehr, dass jede Gesellschaft ein Mindestmaß an
Gemeinsamkeiten braucht, um den inneren Zusammenhalt zu wahren. Die
kulturelle Offenheit setzt die Sicherheit in der eigenen
Rechtskultur voraus“, so der Bundestagspräsident.