Raubbau in Kambodscha
Ex-König Norodom Sihanouk wusste um die Katastrophe. Doch sein Einfluss war schon ge-schwunden, als er an die britische Umweltorganisation Global Witness schrieb: "Durch die Abholzung des Tropenwaldes wird die Zukunft Kambodschas und die unserer jungen Generation geopfert." Auch vor der Nationalversammlung in Phnom Penh stieß er auf taube Ohren, als er den Kahlschlag für die schweren Überschwemmungen verantwortlich machte, die sich in den letzten Jahren in dem südostasiatischen Land häufen.
Früher konnten sich die Bauern auf die Regenzeit verlassen. In den vergangenen zwei, drei Jahren fällt der Regen unregelmäßiger. Und die Bauern sind mehr und mehr verunsichert, wann sie mit der Reisanpflanzung beginnen sollen. Marcus Hardtke, deutscher Mitarbeiter bei Global Witness in der Hauptstadt Phnom Penh, sieht große Veränderungen zumindest auf regionaler Ebene. Es sei sicherlich schwierig, diese Entwicklung direkt mit dem Raubbau am Tropenwald in Verbindung zu bringen. Aber die zunehmende Tro-ckenheit sei offensichtlich, mit Bodenerosion im Gefolge und einem veränderten Mikroklima. Die Perioden der Trockenheit sind inzwischen von sechs auf acht Monate angewachsen. Das hat schwerwiegende Folgen für die Landwirtschaft, aber auch für den im Wortsinn "angeschlagenen" Wald, der sich kaum mehr regenieren kann. Seen sinken ab, mit erschreckenden Folgen für den Fischbestand.
Die Roten Khmer, die zwischen 1975 und 1979 rund zwei Millionen Menschen umbrachten, hatten noch bis Anfang der 90er-Jahre weite Teile des wald-reichen Westens an der Grenze zu Thailand kontrolliert. Mit dem schwungvollen Tropenholz-Handel finanzierten sie ihre Truppen und ihre Vorstöße gegen die Armee. Dann schaltete sich auch Ministerpräsident Hun Sen in das lukrative Geschäft ein, obwohl Artikel 59 der 1993 verkündeten Verfassung den Schutz und Erhalt der Umwelt vorschreibt.
Als das Land befriedet und die letzten Roten Khmer zu den Regierungstruppen übergelaufen waren, kam das Holzgeschäft erst so richtig in Fahrt. "Von dem Boom haben alle politischen Parteien, die Armee und praktisch jeder profitiert, der eine Kettensäge halten konnte", so Marcus Hardtke. Die Situation geriet außer Kontrolle, sodass Mitte der 90er-Jahre die Geberstaaten der kambodschanischen Regierung ein Ultimatum stellten: Falls nicht sofort eine Waldreform eingeleitet würde, dann werde die Ressource Wald für immer verloren sein. Kambodscha würde keine Entwicklungsgelder mehr erhalten. Unter diesem Druck leitete Ministerpräsident Hun Sen in 1999 eine Reform ein. Von ihr wurden die Betreiber von den im ganzen Land verteilten Sägewerken betroffen. Die "großen Fische" blieben weitgehend unbehelligt, weil sie mit Regierungsstellen gemeinsame Sache machten.
Absurderweise führte die Waldreform dazu, dass der Regierungschef die unliebsame Konkurrenz wie die Oppositionsparteien ausschaltete. So ganz will sich aber die Lobby der Holzhändler nicht verdrängen lassen. Auch bestimmte Leute in den Ministerien in Phnom Penh leben von dem skrupellosen Holzeinschlag nicht schlecht. Also wurde eine neue Idee geboren - das Anlegen von Plantagen bis zu einer Maximalgröße von 10.000 Hektar. Um sie aber anzulegen, muss zunächst einmal der Wald verschwinden. Und genau das geschieht jetzt in Kambodscha.
In den Provinzen Pursat und Kampong Chhang fressen sich die Sägen tief in die Wälder hinein. Akazien-Plantagen sind geplant, obwohl der Boden dafür gar nicht geeignet ist. Dann sollen später auch noch Gummi- und Eukalyptus-Bäume gepflanzt werden. Ob dies allerdings jemals geschehen wird, ist mehr als fraglich. Die Größenordnungen sind aus europäischer Sicht unvorstellbar. Es handelt sich um Waldgebiete von bis zu 300.000 Hektar. Der Schaden, der aus Profitgier entsteht, wird nicht wieder gut zu machen sein. Das Monopol für das Anlegen der Plantagen hat der Konzern Pheapimex, dessen Betreiber in der Nähe von Ministerpräsident Hun Sen angesiedelt ist.
Global Witness hat in seiner jüngsten detaillierten Untersuchung mit dem durchaus doppeldeutigen Titel "Taking a Cut" (Einen Schnitt machen) aufgedeckt, dass die Holzlobby auch vor Naturschutzgebieten nicht Halt macht. Am Beispiel des Aural Wildlife Sanctuary, in den Provinzen Pursat und Kompong Speu gelegen, enthüllt die Umweltorganisation erneut die enge Verflechtung mit Hun Sen. Seine 1.000 Mann zählende Leibgarde unter Generalmajor Hinh Bun Heang profitiert vom Handel mit Tropenholz.
Die der Leibwache angehörenden Offiziere Mao und Maorng kommen nach Informationen von Global Witness ein- bis zweimal wöchentlich mit eigenen Trucks in das Naturschutzgebiet und zahlen jeweils 1.000 Dollar Bestechungsgeld an die Spezialeinheiten der Forstverwaltung.
Die Armee hat nicht nur Erfahrung mit illegalem Holzhandel, sondern auch die logistischen Möglichkeiten, das Geschäft nach außen abzusichern. Sie hat genug Leute und eine ausreichende Zahl von Trucks, die die wertvolle Fracht in andere Provinzstädte oder direkt nach Vietnam bringen. Die britischen Umweltschützer haben inzwischen eine haarsträubende Entdeckung gemacht. Bei Kontrollflügen und Untersuchungen stellten sie in der östlichen Provinz Mondulkiri fest, dass auf einem mit Gras- und Buschland bewachsenen Hochplateau das Herbizid Agent White versprüht wird. Im Vietnamkrieg war das Gift nach Agent Orange von den Amerikanern zur Entlaubung der Wälder benutzt worden. Kaum vorstellbar, welchen Schaden das im höchsten Maße krebserregende Herbizid bei den Bewohnern der Provinz verursachen kann. Marcus Hardtke: "Die sprühen das Gift, um Platz für ihre Pflanzungen zu schaffen. Fraglich ist nur, wie sich das auf die Pflanzungen auswirken wird..."