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Duell zweier ungleicher Kandidaten

Die Bundestagswahlen – Teil 9: 1980

Franz Josef Strauß und Helmut Schmidt
© dpa - Bildarchiv
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Ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik: 1980 bewirbt sich mit Franz Josef Strauß erstmals ein CSU-Politiker um das Amt des Regierungschefs. Rasch spitzt sich der Wahlkampf auf die Auseinandersetzung zwischen Amtsinhaber Helmut Schmidt (SPD) und seinem Herausforderer zu, Sachthemen drohen dabei unterzugehen.

Wohl kaum ein Bundestagswahlkampf wird so emotional und polarisierend geführt wie der von 1980. Das liegt vor allem am Kanzlerkandidaten der Union: Franz Josef Strauß, damals bayerischer Ministerpräsident und Vorsitzender der CSU. „Für seine Bewunderer und Befürworter war er der Heilige, für seine Gegner und Feinde der Dämon, der Gottseibeiuns“, beschreibt sein Biograf Peter Siebenmorgen die Wirkung des bayerischen Vollblutpolitikers.

Spätestens seit der „Spiegel“-Affäre von 1962, in deren Folge Strauß, damals Verteidigungsminister, von seinem Amt zurücktreten muss, ist der Altphilologe auch in den Reihen der Union umstritten. Seiner Kanzlerkandidatur 1980 geht ein heftiger Machtkampf zwischen CDU und CSU voraus. Denn viel lieber als Strauß will der damalige CDU-Vorsitzende Dr. Helmut Kohl seinen Parteifreund, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, zum Kanzlerkandidaten machen.

Schmidt contra Strauß

Nachdem mehrere Vermittlungsversuche in der „K-Frage“ in verschiedenen Gremien der Schwesterparteien gescheitert sind, kann sich Strauß schließlich durchsetzen: Mit 135 zu 102 Stimmen wählt ihn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 2. Juli 1979 zum gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Union.

Die sozialliberale Koalition schickt erneut Bundeskanzler Helmut Schmidt, der seit 1974 an der Spitze der Bundesregierung steht, ins Rennen. Der kühle Hamburger wirkt wie das genaue Gegenteil von Strauß: Nüchtern, sachlich, selbstbeherrscht.

Wahlkampf mit harten Bandagen

Der Wahlkampf konzentriert sich rasch auf die beiden Kontrahenten um das Amt des Bundeskanzlers. Dabei wird auf beiden Seiten mit harten Bandagen gekämpft. So persifliert die SPD in einem ihrer Wahlkampfspots Auftreten und Rededuktus von Strauß.

Auch die FDP als Koalitionspartnerin der SPD richtet ihren Wahlkampf auf das „Feindbild“ Strauß aus. „Diesmal geht’s ums Ganze. Für die Regierung Schmidt/Genscher, gegen Alleinherrschaft einer Partei, gegen Strauß. Diesmal F.D.P.“ heißt es auf einem ihrer Wahlplakate neben dem Konterfei von FDP-Chef und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. 

Strauß wiederum, der um seinen Ruf als „Poltergeist und Unruhestifter“ (Siebenmorgen) weiß, ist darum bemüht, sich in Wahlfilmen und auf Wahlplakaten als gütiger Landesvater und im Ausland hoch angesehener Politiker mit reicher internationaler Erfahrung zu präsentieren.

In einem Wahlwerbespot der CSU gibt er sich im heimischen Wohnzimmer als Familienoberhaupt, das voller Sorge die politische Entwicklung in Deutschland und der Welt beobachtet, in einem anderen als Anwalt der kleinen Leute, der ihre Sorgen um ihren Arbeitsplatz, die Sicherheit der Rente und den Frieden in Europa ernst nimmt. „Kanzler für Frieden und Freiheit“, so der Slogan auf einem CSU-Plakat, mit einem optimistisch lächelnden und winkenden Franz Josef Strauß daneben.

„Schlammschlacht der deftigen Ruppigkeiten“

Doch im realen Leben und Wahlkampf haut er gern in bewährter Manier auf seine politischen Gegner ein. Enttäuscht schreibt daher „Der Spiegel“ wenige Tage vor der Wahl am 5. Oktober 1980: „Die Parteien haben ihr Versprechen nicht eingelöst: Statt eines Wahlkampfs der Argumente boten sie den Bürgern eine Schlammschlacht der deftigen Ruppigkeiten. Das Publikum wandte sich angewidert ab.“

Dabei hätte es an Themen für eine sachliche politische Auseinandersetzung nicht gefehlt: Der Umgang mit dem Linksterrorismus etwa, der die Bundesrepublik die gesamten 1970er Jahre hindurch erschüttert, die Diskussion um Umweltschutz und Kernkraft – 1980 treten die „Grünen“, denen der Sprung in einige Landesparlamente bereits gelungen ist, erstmals auf Bundesebene an – oder die zunehmende Verhärtung des Ost-West-Verhältnisses als Folge des Einmarsches der Sowjetunion in Afghanistan 1979.

Bestätigung für die Regierung Schmidt-Genscher

Die Wahl bringt eine deutliche Mehrheit für die sozialliberale Koalition. Klarer Wahlsieger ist die FDP: Sie kommt auf 10,6 Prozent und kann damit 14 Sitze hinzugewinnen. Im Parlament ist sie nun mit 53 Abgeordneten vertreten. Die SPD erreicht 42,9 Prozent der Wählerstimmen, das bedeutet gegenüber 1976 einen Zuwachs von vier Sitzen auf nun insgesamt 218 Sitze. 

Ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1949 fährt die CDU ein. Sie kommt auf 34,2 Prozent und zieht mit 174 Abgeordneten in den Bundestag ein, 16 weniger als zuvor. Die CSU legt mit 10,3 Prozent ganz leicht zu und stellt einen Abgeordneten mehr als 1976. Für Strauß ist das Ergebnis eine deftige Niederlage, nicht zuletzt gegen seinen Hauptgegner innerhalb der Union, Helmut Kohl.

Besonders enttäuschend ist der Wahlausgang für die „Grünen“, die gerade einmal 1,5 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen können und damit weit unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben. Offenkundig haben viele ihrer potenziellen Wähler aus dem Umkreis der Umwelt- und Friedensbewegung ihre Stimme doch lieber der SPD gegeben, mit dem Ziel, einen Bundeskanzler Strauß um jeden Preis zu verhindern.

Bruch der sozialliberalen Koalition

Am 5. November 1980 wird Helmut Schmidt mit den Stimmen von SPD und FDP erneut zum Bundeskanzler gewählt. Doch schon bald kommt es zu heftigen Spannungen zwischen den Koalitionspartnern. Grund ist die sich durch die zweite Ölkrise rapide verschärfende Wirtschaftskrise, die die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen von FDP und SPD zutage treten lässt.

Am 17. September 1982 schließlich bricht die sozialliberale Koalition auseinander, zwei Wochen später wird der bisherige Oppositionsführer Helmut Kohl durch ein konstruktives Misstrauensvotum zum Bundeskanzler gewählt.




Ausdruck aus dem Internet-Angebot des Deutschen Bundestages

www.bundestag.de/btg_wahl/wahlgeschichte/wahl1980/index.jsp

Stand: 16.08.2009