Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
„Verbraucherschutz hat in Deutschland einen hohen Stellenwert.“ Diese Aussage hatte der damalige Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer bei der Vorstellung des verbraucherpolitischen Berichts 2008 getroffen. In der rund eineinhalbstündigen Aussprache über den Report am 13. Februar 200, kritisierte die Opposition die Politik der Bundesregierung jedoch heftig. In Sachen Verbraucherschutz sei zu viel Zeit durch Untätigkeit vertan worden.
Rund 50 Seiten umfasst er, der aktuelle verbraucherpolitische
Bericht (
16/9163), den noch Horst Seehofer(CSU),
früherer Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz, am 23. April 2008
präsentiert hatte. Darin stellt die Bundesregierung, wie im
Koalitionsvertrag zwischen CSU/CSU und SPD verabredet, einmal pro
Legislaturperiode ihre verbraucherpolitischen Ziele und Vorhaben
sowie die bereits erfolgten Maßnahmen vor.
„Endlich Rechtsanspruch auf Information“
So verweist der Bericht unter anderem auf das im Mai 2008 in Kraft getretene Verbraucherinformationsgesetz, das Behörden verpflichtet, bei Gesundheitsgefahren, Verstößen gegen das Lebensmittelrecht oder erheblichen Verbrauchertäuschungen von sich aus an die Öffentlichkeit zu gehen.
„Die Verbraucher haben endlich einen Rechtsanspruch auf
Information“, sagte Julia Klöckner,
Verbraucherschutz-Beauftragte der CDU/CSU während der Debatte
im Plenum.
Wirtschaftliche Interessen des Verbrauchers stärken
Im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes nennt der Bericht unter anderem eine Neustrukturierung des nationalen Lebensmittel-, Fleisch- und Geflügelfleischhygienerechts und die Modernisierung der Lebensmittelüberwachung.
Verschiedene Gesetzesänderungen sollen zudem die
wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers stärken, so etwa
die Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen,
Neuerungen im Telekommunikationsgesetz sowie eine Novelle des
Versicherungsgesetzes.
Runder Tisch für die
„Nährwert-Ampel“
Darüber hinaus kündigte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), die von Horst Seehofer im Oktober 2008 das Amt übernommen hatte, weitere Verbesserungen im Bereich des Datenschutzes, unerlaubter Telefonwerbung und der Fahrgastrechte an.
„Ich verstehe mich als Anwältin der Verbraucher“,
bekräftigte Aigner und versprach als solche auch die
Möglichkeit der Einführung einer
„Nährwert-Ampel“ an einem „runden
Tisch“ neu zu diskutieren. Solche farbliche Angaben auf
Verpackungen sollen den Kunden auf einen Blick zeigen, wie ungesund
Lebensmittel sind. Verbraucherverbände hatten die
„Nährwert-Ampel“ befürwortet, während
die Regierung sie bislang ablehnte.
Bildung der Verbraucher stärken
Die Opposition kritisierte die Arbeit der Bundesregierung in Sachen Verbraucherschutz: So sagte Hans-Michael Goldmann (FDP), es wundere ihn nicht, dass Ministerin Aigner in ihrer Rede kaum auf den Verbraucherpolitischen Bericht eingegangen sei: „Er ist es auch nicht wert“. Hier finde sich „viel Geblubber“ statt konkreter Ergebnisse.
Gar nicht angesprochen werde das Thema Bildung. „Um selbst
bestimmt am Markt teilzunehmen, muss der Verbraucher qualifiziert
sein – und das geht eben nur über Bildung“, so
Goldmann.
Verbraucherinformationsgesetz überarbeiten
Auch Karin Binder (Die Linke) monierte, der Bericht zähle eigentlich nur auf, welche EU-Vorgaben umgesetzt wurden. „Wie in einem Hausaufgabenheft“ habe die Bundesregierung diese abgearbeitet. „Von Eigeninitiative zeugt das aber nicht“, sagte die Abgeordnete. Einzig das Verbraucherinformationsgesetz gehe auf ihre Initiative zurück, doch dieses sei ein „Bürokratiemonster“ und müsse dringend überarbeitet werden.
„Warum müssen die Bürger den Umweg über
Behörden gehen, um sich zu informieren“, fragte Binder.
"Warum könnten sie nicht die Auskunft direkt bei Herstellen
und Händlern bekommen?"
„Recht auf Girokonto“ einführen
Nicole Maisch, verbraucherpolitische Sprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen, hatte den Bericht schon im Vorfeld der Aussprache im Bundestag als ein „Blendwerk“ gegeißelt. Statt wirkungsvoll gegen „steigende Energie- und Lebensmittelpreise, Telefonterror, giftiges Spielzeug und Abzocke im Internet“ vorzugehen, werde die Öffentlichkeit mit Ankündigungen und Positionspapieren getäuscht.
In den Jahren der Großen Koalition sei der Verbraucherschutz
in die „zweite Reihe der Politik“ gerutscht,
bemängelte sie und forderte die Regierung auf, sich endlich
auch für ein „Recht auf ein Girokonto“
einzusetzen, wie es die Verbraucherzentralen schon länger
fordern.
Fehlendes Gesamtkonzept für Verbraucherschutz
Diese hatten schon bei Veröffentlichung des Verbraucherpolitischen Berichts die Politik der Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode als „halbherzig“ kritisiert.
Es fehle ein „Gesamtkonzept“, bemängelte der
Verbraucherzentrale Bundesverband. Bislang klafften beim
Verbraucherschutz „Anspruch und Wirklichkeit“ noch
auseinander.