2.4.3
Reform der Internationalen Finanzinstitutionen38
Die Bretton Woods Institutionen
(Internationaler Währungsfonds und Weltbank) stehen seit
geraumer Zeit, aber verstärkt seit den Finanzkrisen der 90er
Jahre unter Reformdruck. Es geht darum, ihre Kernaufgaben neu zu
bestimmen, also sowohl das Ziel der Entwicklung und eine darauf
bezogene Strategie, als auch die Aufgabenteilung zwischen den
Institutionen von Bretton Woods und nationalen Regierungen
festzulegen. Dies wird inzwischen unter dem Aspekt einer Balance
zwischen der Konditionalität der internationalen
Finanzmarktinstitutionen bei der Kreditvergabe und
„Ownership“, d. h. dem Ausmaß, in dem sich
Gesellschaften die notwendigen Maßnahmen zur
Krisenüberwindung und Stimulierung von Entwicklung zu eigen
machen, international diskutiert. Der Vorwurf der mangelnden
Transparenz, einer ein seitigen Gläubigerorientierung
und einer ausufernden Konditionalität (so Dr. Horst
Köhler, Geschäftsführender Direktor des IWF auf
einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung des Deutschen
Bundestages am 2. April 2002 in Berlin; Deutscher Bundestag 2001b:
21) hat bereits zu Veränderungen der Politik des
Währungsfonds geführt. Die ursprünglichen Mandate
von Bank und Fonds werden also verändert werden müssen.
Eine klare Arbeitsteilung zwischen IWF und Weltbank ist dabei
wünschenswert.
Der IWF hat eine Debatte über eine
stärkere Einbindung der Gläubiger in die Bewältigung
der Finanzkrisen begonnen, die zu begrüßen ist. Die
umfangreichen Stützungskredite des IWF in der Vergangenheit
müssen künftig begrenzt werden. Die mit jeder Finanzkrise
in den vergangenen beiden Jahrzehnten höheren finanziellen
Engagements des IWF und anderer Institutionen haben häufig
dazu gedient, Forderungen der Gläubiger zu bedienen und diese
vor den Belastungen der Krisenbereinigung zu schützen (vgl.
hierzu die Aussage von Joseph Stiglitz zur Russlandkrise in einem
Interview39
anlässlich der Vorstellung seines Buches in Berlin am 16.
April 2002) und weniger dazu, Schuldnern aus einer
Liquiditätskrise zu helfen, bevor diese in eine Solvenzkrise
umschlägt.
Der Währungsfonds hat als Reaktion auf
die Krisen der neunziger Jahre die Prävention von Finanzkrisen
in den Mittelpunkt seines Mandats gestellt. Um diese Funktion zu
erfüllen, will der Fonds seine Überwachungsfähigkeit
(Surveillance) – u. a. durch zeitnahe Daten- und
Informationsflüsse und eine bessere Analyse des Finanzsektors
in Schwellen- und Entwicklungsländern – optimieren. Ob
ihm dies bislang gelungen ist, darf nach den Erfahrungen mit der
Türkei- und Argentinienkrise im Jahre 2001 bezweifelt werden.
Hier wird sich auch zeigen müssen, inwieweit die
Konditionalität bei der Kreditvergabe einem
„Post-Washington-Konsens“ bereits Rechnung trägt
und geeignet ist, diesen weiterzuentwickeln.
Der IWF gelangt mehr und mehr zu der
Erkenntnis, dass strukturelle Änderungen in verschuldeten und
von einer Finanzkrise betroffenen Ländern nicht erzwungen
werden können, wenn sie auf massiven Widerstand aus der
Gesellschaft stoßen. Die Konditionalität bedarf vielmehr
einer Verankerung, eines Minimalkonsenses in den betroffenen
Gesellschaften („Ownership“). Noch ist jedoch nicht
erkennbar, welche Konditionen auch weiterhin den Kern von
IWF-Programmen bilden. Überlegt wird eine
Konditionalität, die sich im Wesentlichen auf die finanzielle
und fiskalische Dimension von Krisenüberwindungsprogrammen
beschränkt und der Eigeninitiative bei den sozialen,
politischen, ökologischen Implikationen von Strukturanpassung
mehr Spielraum lässt.
Unerlässlich
ist also
Erstens eine Berücksichtigung
sozialer und ökologischer Folgen von
Strukturanpassungsprogrammen, wie sie sich in der sog.
HIPC-Initiative abzuzeichnen beginnt (siehe unten). Der IWF
muss
Zweitens sicherstellen, dass die Kredite nicht in
„dunklen Kanälen“ verschwinden und die
Vorkehrungen gegen Missbrauch verstärken.
Drittens Daher ist die Einrichtung einer
Evaluationsabteilung („Evaluation Office“), deren
Aufgabe eine transparente Bewertung von Erfolgen und Misserfolgen
sein sollte, vom Ansatz her zu begrüßen.
Die jetzige
Zusammensetzung des Exekutivdirektoriums des IWF wird den
ökonomischen Entwicklungen zunehmend weniger gerecht. Die
Anteile der Länder und Regionen am Weltsozialprodukt
verändern sich. Auch entstehen – nicht nur in Europa
– regionale Integrationsblöcke. Daher ist zu
erwägen, ob die Verteilung der Stimmrechte den gewandelten
Bedingungen angepasst werden sollte.
Das Problem der Zusammenarbeit zwischen
Weltbank und Währungsfonds ist erkannt aber nicht gelöst.
Die Weltbank ist von ihrer Selbstverpflichtung und ihrer Geschichte
her die bedeutendste internationale Entwicklungsinstitution. Darum
sollte sie die führende Rolle bei der Armutsbekämpfung
spielen. Ihr selbst beschriebenes Ziel ist die Vision einer Welt
ohne Armut.40 Doch das
Profil der Bank scheint momentan unscharf. Die Vielzahl von
Aufträgen, Aufgaben und Mandaten der Bank lässt eine
klare Richtung – so eine häufige Kritik –
vermissen.
In der Tat hat die Bank in den letzten Jahren
versucht, „neue Themen“ zu besetzen. So will die Bank
eine führende Rolle bei der Überwindung der sog.
digitalen Spaltung („Digital Divide“) zwischen
Nord und Süd spielen. Sie will einen entscheidenden Anteil an
der Bereitstellung sog. Globaler Güter („Global Public
Goods“) haben. Sie wird sich darum bemühen,
unter ihrem „Dach“ den auf dem G8-Treffen in Genua
beschlossenen globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Malaria
und Tuberkulose anzugliedern.
Mit der Vielzahl der Aufgaben
vergrößern sich die Schwierigkeiten ihrer angemessenen
Finanzierung; auch die damit verbundenen
organisatorisch-strukturellen Probleme („Internal
Structure“) sind gewachsen. Zur Finanzierung ist von
verschiedener Seite der Vorschlag gemacht worden, auf
Sonderziehungsrechte zurückzugreifen. Es geht dabei um die
Bereitstellung internationaler Liquidität jenseits von
nationalen oder supranationalen, regionalen Währungen –
ein Vorschlag, der von
Keynes schon vor über einem halben Jahrhundert gemacht wurde,
und der unter anderen von Joseph Stiglitz wieder aufgegriffen wurde
(Handelsblatt 20. März 2002: Mit globalen Greenbacks gegen die
Armut in der Welt) und auch von George Soros – vor allem als
ein entwicklungspolitisches Instrument (Soros 2002) –
vertreten wird.
Einige weitere
Fragen und Probleme können hier nur angedeutet, müssten
jedoch vertieft behandelt werden; so die Frage der Kriterien, an
denen der Erfolg der Kreditvergabe der Bank gemessen werden kann,
oder die Frage, ob in bestimmten Sektoren die Bank stärker mit
Zuschüssen als mit Krediten arbeiten müsste. Weitere
Themen, die momentan in der Weltbank diskutiert werden, sind die
stärkere Konzentration auf bestimmte Länder und Sektoren,
die Kooperation zwischen Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken
und die Zusammenarbeit der Weltbank mit dem Privatsektor (vgl.
für einen Teil dieser Fragen Kapitel
2.4.6 über „Entwicklungsfinanzierung“).
38 Vgl. hierzu das Minderheitenvotum der FDP-Fraktion in
Kapitel 11.2.2.2.3.
39 Joseph Stiglitz, Professor für
Wirtschaftswissenschaften an der ColumbiaUniversity und ehemaliger
Chefökonom und Vize-Präsident der Weltbank, sagt in
diesem Interview: „Russland hat 1998 einen Kredit bekommen.
Diese fünf Milliarden Dollar flossen ins Land – und am
nächsten Tag schon wieder hinaus auf Schweizer Bankkonten.
Denn die Gläubiger, deren Forderungen die russische Regierung
mit dem Geld begleichen sollte, brachten ihr Kapital natürlich
schnell in Sicherheit. Sie waren in Russland hohe Risiken
eingegangen, weil sie wussten, der IWF wird sie nicht im Stich
lassen. Stellen Sie sich vor: Eine westliche Gläubigerbank
rief beim IWF an und fragte, mit wie viel Geld dieser Russland
helfen werde, damit das Land ihnen ihre Kredite zurückzahlen
kann“ (taz, 16. April 2002:„Die Welt ist keine
Bilanz“).
40 Am Internet-Portal der Weltbank (
http://www.worldbank.org) wird der Besucher mit
dem Motto begrüßt: „Our Dream is a World Free of
Poverty“.
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