Kontrollfunktion des Bundestages
Auch die Kontrollfunktion gegenüber der Regierung
gehört zu den klassischen Aufgaben eines Parlamentes und
ergibt sich aus der Lehre der Gewaltenteilung. In der Praxis des
modernen Parlamentarismus übt aber im wesentlichen die
Opposition die ständige und dauerhafte Kontrolle aus. Der
kontrollierende und korrigierende Einfluss der Abgeordneten aus den
Regierungsfraktionen findet eher im Vorfeld des politischen
Prozesses und hinter verschlossenen Türen statt, zum Beispiel
in Fraktions-, Arbeitsgruppen- oder auch Ausschusssitzungen.
Immerhin ist bemerkenswert, dass es kaum einen Gesetzentwurf der
Regierung gibt, der ungerupft oder unverändert die
Ausschussberatungen verlässt. Der einzelne Abgeordnete
verfügt über relativ geringe Kontrollmöglichkeiten.
Zwar kann er Einblick in alle dem Parlament zur Verfügung
stehenden Dokumente nehmen, in der Fragestunde des Bundestags
Regierungsmitglieder in die Zange zu nehmen versuchen sowie
mündliche und schriftliche Fragen an die Bundesregierung
stellen - wovon die Parlamentarier auch reichlich Gebrauch machen:
In der letzten Legislaturperiode wurden insgesamt nicht weniger als
14559 Fragen an die Regierung gerichtet - doch die schärferen
Waffen des Kontrollrechts sind dem Einzelnen verwehrt. Sie sind an
bestimmte Quoren gebunden.
So können z.B. nur Fraktionen "Kleine" oder "Große
Anfragen" im Bundestag einbringen, um die Regierung zur
schriftlichen Auskunft über ein bestimmtes Thema zu bewegen.
Werden die Kleinen Anfragen nur schriftlich beantwortet,
können die "Großen" nach schriftlicher Beantwortung auch
zu ausführlichen Debatten im Plenum führen. In der
Wahlperiode von 2002 bis 2005 wurden 65 Große und 797 Kleine
Anfragen eingebracht. Auch das gern genutzte Instrument der
Aktuellen
Stunde kann nur von Fraktionen beantragt werden. Es sind vor
allem die Oppositionsfraktionen, die mit dieser einstündigen
Aussprache im Parlament Regierung und die sie stutzende Mehrheit in
Bedrängnis zu bringen suchen. In der vergangenen
Legislatureperiode gab es 71 Aktuelle Stunden. Zu einer scharfen
Waffe können schließlich Untersuchungsausschüsse
werden, die auf Antrag eines Viertels der Bundestagsmitglieder
eingesetzt werden müssen und dazu dienen,
öffentlichkeitswirksme Mängel und Missstände im
staatlichen Bereich aufzudecken. Ingesamt gab es bislang 35 solcher
Untersuchungsausschüsse. In der letzten Wahlperiode tagten der
"Wahlbetrug"-Untersuchungsausschuss und der
"Visa"-Untersuchungsausschuss.
Zum Reigen der Kontrollinstrumente gehören, wenn auch nicht
unmittelbar, Enquete-Kommissionen und sogenanne
"Hearings". Mit den Enquete-Kommissionen, die die Aufgabe haben,
sich langfristiger Themen grundsätzlich anzunehmen, versucht
das Parlament, seine Stellung gegenüber der Regierung zu
verstärken, die sich ihrerseits bei der Bewältigung
komplexer Probleme vieler Beiräte und Expertengruppen bedient.
Auch "Hearings" - also umfangreiche öffentliche
Anhörungen von Fachleuten und Interessenvertretern - sind ein
häufig genutztes Mittel des Bundestages, einen Gesetzentwurf
oder ein verwickeltes Thema gründlich zu durchleuchten. In der
letzten Wahlperiode gab es insgesamt 268 "Hearings" und
Enquete-Anhörungen
Schließlich zählen auch noch der Wehrbeauftragte und der
Datenschutzbeauftragte im weitesten Sinne zum
Kontroll-Instrumentarium des Parlaments. Der Wehrbeauftragte, der
als Hilfsorgan des Bundestages zur Ausübung der
parlamentarischen Kontrolle über die Streitkräfte berufen
wird, hat vor allem den Auftrag, möglichen
Grundrechtsverletzungen bei der Bundeswehr nachzugehen und dem
Parlament über ihren inneren Zustand zu berichten. Der
Datenschutzbeauftragte, der zwar von der Regierung vorgeschlagen,
aber vom Parlament gewählt wird, ist dazu bestimmt, über
die Einhaltung der Regeln zu wachen, die dem Schutz der
Privatsphäre der Bürger dienen sollen.
Quelle: Kürschners Volkshandbuch - 15. WP, Stand: 15.Januar
2003, geändert 2005