Extremismus - Justiz im Internet-Zeitalter - gegen Begriff Bundespolizei
Nach dem Bundestag hat am 18. März auch der Bundesrat das verschärfte Versammlungs- und Strafrecht mit großer Mehrheit gebilligt. Das neue Recht kann damit bereits am 8. Mai angewandt werden, wenn die NPD zum 60. Jahrestag des Kriegsendes an historisch sensiblen Orten wie dem Brandenburger Tor in Berlin aufmarschieren will. Die verschärften Gesetze richten sich grundsätzlich gegen Aufmärsche von Neonazis. Künftig können Versammlungen an historisch bedeutenden Gedenkstätten - etwa in ehemaligen Konzentrationslagern - verboten werden, wenn die Würde von Nazi-Opfern Beeinträchtigt wird. Ausdrücklich im Gesetz genannt ist das Holocaust-Mahnmal in Berlin-Mitte. Die Länder können weitere zu schützende Orte per Gesetz bestimmen.
Bevor das Gesetz endgültig in Kraft treten kann, muss es noch von Bundespräsident Horst Köhler geprüft und unterschrieben werden. In der Länderkammer gab es am 18. März wie schon eine Woche zuvor im Bundestag eine breite Mehrheit für den zwischen Rot-Grün und Union ausgehandelten Kompromiss.
Verfassungsrechtliche Bedenken hatte nur die FDP. Sie hält die Gesetzesverschärfungen für überflüssig. Sie erwartet Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, die dann nach ihrer Auffassung "eine sehr große Chance auf Erfolg" hätten. Ob die Verschärfung die gewünschte Wirkung hat, ist umstritten. Bayern räumte bereits im Bundestag Schwachpunkte ein. So seien für die Länder "historisch bedeutsame Orte" schwierig zu interpretieren. Das Bundesland ist besonders betroffen durch die jährlichen Neonazi- Aufmärsche in Wunsiedel. Dort ist der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß begraben. Im Strafgesetz wird der Volksverhetzungsparagraf 130 erweitert. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren kann belegt werden, wer die Würde der Nazi-Opfer dadurch stört, dass er die NS-Gewaltherrschaft "billigt, verherrlicht oder rechtfertigt".
Die deutschen Gerichte können nun endgültig ins Internet-Zeitalter starten. Der Bundesrat billigte weiterhin ein Gesetz, das in der Justiz die elektronische Aktenbearbeitung ermöglichen soll. Damit könnten in Zukunft nicht nur die Papierberge und die bekannten Aktenwagen in den deutschen Gerichten verschwinden. Es wird auch die Grundlage dafür geschaffen, dass Anwälte und Bürger Anträge oder Schriftsätze per Email bei den Gerichten einreichen können. Denkbar ist auch, dass Anwälte von der Kanzlei aus Akteneinsicht nehmen. Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Hans- Christian Ströbele, selbst seit 40 Jahren Anwalt, hatte im Bundestag vor drei Wochen von einer "Revolution in der Justiz" gesprochen. Ob das Internet-Zeitalter aber tatsächlich beginnt, hängt davon ab, ob die Länder zunächst auch die technischen Voraussetzungen dafür schaffen. Dafür wären Millionen-Investitionen nötig. Rechtspolitiker der Bundestags-Fraktionen hatten bezweifelt, ob die Länder schnell die erforderlichen Mittel aufbringen werden.
Der Bundesrat ist zudem mehrheitlich gegen eine Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in "Bundespolizei". Die Ländervertretung lehnte einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem Hinweis ab, dass keine nationale oder europäische Rechtslage diese Namensänderung verlange. Der Bundesrat kann dennoch die Umbenennung nicht verhindern, weil dies Bundessache ist.