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Nr. 21 / 22.05.2006
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Koalition vermisst Respekt vor Opfern

Tschernobyl-Antrag der Grünen

Umwelt. Der Umweltausschuss hat am 17. Mai einen Antrag der Bündnisgrünen (16/860) zum 20. Jahrestag des Reaktorunfalls von Tschernobyl (Ukraine) mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP abgelehnt. Die Linksfraktion enthielt sich. Die Bündnisgrünen hatten in ihrem Antrag "Nie wieder Tschernobyl - Zukunftssichere Energieversorgung ohne Atomkraft" die Bundesregierung unter anderem dazu aufgefordert, den Ausstieg aus der Atomenergie ohne Einschränkungen umzusetzen, sich für die Nichtverbreitung der Atomenergie einzusetzen und keine staatliche Unterstützung für den Export von Nukleartechnologien zu gewähren.

Zur Begründung hieß es, die Risiken der Atomenergienutzung seien seit der Katastrophe von Tschernobyl nicht geringer geworden, auch heute noch seien die Folgen des GAUs verheerend. Gerade die aktuelle Debatte über den Iran zeige, dass militärische und zivile Nutzung der Kernenergie nicht trennbar seien. Ein deutscher Ausstieg aus der Atomenergie könne dagegen eine "Vorbildfunktion" haben und "erzieherisch" wirken. Die Union kritisierte, der Antrag sei angesichts der zahlreichen Opfer, die das Reaktorunglück gefordert habe, "unangebracht", weil damit ein spezieller Fall zur Begründung eines allgemeinen Anliegens benutzt werde. Damit werde den Opfern nicht der gebührende Respekt entgegengebracht.

Dieser Kritik schloss sich die SPD an: Der Antrag vermische in unsachlicher Weise die Katastrophe von Tschernobyl etwa mit der Endlagerproblematik. Die Ablehnung der Atomenergie durch die Sozialdemokraten speise sich dagegen nicht aus ideologischen Gründen oder Technikfeindlichkeit, sondern resultiere aus der Einsicht, dass die Nutzung von Atomenergie weder ökologisch noch ökonomisch verantwortbar sei. Die FDP bemängelte, einige Behauptungen der Bündnisgrünen - so etwa im Punkt der Versorgungssicherheit - seien falsch und damit "nicht tragbar". Zudem habe man während einer Berichterstatter-Reise nach Tschernobyl feststellen können, dass es vor Ort nicht die erwartete Ablehnung der Atomkraft gebe.

Obwohl die Linksfraktion viele Argumente der Bündnisgrünen teilte, stimmte sie dem Antrag nicht zu: Wenn die Nutzung der Atomkraft so gefährlich sei, wovon die Linke ausgehe, dann müsse man den schnellstmöglichen Ausstieg fordern und dürfe nicht Laufzeiten von bis zu 20 Jahren zustimmen. In Übereinstimmung mit Bündnisgrünen und FDP befand sich Die Linke in ihrer Kritik an der Union: Alle drei Oppositionsfraktionen bemängelten, dass an der Abgeordnetenreise der Berichterstatter nach Tschernobyl kein Unionsvertreter teilgenommen hat.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.