Blog der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft

Mit ‘Medienkompetenz’ getaggte Artikel

Gut eingestiegen: Mein Fazit der ersten Monate

Mittwoch, 15. September 2010

In einem Interview mit dem GEMA-Mitgliedermagazin “virtuos” habe ich gestern ein rundum erfreuliches Fazit der ersten Monate der Enquete-Kommission gezogen. Ich freue mich, dass die Arbeit gut angelaufen ist: Wir haben die Zeit genutzt, um die Themen zu strukturieren und Gliederungen erarbeitet. Der Einstieg in die Diskussion ist gelungen, wir haben vier Projektgruppen eingesetzt. Die ersten Ergebnisse dieser vier Projektgruppen werden in den Zwischenbericht einflieĂźen, den wir voraussichtlich Ende Mai dem Plenum des Deutschen Bundestages vorlegen werden.

In Interviews, aber auch in Gesprächen mit BĂĽrgerinnen und BĂĽrgern, werden immer wieder tagesaktuelle Fragen angesprochen. Im gestrigen Interview kam etwa die Frage auf, inwieweit Pläne fĂĽr den sogenannten Dritten Korb zur Novellierung des Urheberrechts in die Arbeit der Kommission einflieĂźen werden. Ich habe im Interview erläutert, dass der Sinn von Enquete-Kommissionen gerade darin liegt, grundsätzliche Fragestellungen zu bearbeiten, und zwar langfristig und unabhängig vom tagespolitischen Geschäft. Die Verhandlungen zum “Dritten Korb” werden deshalb eher am Rande eine Rolle spielen. Andererseits sind mehrere Abgeordnete der Kommission Mitglieder der FachausschĂĽsse des Deutschen Bundestages, in denen die Detailarbeit – etwa fĂĽr eine Novellierung des Urheberrechts – geleistet wird. Ihr Sachverstand flieĂźt natĂĽrlich in die Enquete-Arbeit mit ein. Und unsere Sachverständigen bringen, teils selbst als Urheber, die Perspektive der Rechteinhaber mit ein.

Was muss sich tun, um das Verständnis für die Bedeutung des Urheberrechts in der Gesellschaft zu fördern? Ich glaube, dass sich dazu das Bewusstseins der Menschen für den Wert des geistigen Eigentums ändern muss. Das erreichen wir – und hier schließt sich der Kreis zur fünften Sitzung der Kommission am Montag – nur mit der Förderung von Medienkompetenz. Unter welchen Bedingungen laden zum Beispiel Nutzer Inhalte im Netz herunter? Was bedeutet das für den Urheber? Wie beim Urheberrecht und der Medienkompetenz greifen auch alle anderen Arbeitsbereiche der Kommission ineinander.

In den ersten vier Monaten hat die Enquete-Kommission eine solide Grundlage erarbeitet. Wir haben aber auch noch viel vor: Die Einsetzung acht weiterer Projektgruppen ist beschlossen, zwei öffentliche Anhörungen sind in Planung. Die heterogene Zusammensetzung unserer Enquete ist dabei ihre große Stärke: Abgeordnete und Sachverständige bilden gemeinsam das ganze Spektrum der Fragen zum Internet und der digitalen Gesellschaft ab. Gehen wir’s an.

Medienkompetenz und Jugendmedienschutz – Ein Missverhältnis

Montag, 13. September 2010

Auf der Ebene der Europäischen Union wird die Vermittlung von Medienkompetenz als ein strategischer Gesichtspunkt und Standortfaktor betrachtet. Medienkompetenz sei in der digitalen Welt Voraussetzung für eine wettbewerbsfähige Content-Industrie und für eine integrative Wissensgesellschaft, heißt es in einer Ende Original-Link -->Empfehlung der Kommission von August 2009. Demnach müssen die Bürgerinnen und Bürger analytische Fähigkeiten entwickeln, um Medien und Medieninhalte zu verstehen, kritisch zu bewerten sowie selbst in vielfältigen Kontexten zu kommunizieren. Laut Kommission ist ein besseres intellektuelles und emotionales Verständnis der digitalen Medien gefordert, das zugleich über die Chancen und Herausforderungen medial übermittelter Informationen aufklärt und die aktive Teilhabe in Informations- und Kommunikationsnetzen ermöglicht.

Auch in Deutschland wird die Problematik zunehmend erkannt. Dennoch fehlt es weiterhin an einem umfassenden Konzept zur Förderung von Medienkompetenz. Bund und Länder befördern fröhlich Einzel- und Pilotprojekte. Letztere teils über die Landesmedienanstalten, deren Budget sich nicht aus den Länderhaushalten, sondern aus Anteilen an der Rundfunkgebühr speist. Eine systematische Vermittlung von Medienkompetenz in Kindergärten, Horten und Schulen findet nicht statt. Von der von der EU-Kommission empfohlenen Aufnahme der Medienerziehung in die schulischen Pflichtlehrpläne ist Deutschland weit entfernt. Denn das kostete Geld, erheblich mehr Geld als bislang zur Verfügung steht. Auch deshalb ist es kein Wunder, dass sich Teile der Politik, statt Aufklärung zu befördern, immer wieder unter das Regiment des Jugendmedienschutzes stellen.

Zu welchen Widersprüchen das führt, mag das Beispiel der Games-Industrie verdeutlichen. Sie hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Die Computer- und Videospielbranche bildet das am stärksten wachsende Segment der Medienwirtschaft in Deutschland. Sie macht heute mehr Umsatz als die Filmindustrie an den Kinokassen. Diese Umsatzzahlen allerdings erreicht sie in erheblichem Maße durch Entwicklung und Verkauf gewalthaltiger Spiele. Man muss solche Spiele nicht mögen, um zu begreifen, dass es sich bei dieser Art von Unterhaltung durch Spiel längst um eine massenmediale Erscheinung der Populär- und Alltagskultur handelt und Forderungen nach dem Verbot sogenannter „Killerspiele“ in die Irre führen. Im Falle von Online-Spielen, dem momentanen Expansionspfad der Games-Industrie, würde die Durchsetzung solcher Verbote zudem unweigerlich zu Internetsperren führen – mit den bekannten Kollateralschäden und der Folge, dass die universelle Netzinfrastruktur zu einer Kontrollinfrastruktur umgebaut würde.

Tatsächlich ist die Liste potentiell zu löschender Inhalte aus Sicht eines repressiven Jugendmedienschutzes lang: Neben den erwähnten Online-Games kommen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben – Hass- und Gewaltverherrlichung, Pornographie sowie Gangsta- und Porno-Rap, Nazipropaganda und Holocaust-Leugnung, religiöser Extremismus und Fanatismus, entwürdigende Darstellungen und Ende Original-Link -->Cyber-Mobbing in Frage. All das ist im Netz und Web2.0 auffindbar, wenngleich nicht in einem Ausmaße, in dem es die oft anzutreffende mediale Skandalisierung zu beschreiben sucht. Jugendmedienschutz als Verbotspädagogik neigt dazu, die negativen Aspekte in der Mediennutzung Heranwachsender zu überzeichnen und das Internet als einen Tummelplatz der Unmoral, einem Hort der Perversion und des beständigen Tabubruchs darzustellen. Der vermeintlich ethische Grundkonsens einer Gesellschaft, auf den sich ein repressiver Jugendmedienschutz zu berufen trachtet, ist eben auch immer interessengeleitete Auslegung.

Die von den Ministerpräsidenten der Länder im Juni beschlossene Novellierung des  Jugendmedienschutzstaatsvertrags ist Ausdruck dieses grundlegenden Missverhältnisses. Jugendmedienschutz über Sendezeiten – analog zum Fernsehen – ist für das Internet absurd, selbst dann, wenn dadurch eine bereits bestehende Regelung fortgeführt wird. Zudem lassen alternativ vorgesehene Alterskennzeichnungspflichten für Inhalte Netzsperren durch die Hintertür erwarten. Insbesondere Angebote aus Blogs und Sozialen Netzwerken, die sich den irrsinnigen Kontrollverfahren aus der Welt des nationalen Rundfunks wissent- oder unwissentlich nicht unterziehen, verschwänden künftig hinter Filterprogrammen. Nahezu das gesamte Web2.0 wäre potentiell jugendgefährdend. Eine Sperrinfrastruktur entstände mittelbar und nutzerautonom durch im Umgang mit digitalen Medien überforderte Eltern. Ausschluss und Zensur, statt Partizipation und Kommunikation wären die nicht (?) beabsichtigten Folgen.

Jugendmedienschutz als Verbotspädagogik ist das genaue Gegenteil zu Verstehen und kritischem Bewerten von Medieninhalten sowie einer aktiven Teilhabe in Informations- und Kommunikationsnetzen. Das Internetzeitalter hingegen erfordert konstruktive Lösungen im Umgang mit digitalen Medien. Kinder und Jugendliche müssen lernen, mit virtuellen Welten umzugehen und Risiken abzuschätzen. Die Bildung eines kritischen Verstandes und die Fähigkeit, Realität und Vision zu unterscheiden, ist unabdingbare Voraussetzung für eine moderne Medienbildung. Die Medienpädagogik hält dazu brauchbare Konzepte bereit. Doch fehlt es in Schulen und Bildungseinrichtungen an Lehrmaterialien, ermangelt es Lehrerinnen und Lehrern an Sach- und Vermittlungskompetenz, sind die Missstände in der Lehreraus- und -fortbildung weiterhin groß und enthalten Rahmenlehrpläne bloß pauschale, den Bedingungen von Web2.0 und digitaler Kommunikation nicht standhaltende Vorgaben.

Es ist kein Zufall, dass professionelle Medienpädagogen die schulische Medienkompetenzförderung als desolat beschreiben und lediglich im Land Thüringen ein eigenes Schulfach Medienkunde besteht. Förderung von Medienkompetenz ist mangels Bildungsinvestitionen zu einer Leerformel verkommen. Dennoch wird eine digitale Gesellschaft nicht umhin können, die Förderung von Medienkompetenz als Bildungsaufgabe zu begreifen. Kinder und Jugendliche können lernen, Verantwortung zu übernehmen, indem sie digitale Medien kritisch reflektieren und selbstbestimmt handelnd in ihr Lebensumfeld integrieren. Verbote helfen dazu nicht.

Zur Umsetzung eines umfassenderen Konzepts von Medienkompetenz ist zuallererst die Infrastruktur und das Know-how in allen Schulen- und Bildungseinrichtungen bereitzustellen, Medienkompetenzförderung verpflichtend zu verankern, mit der Förderung bereits in Horten und Kindertagesstätten zu beginnen, Familien- und Elternbildung sowie den außerschulischen Bereich einzubeziehen sowie deren Vermittlung in die Ausbildungsinhalte von Erziehern, Lehrern und Sozialpädagogen aufzunehmen. Auf diese Weise wäre Medienkompetenz gewissermaßen vorausschauender Jugendmedienschutz und machte den prohibitiven Jugendmedienschutz endgültig überflüssig. Das allerdings bedeutete eine gesellschaftliche Bildungsaufgabe, nicht eine aus Gründen von Markt und Wettbewerb.

Medienkompetenz – Schlüsselthema der Wissensgesellschaft

Donnerstag, 12. August 2010

Die Vorbereitungen für die nächste Sitzung der Enquete-Kommission laufen: Am 13. September 2010 wird es unter anderem um das viel diskutierte Thema Medienkompetenz gehen, also um die Fähigkeit, Medieninhalte entsprechend individueller Bedürfnisse und Ansprüche gezielt zu nutzen.

Das Internet hat dafür gesorgt, dass uns heute eine enorme Fülle medialer Inhalte zur Verfügung steht. Längst geht es nicht mehr nur um die Auswahl und das Verstehen von Medieninhalten, sondern auch um das eigene Bewerten, Produzieren und Gestalten.

Das Thema hat somit viele unterschiedliche Aspekte: Welche Rahmenbedingungen sind für die Medien- und Internetkompetenz von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern notwendig? Wie kann Medienkompetenz zu einem wesentlichen Bestandteil der Allgemeinbildung werden? Welche Möglichkeiten bietet modernes E-Learning, wo sind seine Grenzen? Und wie sollte die Gesellschaft mit gewachsenen Anforderungen an die Medienkompetenz im Zeitalter von Web 2.0 umgehen? Thematisieren möchte ich aber auch die Frage, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Medienkompetenz in der Familie und in der Gesellschaft geeignet sind, um negativen Auswirkungen vorzubeugen.

Das sind nur einige wenige Gesichtspunkte zum Thema Medienkompetenz. Durch den Sachverstand ihrer Mitglieder hat die Kommission in den kommenden Monaten die Möglichkeit, das Thema in seiner ganzen Breite zu diskutieren.

Auch die BĂĽrgerinnen und BĂĽrger sind an dieser Stelle wieder gefragt. Wie sollte Medienkompetenz vermittelt werden? In welchen Bereichen gibt es Handlungsbedarf? Wo liegen die Herausforderungen fĂĽr die Vermittlung von Medienkompetenz? Lassen Sie es uns wissen, sehr gerne auch hier in Ihren Kommentaren.