Kleine Geschenke erhalten nicht nur die Freundschaft, sie gewinnen auch Wählerstimmen. Zumindest sind davon die Parteien überzeugt: Kein Wahlkampfstand ohne Werbemittel – vom Luftballon bis zum Kondom ist für jede Interessenlage etwas dabei. Doch was versprechen sich die PR-Abteilungen der Parteien eigentlich von diesen „Give-aways“?
Sie sind schön, sie sind praktisch, sie sind witzig. Wenn es darum geht, Parteien über Werbegeschenke in Szene zu setzen, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. „Frech wie Oskar“ oder „Mit links gemacht“ steht auf den knallroten kleinen Babystramplern, die die Linkspartei im Angebot hat. Die CSU bietet ebenfalls ein Babyoutfit an – setzt dabei aber auf bayerntypische blau-weiße Rauten. Der Werbeknaller bei der SPD ist ein feuerroter Toaster, auf dem nicht nur das SPD-Logo prangt, sondern der den Schriftzug auch auf der frisch gerösteten Brotscheibe leuchten lässt.
Die FDP wiederum verbreitet ihre Botschaft „Steuern runter“ augenzwinkernd auf Bierdeckeln. Die Grünen bedrucken Waldmeister-Brausetüten mit dem Spruch „Wir sind die Waldmeister“, und die CDU verteilt Aufkleber und Magneten in Kampagnen-Orange mit der selbstbewussten Aufschrift „Chefin“. Keine Frage: Mit der Gestaltung ihrer so genannten Imageprodukte geben sich alle großen Parteien viel Mühe. Aber warum eigentlich?
Bei Unternehmen springt der Sinn von Werbegeschenken buchstäblich ins Auge: Da Firmen in der Regel nicht ständig in der Öffentlichkeit präsent sind, rufen sie sich bei ihren Kunden durch nützliche kleine Gaben wie Schreibblöcke, Kalender oder Kugelschreiber mit dem Firmenlogo über den Einzelauftrag hinaus in Erinnerung. Doch die politischen Parteien sind täglich in den Nachrichten. Wozu also noch all die aufwendigen Gedankenstützen?
„Ich glaube, wir überschätzen, was bei den Leuten von der Botschaft der politischen Parteien hängen bleibt“, sagt Christian Renatus, Geschäftsführer des liberal Verlags, der für die Umsetzung der Werbelinie der FDP zuständig ist. „Unsere Erfahrung am Infostand ist, dass viel Unwissen über die Parteien, über die Wahlen und über das politische System herrscht. Neben dem Kugelschreiber und anderen Give-aways können wir den Menschen dann zum Beispiel immer auch unser Kurzwahlprogramm in die Hand drücken und so auf die Inhalte unserer Politik aufmerksam machen.“
Ähnlich sieht das Alrun Nüßlein, Pressesprecherin der Partei Die Linke. „Im Straßenwahlkampf sind Kleinwerbemittel nach wie vor unverzichtbar“, erklärt sie. Teilweise sei das zwar sicher der Tradition geschuldet. Doch auch im Zeitalter der neuen Medien „erleichtern die kleinen Gaben das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern entscheidend“. Manch einen treibt offenbar schon die pure Neugier auf den Einfallsreichtum der Werber an die Stände: „Viele Interessierte schauen gezielt nach originellen Formulierungen auf den Werbepräsenten am Infostand“, sagt Nüßlein.
Originalität ist das eine, die Übereinstimmung mit den inhaltlichen Zielen der jeweiligen Partei das andere. So ist es kein Zufall, dass FDP und CDU ihren Anhängern allerlei Artikel rund ums Auto bieten, die Grünen dagegen lieber Fahrradwimpel und Sattelschoner verteilen. „Uns ist es wichtig, dass alles in einem konzeptionellen Rahmen steht und die Streuartikel immer auch einen inhaltlichen Bezug haben“, sagt Robert Heinrich, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei den Grünen. „Bei unseren Artikeln gibt es keine Beliebigkeit.“ Windräder seien beispielsweise ein originär grünes Thema und Fahrradfahren ebenfalls. Selbst die Luftballons sind bei den Grünen aus Naturkautschuk und die Kugelschreiber aus umweltfreundlicher Pappe. Ein „Riesenrenner“ seien übrigens schlichte Bio-Äpfel, die mit dem Kurzprogramm verteilt würden.
Spätestens alle vier Jahre müssen neue Werbemittel her. Die meisten Parteien überarbeiten ihr Angebot sogar laufend. „Das ist auch ein Signal nach innen“, erläutert Christian Renatus vom liberal Verlag der FDP. „Damit zeigen wir auch unseren Mitgliedern, dass die Partei innovativ ist.“ Bei so viel Raffinesse – wäre da auch ein Wahlkampf mal ganz ohne Luftballons denkbar? „Nein“, sagt Renatus. „Sie brauchen im Wahlkampf einfach Hingucker, Sie benötigen außerdem etwas, was die Leute mitnehmen, und Sie brauchen Sachen für Kinder, denn Kinder ziehen an, die schleppen ihre Eltern mit, und mit denen können Sie dann ins Gespräch kommen.“
Mal abgesehen davon, dass alle Parteien so verfahren – auch wenn es nicht alle zugeben –, anrüchig findet Renatus das überhaupt nicht. „Wir ketten ja niemanden an. Jeder entscheidet selbst, ob er stehen bleibt, oder ob er nach zwei Minuten sagt: Das interessiert mich nicht, was der mir hier erzählt.“