3.5.3.1 Verbraucherschutz und
Vorsorge
Das
Schutzinteresse von Verbraucherinnen und Verbrauchern gilt nicht
nur für europäische Staaten oder Industrie
länder. In allen Regionen der Welt haben Menschen ein starkes
Interesse daran, vor Gesundheitsrisiken durch gefährliche
Produkte oder Lebensmittel minderer Qualität, vor
betrügerischen Verkaufspraktiken oder ruinösen
Geldgeschäften geschützt zu sein. In Deutschland und
anderen Industrieländern gibt es unterschiedliche gesetzliche
Regelungen zum Schutz von Verbrauchern, so für Wohnen
(Mietrecht), Investitionen (Haustürgeschäfte) oder die
Qualität privater Bildungsangebote.
Langfristig muss
jedoch gesehen werden, dass durch die heute vor allem in
Industrieländern verbreiteten Konsummuster und
Produktionsweisen die natürlichen Lebensgrundlagen in hohem
Maße gefährdet werden (Deutscher Bundestag 1998,
Europäische Kommission 2002). Konsequenterweise sollten
deshalb im gesamtgesellschaftlichen Zusammenleben
Veränderungen in Richtung einer nachhaltigen
zukunftsfähigen Entwicklung angestrebt werden, was auch das
Verbraucherverhalten einschließt (vgl. Kapitel 7.7.1und 8).
3.5.3.1.1 Gesetzesbestimmungen und
Handelsübereinkommen zum Verbraucherschutz
In der
Europäischen Union ist Mitte Januar 2002 eine neue
europäische Richtlinie über die Produktsicherheit
(2001/95/EG) in Kraft getreten, mit der die Rücknahmepflicht
für Produkte auf zwei Jahre verlängert wurde. Herstellern
und Händlern werden weitere Kontroll- und
Informationspflichten für die Produkte auferlegt, und auch
staatliche Eingriffe bei gefährlichen Waren sind vorgesehen.
Diese Richtlinie muss bis Juni 2004 in nationales Recht
übernommen werden. Für Deutschland heißt dies, dass
das Produktsicherheitsgesetz und das Gerätesicherheitsgesetz
geändert werden müssen. Die EU-Richtlinie ist eine
Verschärfung der bisher geltenden Richtlinien und
berücksichtigt stärker die Sicherheit von Verbrauchern.
Es besteht die Pflicht, die Verbraucher zu informieren, damit sie
mögliche Gefahren erkennen und vermeiden können.
Außerdem müssen die Produkte überwacht und
stichprobenartig geprüft werden, nachdem sie im Handel sind,
und eventuell nachgerüstet werden. Hier haben die
Behörden Eingriffsmöglichkeiten von der
Bußgeldverhängung bis zur Anordnung von Warenrückruf
oder Handels- und Exportverbot. Bei der neuen Richtlinie über
die Produktsicherheit geht es nicht nur um
Gebrauchsgegenstände, deren Unbedenklichkeit wichtig ist. Es
geht jetzt auch darum, dass Produkte eingeschlossen sind, die
Privatpersonen im Rahmen einer gewerblichen Dienstleistung
geliefert oder zur Verfügung gestellt werden. Wenn also einem
Kunden Gerätschaften zur Eigennutzung überlassen werden,
unterliegen nicht nur diese Produkte, sondern auch der
Dienstleister der behördlichen Überwachung. Das betrifft
z. B. Fitnessclubs, Frisiersalons und Hotels. Außerdem werden
Geräte einbezogen, die ursprünglich der gewerblichen
Nutzung dienten, aber zunehmend – wie im Heimwerkerbereich
– im Alltag von Privatpersonen genutzt werden. Hierunter
fallen also professionelle Handwerkerausrüstungen, Farbe oder
Pestizide. Die bisher vor allem im Maschinenbereich geltenden
europäischen Normen für Produktsicherheit sollen für
den gesamten Anwendungsbereich der Richtlinien gelten.
Neu an dieser
Richtlinie ist, dass die EU-Kommission einschreiten kann, wenn von
einem Produkt ernste Gefahr ausgeht. Dann darf, wenn nicht
ausdrücklich eine Ausnahme vorgesehen ist, die betroffene Ware
auch nicht mehr ausgeführt werden. Der Export als
gefährlich eingestufter Waren in Drittländer ist damit
rechtlich unmöglich, selbst dann, wenn das Produkt nach den
Regeln des Bestimmungslandes rechtmäßig importiert und
gehandelt würde.
Der Deutsche
Bundestag hat in der 14.Legislaturperiode die Gesetze zur
Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der
Lebensmittelsicherheit (Deutscher Bundestag 2002d), zur
Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften (Deutscher
Bundestag 2001a) und das Verbraucherinformationsgesetz (Deutscher
Bundestag 2002c) verabschiedet.
Auch wenn
Verbraucherschutz auf Seiten der Produktsicherheit von der EU
gefördert wird, so steht auf anderen Ebenen der
Verbraucherschutz nicht im Vordergrund. Zwar wurde mit dem
Aussetzen der Genehmigungsverfahren von den Mitgliedstaaten 1998
vereinbart, dass für gentechnisch veränderte Produkte
strengere Zulassungs- und Überwachungskriterien in Kraft
treten sollten. Hier sollte auch das Recht der Verbraucherinnen und
Verbraucher berücksichtigt werden, selbst zu entscheiden, ob
sie gentechnisch veränderte Lebensmittel essen wollen. Die
Mitgliedstaaten haben sich allerdings noch nicht auf eine
einheitliche Stellungnahme verständigt. Die neuen
EU-Richtlinie zu Freisetzung, Anbau und Vermarktung
(Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Union 2001)
wie auch neue Vorschläge für die Kennzeichnung von
gentechnisch veränderten Pflanzen und den daraus hergestellten
Produkten sowie für deren Rückverfolgbarkeit durch die
Verarbeitungskette liegen inzwischen vor.
Auf der WTO-Ebene
gibt es bereits Vereinbarungen zum Schutz der Verbraucher vor
Gesundheitsgefährdung. Diese sind im WTO-Übereinkommen
über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und
pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS-Übereinkommen)
festgelegt. Weiterhin regelt das WTO-Übereinkommen über
technische Handelshemmnisse (TBT-Übereinkommen) den
internationalen Umgang mit technischen Regulierungen und
Industriestandards. Durch diese WTO-Übereinkommen werden keine
eigenen Standards gesetzt, sondern es wird auf die von fachlich
kompetenten, internationalen Gremien erarbeiteten Normen verwiesen
(z.B. jene der ISO; vgl. Kapitel 3.6.1).
3.5.3.1.2 Handelspolitische
Maßnahmen zur Vorsorge
Diese genannten
WTO-Übereinkommen ermöglichen es Staaten, die Risiken
abzudecken, die von eingeführten Waren ausgehen, deren
Produktion und Verarbeitung dem Regelungsbereich des Importstaats
entzogen ist. Unter bestimmten Voraussetzungen können aufgrund
gesundheitspolitischer oder technischer Vorschriften
handelspolitische Maßnahmen ergriffen werden. Um hier keine
neuen Handelsbarrieren zu errichten, müssen die staatlichen
Maßnahmen gemäß den WTO-Übereinkommen
wissenschaftlich begründet, transparent und
verhältnismäßig sein, und dürfen nicht zwischen
einzelnen Importstaaten diskriminieren. Allerdings dürfte es
manchen Entwicklungs- oder Schwellenländern, eventuell sogar
Transformationsländern nicht leicht fallen, beabsichtigte
importbeschränkende Maßnahmen zu begründen, vor
allem, wenn in diesen Ländern keine national vorsorgenden
Vorschriften gelten. Deshalb sollte im internationalen Handel
selbstverständlich werden, was die beschriebene neue
EU-Richtlinie über Produktsicherheit festlegt, nämlich
dass Produkte, deren Verkauf oder Herstellung wegen Gefährdung
im eigenen Land verboten sind, nicht exportiert werden
dürfen.
Im Protokoll
über die biologische Sicherheit (Cartagena Protokoll), das
Anfang 2000 in Montreal verabschiedet wurde, ist ein Informations-
und Entscheidungsverfahren für die Ausfuhr von gentechnisch
veränderten Organismen festgelegt. Hier ist das Ausfuhrland
verpflichtet, dem Empfängerland alle Informationen
zugänglich zu machen, die für eine Sicherheitsbewertung
erforderlich sind. Das Einfuhrland kann die Einfuhr verbieten, wenn
plausibel Zweifel an der Sicherheit für Umwelt, biologische
Vielfalt und menschliche Gesundheit bestehen. Eine fundierte
wissenschaftliche Beweisführung ist, anders als bei den
genannten WTO-Abkommen, nicht notwendig, um ein Verbot zu
begründen. Es ist Staaten also erlaubt, gemäß
Protokoll, aus Vorsorge Importverbote zu verhängen. Allerdings
gilt dieses vereinbarte Verfahren nicht, wenn beim Handel mit
gentechnisch veränderten Organismen wie z. B. Sojabohnen oder
Mais, diese sofort zu Lebens- oder Futtermitteln verarbeitet
werden. Auch bei der Ausfuhr solcher Produkte muss keine
Information durch das ausführende Land erfolgen, wenn keine
Freisetzung der Produkte vorgesehen ist. Das Importland hat in
diesem Fall also keine Möglichkeit, aus Vorsorge ein Verbot zu
verhängen. Das Ausfuhrland muss jedoch sicherstellen, dass
sicherheitsrelevante Informationen und Erkenntnisse zur
Verfügung stehen. Diese werden jeweils an eine Clearingstelle
gegeben, die auf nationaler Ebene bereits eingerichtet ist oder
noch eingerichtet wird. International wird der Prozess in einem
Clearinghaus verfolgt.
3.5.3.1.3 Handelspolitische
Wirkungen
Verbraucherschutz
im Handel kann keine Rücksicht auf den Ursprung einer Ware
nehmen, sondern dient dazu, bestimmte Risiken wie
Gesundheitsgefahren und Irrefüh rung auszuschalten.
Verbraucherschutz kann somit nicht nach Herkunft eines Produktes
geteilt werden. Deshalb haben Maßnahmen des
Verbraucherschutzes oder auch die Anwendung eines international
noch nicht vereinbarten
Vorsorgeprinzips handelspolitische Wirkungen. Ziel der
genannten WTO-Übereinkommen (SPS- und TBT-Über-einkommen)
ist es, vor ungerechtfertigten Handelsbeeinträchtigungen zu
schützen. Die geforderten Standards können in der
Realität aber auch handelsbeschränkende Wirkung
gegenüber Waren aus Entwicklungsländern haben. Denn diese
können die nach dem SPS- und TBT-Übereinkommen
zulässigen Standards heute häufig nur unter
Schwierigkeiten erfüllen. Die Verwendung
gesundheitsbeeinträchtigender Chemikalien bei der
Textilproduktion oder von im Export-Zielland verbotenen
Pflanzenschutzmitteln bei der Nahrungsmittel- oder Blumenproduktion
könnte handelsbeschränkende Maßnahmen hervorrufen.
Daher stehen etliche Entwicklungsländer internationalen
Standards für den Verbraucherschutz ebenso ablehnend
gegenüber wie Sozial- und Umweltstandards. Aus dem Grunde
gelten auch hier die an anderen Stellen des Berichts unter den
Abschnitten Sozialstandards (vgl. Kapitel
3.5.2),Handel und Umwelt (vgl. Kapitel
3.5.1)und Verhaltenskodizes transnationaler Unternehmen (vgl.
Kapitel 3.6)genannten Bedingungen für
eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene.
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