In Berlin wurde heute die Shell-Jugendstudie 2010 vorgestellt. Zwei zentrale Botschaften sind, dass die Jugend in Deutschland wieder positiver in die Zukunft schaut. 59 Prozent bewerten ihre eigenen Zukunftsaussichten als positiv und auch der Wunsch, später eine Familie zu gründen und Kinder zu haben, hat wieder zugenommen. Schon das ist ein nicht nur angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise, die den aktuellen Erfahrungshorizont der Jugendlichen prägte, gutes Signal der Studie.
Besonders interessant dürfte nicht nur für die Arbeit der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft aber das Kapitel zum Thema „Internet“ sein. Während 2002 knapp zwei Drittel aller Jugendlichen online waren und man eine entlang sozialer Schichten verlaufende Schere beobachten konnte, hat sich dieses Bild fundamental gewandelt: 96 Prozent und damit nahezu alle Jugendlichen haben einen Internetzugang! Dies ist eine erfreuliches Ergebnis, weil in der Tat die Frage, ob und wie man gerade auch in der jungen Generation eine digitale Spaltung verhindern könne, breiten Raum in der politischen Debatte und auch in ersten Gesprächen in der Enquete-Kommission einnahm. Auch in der Projektgruppe Netzneutralität war dieser Aspekt bereits angeklungen. Man kann also konstatieren, dass die gesellschaftliche Teilhabe aller Jugendlichen zumindest im Internet bereits Realität ist!
Angesichts der Tatsache, dass faktisch alle Jugendlichen online sind, lohnt aber ein genauerer Blick: Was machen junge Leute, wenn sie online sind? Wer nutzt die Zeit im Netz „effektiv“? Für wen reduziert sich das Internet auf die Freizeitgestaltung? Wer surft nicht nur drauflos, sondern lernt und arbeitet mit dem Internet? Auch hier sind die vorgelegten Ergebnisse spannend: 13 Stunden pro Woche verbringen Jugendliche online. Im Vergleich zum Jahr 2002 hat sich damit die Internetnutzung nahezu verdoppelt. Breiten Raum nehmen dabei die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken ein. Immerhin für 29 Prozent stehen dabei die Information über das Geschehen in der Welt und politische Ereignisse im Vordergrund.
Die Studie skizziert zudem vier Nutzertypen: Der erste Typ wird als „Gamer“ bezeichnet. Rund 24 Prozent der vor allem männlichen Jugendlichen mit dem Schwerpunkt aus der Unterschicht spielt also vor allem, wenn er online ist. Die „digitalen Netzwerker“ hingegen sind mit 25 Prozent vor allem jüngere weibliche User, die surfen und die sozialen Netzwerke bespielen. Ebenfalls mehrheitlich weiblich wenn auch etwas älter sind die „Funktionsuser“, die das Netz zur Information, zum Nachrichtenaustausch und zum Einkaufen nutzen. Und die vierte Gruppe sind mit 34 Prozent eher ältere männliche User aus den oberen sozialen Schichten, die bei der Internetnutzung einen Schwerpunkt auf der gezielten Informationssuche und den sozialen Perspektiven erkennen lassen. Es zeigt sich also, dass trotz der allgemeinen Chance, das Internet zu nutzen, soziale Herkunft, Alter und Geschlecht wesentliche Merkmale dafür sind, was Mann und Frau im Internet tun. Dies muss auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern kein Problem darstellen, selbst wenn es engagierten Anhängern von gender mainstreaming Kopfzerbrechen bereiten könnte. Mit Blick auf die sozialen Unterschiede ist aber in der Tat zu fragen, wie man auch den bildungsfernen (und meist unteren sozialen) Schichten das Internet als eine Chance begreifbar machen kann, die ihnen berufliche Perspektiven und damit sozialen Aufstieg ermöglicht. Das ist aus meiner Sicht eine wichtige Aufgabe und eng mit der Frage der individuellen Medienkompetenz verknüpft.
Dass die Enquete-Kommission sich in einer neu eingesetzten Projektgruppe der Medienkompetenz zuwenden will, ist daher konsequent. Auch die Ergebnisse der Shell-Jugendstudie zeigen Handlungsperspektiven im Bildungs- und Erziehungsbereich auf. Es bleibt abzuwarten, ob Sachverständige und Politiker hier auf der Höhe der Zeit diskutieren oder am Ende wie der zwar stets bemühte, aber doch hoffnungslos überforderte Informatiklehrer in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts der aktuellen Entwicklung hinterherlaufen. Die Einbeziehung der Shell-Jugendstudie in die weitere Arbeit kann helfen, eine solche Entwicklung zu verhindern.
Alarmieren sollte es, dass so viele, die das Internet als “Gamer” nutzen, aus der Unterschicht kommen. Sie haben keine Idee, was sie sonst noch tun könnten dort, weil es ihnen keiner zeigt. Statt dessen spricht es sich herum, dass man Krawall-Artikel in der Zeitung kommentieren kann. Es ist erschreckend, was darin für eine Hoffnungslosigkeit verbreitet wird und was sich dort für schräge Agitatoren tummeln.
Wenn ein Cent von jedem Produkt, das im Medienbereich verkauft wird, in einen öffentlichen Fonds käme… kostenfreie Kurse in Jugendzentren und Stadtteil- oder Bürgerhäusern… mit einer guten Mischung aus Hinweisen auf Risiken und mit interessanten Ideen und Tipps könnten sie auf andere Gedanken bringen. Und vielleicht sogar neue Interessenten und Nutzer, so dass es sich verbinden läßt? Vereine und ihre Öffentlichkeitsarbeit damit kombinieren?