Blog der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft

Mit ‘Bilanz’ getaggte Artikel

IPv6 im FĂŒnften Zwischenbericht

Sonntag, 29. April 2012

FĂŒr die Anhörung der Projektgruppe “Zugang, Struktur und Sicherheit im Netz” der EnquĂȘte-Kommission zum Thema IPv6 am 21. Mai, ĂŒber die ich gestern
schrieb und fĂŒr die ich um Fragen bat, haben mich ein paar E-Mails mit Nachfragen erreicht. Ich möchte die Antworten hier öffentlich machen, denn die Fragen drehten sich darum, ob die Kommission das Thema IPv6 nicht bereits behandelt hĂ€tte. TatsĂ€chlich war es in der Projektgruppe Datenschutz und in der Projektgruppe NetzneutralitĂ€t angesprochen worden.

In dem von der Kommission mehrheitlich beschlossenen Vierten Zwischenbericht vom 2. Februar 2012 zum Thema NetzneutralitĂ€t (pdf, Bundestagsdrucksache 17/8536) ist auf Seite 17f. das Protokoll IPv6 in GrundzĂŒgen erklĂ€rt. Die knappen Handlungsempfehlungen der Projektgruppe erwĂ€hnen IPv6 nicht mehr.

In dem ebenfalls bereits beschlossenen FĂŒnften Zwischenbericht vom 15. MĂ€rz 2012 zum Thema Datenschutz und Persönlichkeitsrechte (pdf, Bundestagsdrucksache 17/8999) findet sich zu IPv6 wenig, obwohl in der Projektgruppe durchaus darĂŒber gesprochen wurde. Die Bestandsaufnahme, die in den ersten fĂŒnfzig Seiten dargelegt ist, erwĂ€hnt IPv6 gar nicht, auch in den Handlungsempfehlungen auf den folgenden knapp zehn Seiten wird nicht darauf eingegangen.

Keinerlei Handlungsempfehlungen zu diesem wichtigen Thema abzugeben, damit haben sich einige Abgeordnete und einige SachverstĂ€ndige nicht abfinden wollen. Daher landeten sie in einem Sondervotum der Fraktionen von SPD, Linken und GrĂŒnen, der sich die SachverstĂ€ndige Annette Mühlberg anschloss (und in einigen Punkten wie dem folgenden auch ich selbst). Der Unterpunkt “Datenschutz auf technischer Ebene (Deep Packet Inspection und IPv6)” ab Seite 83 in diesem Sondervotum enthĂ€lt folgende Empfehlung:

»Mit Nutzung von IPv6 ist es daher technisch möglich, jedem internetfähigen Endgerät eine dauerhafte, nur einmal vergebene IP-Adresse zuzuweisen. Somit ist die Kommunikation eines einzelnen Endgerätes theoretisch über Jahre hinweg nachvollziehbar.
Dem Deutschen Bundestag wird empfohlen,
[...] Internet-Zugangsanbieter zu verpflichten, ihren Kunden ohne Mehrkosten die Auswahl zwischen dauerhaft festen und wechselnden IP-Adressen für ihre Anschlüsse beziehungsweise Endgeräte anzubieten.«

FĂŒnfter Zwischenbericht vom 15. MĂ€rz 2012, Seite 83f.: http://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Datenschutz/Zwischenbericht_Datenschutz_Persoenlichkeitsrechte_1708999.pdf

Der Vorschlag kam ursprĂŒnglich aus Adhocracy, also vom “18. SachverstĂ€ndigen”, war allerdings nicht mehrheitsfĂ€hig. Daher wurde er Teil des Sondervotums.

Ein Jahr Enquete – Man könnte, aber man kann nicht

Montag, 23. Mai 2011

FĂŒr einen Wissenschaftler, der es gewohnt ist, dass seine Texte im Hinblick auf die inhaltliche Richtigkeit optimiert werden, ist es schon eher ungewöhnlich, einen Anruf wie diesen zu erhalten: “Hallo, kannst du damit leben, wenn der dritte Halbsatz gestrichen wird, dann können die GrĂŒnen den Text mittragen”. Diese Orientierung an der Fraktion-gebundenen Durchsetzung von Positionen ist sicherlich das fĂŒr unsereinen besondere an einer Mitarbeit in der Kommission. Das parlamentarische System ist in dieser Hinsicht hoch effizient, vieles wird in Obleute-Runden vorentschieden, was zunĂ€chst als eigener Kontrollverlust wahrgenommen werden kann, letztlich in vielen Fragen aber alternativ los ist. Schon so ist auffĂ€llig, dass sich 34 hoch beschĂ€ftigte Experten lange Zeit, Monate, mit Formalien und der Organisation der eigenen Arbeit beschĂ€ftigt haben – um dann ohne weitere Diskussion in der Sache in die Phase einer hektischen Textproduktion einzutreten.
Die zu Anfang geschilderte Beobachtung macht auch noch etwas anderes deutlich, was die Arbeit der Internet-Enquete ausmacht. Es ist vor allem – und das unterscheidet sie von vielen vergleich baren Kommissionen zuvor – der Wille aller Beteiligten, möglichst viel tatsĂ€chlich im Konsens zu erreichen. Dies hat die Kommission bislang in allen Projektgruppen durchgehalten, was hoffentlich der Überzeugungskraft des Berichtes dient. Möglich wird es durch stundenlange Abstimmungsrunden der Fraktionsreferenten, deren IntensitĂ€t sich zuweilen an den Gesichtern ablesen lĂ€sst, wenn sie darauf angesprochen werden, warum am Textrand „Entscheidung in der Projektgruppe“ steht.
Als große BĂŒrde hat sich erwiesen, dass der Bundestag in seinem Einsetzungsbeschluss offenbar alle Punkte aufgelistet hat, die den Abgeordneten zum Thema Internet aufgefallen sind. Da es sich bekanntlich um ein die gesamte Gesellschaft umfassendes PhĂ€nomen handelt, nimmt es nicht Wunder, dass damit – um wieder einen wissenschaftlichen Vergleich zu bemĂŒhen – genug Aufgaben fĂŒr einen Sonderforschungsbereich definiert werden, der gute Aussicht hat, nach den ersten sechs Jahren noch einmal um diese Zeit verlĂ€ngert zu werden, da jeder einsieht , dass die Aufgaben in dieser Zeit nicht bewĂ€ltigt werden können. Wie soll das ein Haufen Gutwilliger im Nebenamt in zwei Jahren erledigen?
Die Enquete versucht, das Programm schulmĂ€ĂŸig abzuarbeiten – und strapaziert dabei die Arbeitskraft aller Beteiligten auf Ă€ußerste. Sicher auch die der Abgeordneten – die entgegen vieler Klischees durchaus sehr gut ausgelastet sind – auch wenn es regelmĂ€ĂŸig den SachverstĂ€ndigen sauer aufstĂ¶ĂŸt, wenn die MdBs darauf hinweisen. Denn fĂŒr die SV – das wurde mir erst spĂ€t klar – ist es vom Arbeitsaufwand her faktisch ein zweiter Beruf. So muss man hoffen, dass es sich am Ende durch einen beachtenswerten Bericht gelohnt haben wird.
Was mir vor diesem Hintergrund noch nicht ganz gelungen scheint ist es, die richtige „Flughöhe“ zu finden, die entscheidenden Fragen mittlerer Reichweite zu bearbeiten, die beantwortet werden mĂŒssen, um eine Internet-adĂ€quate Ordnung der Dinge zu erreichen. Was ist wirklich neu am technischen Medium Internet, was bei Lichte besehen ebenso wie Offline? Man könnte da viel tun, aber kann man es in dem Textproduktionsdruck wirklich? Oft stĂŒrzt die Arbeit ins Tagespolitische ab. Aber es ist schon klar, wie die Reaktion auf eine Kritik dieser Art wĂ€re: „Schreib doch den Text mit der richtigen Flughöhe, mal schauen, ob wir die anderen Fraktionen ins Boot bekommen.“