Jedes Schulkind lernt: Die Wahlen zum Deutschen Bundestag sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim. Doch was bedeutet das? Eine Erläuterung.
Szene in einem Wahllokal: Ein Wahlhelfer nimmt Personalausweis und Wahlbenachrichtigung eines Teenies mit Punkfrisur entgegen und nickt, als er seinen Namen in der Wählerliste gefunden hat. Ein älterer Herr im Anzug steht in der Wahlkabine und macht sein Kreuz hinter dem Namen einer großen Volkspartei, für die Wartenden sind nur seine Beine sichtbar. Eine Frau in Nonnentracht wirft ihren ausgefüllten und gefalteten Stimmzettel in die dafür vorgesehene Wahlurne.
Solche oder ähnliche Situationen werden sich bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 millionenfach in Deutschland abspielen. Gemäß Artikel 38 des Grundgesetzes: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.“
Diese Wahlrechtsgrundsätze gelten in Deutschland übrigens nicht nur bei Wahlen auf Bundes-, sondern auch auf Landes- und Kommunalebene. Gehen wir sie nacheinander durch, um zu verstehen, was genau sich dahinter verbirgt:
Allgemein ist die Wahl, weil alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland das Stimmrecht besitzen – und zwar unabhängig von Geschlecht, Einkommen, Konfession, Beruf oder politischer Überzeugung. Allerdings müssen sie zum Zeitpunkt der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben. Auch im Ausland lebende Deutsche haben seit einer entsprechenden Änderung des Wahlrechts im März 2008 ein zeitlich unbeschränktes, aktives Wahlrecht.
Unmittelbar ist die Wahl, weil die Wählerinnen und Wähler die Abgeordneten direkt (unmittelbar) wählen. Es gibt keine Zwischeninstanz wie zum Beispiel in den USA, wo die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Bundesstaat so genannte Wahlmänner wählen, die wiederum den Präsidenten wählen.
Frei ist die Wahl, weil es verboten ist, die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Wahlentscheidung zu beeinflussen oder unter Druck zu setzen. Der Wähler soll in einem freien Prozess der Meinungsbildung zu seiner Entscheidung kommen und diese unverfälscht zum Ausdruck bringen können.
Gleich ist die Wahl, weil jede Stimme gleich viel zählt, und jede Art von Gewichtung unzulässig ist. Oder wie es im Englischen so treffend heißt: One man – one vote.
Eine Einschränkung erfährt der Grundsatz der Gleichheit durch die Fünf-Prozent-Klausel. Sie besagt, dass Parteien, die bei der Bundestagswahl weniger als fünf Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen, nicht in den Bundestag einziehen. Dadurch soll eine Parteienzersplitterung vermieden werden, wie sie der Weimarer Republik zum Verhängnis wurde.
Allerdings bedeutet das zugleich, dass die Stimmen derjenigen, die diese Kleinstparteien gewählt haben, nicht gezählt werden und somit verloren sind.
Geheim ist die Wahl, weil sichergestellt ist, dass der Wähler den Stimmzettel unbeobachtet ankreuzen kann. Die Stimmabgabe erfolgt in Wahlkabinen, die von außen nicht einsehbar sind, und die ausgefüllten Stimmzettel werden gefaltet in die Wahlurnen geworfen, sodass niemand erkennen kann, welche Wahlentscheidung der Wähler oder die Wählerin getroffen hat.
Übrigens hat jeder Wahlberechtigte die Möglichkeit, die Wahl anzufechten, wenn er meint, dass gegen einen oder mehrere dieser Wahlrechtsgrundsätze verstoßen wurde. Eingaben richten sich an den Bundestag, dessen Wahlprüfungsausschuss den Einspruch prüft und eine Entscheidung des Bundestages vorbereitet. Gegen diese Entscheidung ist eine Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht möglich.