Blog der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft

Axel E. Fischer
30. September 2010 von Axel E. Fischer | 22 Kommentare

Partizipation mit Adhocracy

Die Obleuterunde der Enquete-Kommission hat sich heute morgen unter meinem Vorsitz dafür entschieden, die Kommissionsarbeit mit dem Beteiligungswerkzeug Adhocracy zu begleiten. Bürgerinnen und Bürger sollen sich mit dieser Beteiligungsplattform noch besser in die Arbeit der Kommission einbringen können. Der Entscheidung war ein intensiver Entscheidungsprozess vorangegangen, verschiedene Systeme wurden begutachtet. Am Ende sprach vor allem der Zeitfaktor für Adhocracy.

Was ist Adhocracy?
Die Software Adhocracy ermöglicht es online, Meinungen und Positionen in einem demokratischen Prozess zu entwickeln. Adhocracy bietet die Möglichkeit von Abstimmungen, dem Bewerten, Kommentieren und gemeinsamen Erarbeiten von Texten. Bürgerinnen und Bürger können sich je nach eigenem Interesse entscheiden, wie und in welchem Umfang sie sich beteiligen wollen: Der „18. Sachverständige“ kann eigene Vorschläge einbringen, aber auch Texte bewerten, konkret inhaltlich mitarbeiten beziehungsweise darüber abstimmen.

In den kommenden Wochen wird Adhocracy den Anforderungen der Enquete-Kommission angepasst werden. Dafür sind noch einige Modifizierungen nötig. Ich bin aber zuversichtlich, dass das Pilotprojekt mit Beginn des kommenden Jahres starten kann.

Ein Experiment
Die Enquete-Kommission hat sich mit der Auswahl von Adhocracy auch für ein Experiment entschieden. Die Entscheidung spiegelt den Wunsch, echte Beteiligung zu bieten. Ich bin gespannt, wie der Prozess weitergeht – und freue mich auf rege Beteiligung.

22 Antworten auf “Partizipation mit Adhocracy”

  1. Jan Dark sagt:

    Ganz toll. Super! Ich dachte schon die Enquete-Kommission gäbe es nicht mehr, da man nichts von ihr hört. Finde ich ganz toll, dass jetzt mit Hilfe der Bürger ein Revival versucht wird. Weiter so. Es geht voran.

  2. Jan Dark sagt:

    Ich finde das ganz toll, dass der Bundestag von innen heraus jetzt auch die Bürgermeinung beachten will. Draussen wird das ja schon länger gemacht. Wie beim Zugangserschwerungsgesetz haben jetzt bei Campact fast 140.000 Menschen gegen die katastrophale Atompolitik der Regierung ihre Unterschrift hinterlegt. Neulich war eine Demo im Regierungsviertel mit 100.000 Menschen, dann am Dienstag eine kleine vor dem Kanzleramt und nun läuft die Telefon-Kampagne:
    Ende Original-Link -->http://www.campact.de/campact/home
    Ich weiss leider nicht, ob die auch 18 Experten haben und welche Software die verw3enden. Aber die kümmern sich um echte Probleme und nicht nur um die sicherlich spannende Frage, ob man als Abgeordneter ein iPad verwenden darf.Aber es geht ja jetzt nach dem Revival der Enquete sicherlich rasant voran.

  3. Dieter Bräutigam sagt:

    Ich bin enttäuscht, daß sich die Enquête-Kommission für Adhocracy und nicht für LiquidFeedback entschieden hat. Insgesamt 8 Kommentatoren (Carsten, crackpille, schwund, F0O0, Markus Heberling, Sebastian, Gibro, Pavel Mayer) hatten sich für LiquidFeedback ausgesprochen. Nur 2 Kommentatoren (Beobachter, Jenny) hatten sich für Adhocracy ausgesprochen.

  4. Solange könnte die Enquete ihre Arbeitsvorlagen ja einfach mal in Etherpads zur Kommentierung kopieren.

  5. Jan Dark sagt:

    “Solange könnte die Enquete ihre Arbeitsvorlagen ja einfach mal in Etherpads zur Kommentierung kopieren.”

    Ich glaube die werden das nicht tun. Denn statt an Open Data arbeitet die FDP an einem neuen Geheimschutz wie das Enquete-Mitglied Johny Schulz twitterte:
    “Netzpolitiker der FDP Bundestagsfraktion wundern sich über Leaks beim BKA. Ende Original-Link -->http://j.mp/cC2V2Z

    Mcih wundert ja, dass die FDP nun einen stärkeren Geheimschutz beim BKA fordert, andererseits sich aber die FDP-Justizministerin sich weigert, Gesetze des Bundestages für das BKA anzuwenden, wie das Zugangserschwerungsgesetz, das rechtswidrig immer noch nicht angewendet wird, die Regierung also den Bundestag verhöhnt.

  6. Möwe sagt:

    Die engagierten und kundigen Menschen, die hierher gefunden haben, können sich beteiligen. Was tun Sie konkret, damit auch all die anderen Bürger etwas von dieser Chance erfahren? Gibt es einen Kurzclip nach der Tagesschau oder den News der Privatsender? Wird es ab und zu von einem Sprecher oder Moderator erwähnt, bei einem passenden Thema? Oder gibt es kleine Zeitungsanzeigen?

    Sie haben doch bestimmt auch etwas zu sagen und es betrifft sie ebenfalls. Und für das Redigieren und Freischalten der Beiträge könnten sich doch Studenten etwas dazuverdienen. Wenn man den Moderationsaufwand nicht scheut, der sich ja auf mehrere Tage und Wochen verteilt, können viele sicher wertvolle Beiträge bringen. Selbst Wissenschaftler vereinfachen, wenn sie Modelle enwerfen… ein breiterer und lebenspraktischer Ansatz kann manchmal hilfreich sein!

  7. Werner Schmidt sagt:

    E-Partizipation ist/kann die Weiterentwicklung der Demokratie bedeuten. Solange aber keine Transparenz besteht, solange keine offengelegeten Entschreidungskriterien veröffentlicht werden, bleiben Adhocracy und ähnliche Ansätze Fassade.

    Weshalb Adhocracy oder LiquidFeedback gewählt bzw. nicht gewählt wurden? NUr weil ein paar mehr Kommentare zu dem einen oder dem anderen abgegeben werden, kann kein Argument sein. Auch hier wieder: Transparenz! Wer, warum entscheidet sich für das Eine oder Andere.

    Mal schauen, ob “alle Macht geht vom Volke aus” in die digitale Welt übertragen wird. Schließlich sind Gebilde wie Staat, Nation und Volk überholt bzw. stark relativiert.

  8. MWo sagt:

    Das Jahresende naht, wann geht Adhocracy nun online?

  9. Thomas sagt:

    Hallo,
    ich wollte mal nachfragen wann denn nun Adhocracy online geht, bzw. falls es schon online ist, wo man sich anmelden kann??!

  10. newsreader sagt:

    Heise schreibt:
    “Wie Mitglieder der Enquete-Kommission nun berichten, stoppten die Abgeordneten aus Unions- und FDP-Fraktion jetzt den Adhocracy-Einsatz”

    Ende Original-Link -->http://www.heise.de/newsticker/meldung/Internet-Enquete-Adhocracy-ist-Bundestag-nicht-genug-wert-1177131.html

    Milliarden für die Banken, aber kein Geld für Adhocracy…

  11. Th.Mischke sagt:

    Na, den unbequemen Quatsch haben wir ja nun vom Tisch. Das wäre ja noch schöner, wenn sich jeder Bürger (Wähler ??) einfach direkt einmischen könnte. Wie schön ist doch eine repräsentative Demokratie.

  12. ctron sagt:

    Tja, das Geld wurde schon für den ePerso ausgegeben ;-) Da muss man bei “unwichtigen” IT Projekten wieder was einsparen.

  13. Schade, dass dieses wegweisende Projekt jetzt von CDU/CSU und der FDP kassiert wurde. So bleibt die Enquete-Kommission für mich ein Gremium, welches sich mir als interessiertem Büger entzieht.

  14. Thomas sagt:

    wirklich sehr enttaäuschend. Das wäre mal Politikberatung gewesen, wie sie beispielweise von Jürgen Habermas mit seinem pragmatistischen Modell gefordert wird. So aber glaube ich, dass die Ergebnisse der Kommission sehr darunter zu leiden werden haben.

  15. Fabian sagt:

    Ich hatte ja meine ersten Bedenken, als ich von der Zusammensetzung und der Wahl des Vorsitzenden der Komission gehört habe, und habe die arbeit kritisch verfolgt (zumindest so gut es ging… die Treffen in denen tatsächlich wirklich mal Details diskutiert wurden waren ja wieder nichtöffentlich). Die Ankündigung das tatsächlich Adhocracy eingesetzt werden würde hat mich an meiner anfänglichen Skepsis zweifeln lassen, aber zum Glück haben CDU/CSU und FDP mein Weltbild gerettet. Die Politik hat nach wie vor Angst vor Bürgerbeteiligung und lässt lediglich Foren und Blogkommentare zu, die keiner liest und deren Inhalt keinen der Politiker wirklich interessiert, so dass man sich auch nicht wundern braucht, wenn sie nicht genutzt würden. Bei Adhocracy hätte ich tatsächlich meine Zeit für eine Mitarbeit geopfert… hier im Blog werde ich jetzt wieder in meiner Versenkung verschwinden und weiter über die etablierten Parteien den Kopf schütteln.

    P.S.: Auf Zeitonline findet man einen wirklich guten Artikel zum Thema! Den sollten sich diejenigen, die Adhocracy gekippt haben mal durchlesen, inkl der Kommentare… aber Bürgerwille wird ja eh ignoriert.

  16. Kinnal sagt:

    Das passt ganz gut in die bisherige Linie der herrschenden Partei-Oligarchie.

    Zum Beispiel die E-Petitionen: ein Ventil für den Frust der Generation Internet (da kann man ein bisschen mitdiskutieren und über Facebook verbreiten, Konsequenzen hat es ja kaum für unsere Volksvertreter). Ein Relikt aus der Kaiserzeit (Bittgesuch an den damaligen Souverän), quasi modernisiert fürs surfende Volk – Postkutschen-Demokratie im Look der Postmoderne!

    Aber wenn es ernst wird und wir mehr direkte Demokratie wollen, gehen die Schotten im Berliner Raumschiff ganz schnell runter – fällt gar das Wort „Volksentscheid“ kann man unseren Staatslenkern (von CDU/CSU) förmlich im Gesicht ansehen, wie sie die Hosen voll haben …;-)

  17. Marc Nemitz sagt:

    Guten Tag,

    ich halte es für sehr Schade, dass die Verwendung von Adhocracy verworfen wurde. Nach meiner Meinung wurde hier eine große Chance leichtfertig vertan.
    Zwar kann ich die Kostenfrage durchaus nachvollziehen und dennoch sollte man es mehr als eine Investition in die Zukunft sehen, als eine pure Ausgabe.

    mit freundlichen Grüßen

    Marc Nemitz

  18. Picard sagt:

    Verstehe die Aufregung bei der mageren Beteiligung in den Blogs und Foren hier nicht; nicht gerade beeindruckend hoch. Da scheint es mir wirklich fraglich, ob noch ein weiteres Tool sinnvoll ist. Wäre etwas anderes, wenn die vielen Beteiligungsmöglichkeiten bislang gut genutzt worden wären. Das klappt doch im Forum für epetitionen auch, warum werden dieselben Tools bei eidg nicht genutzt? Und was soll dann adhocracy? Mit der Kohle kann man besseres anfangen, zum Beispiel alle Interessierten 1.Klasse nach Berlin anreisen lassen :-) . Außerdem: Das mit Adhocracy ist zwar ein spannender Ansatz, aber dafür ist die eidg nicht gedacht. Eine Einführung von allgemeiner Bürgerbeteiligung auf Bundesebene durch die Hintertür darf es nicht geben. Das braucht schon eine offene Debatte, hier geht um den Kern unserer Gesellschaft und dort dürfen nicht nur internetaffine Nutzer zu Wort kommen. Das hätte die eidg vielleicht auch mal bedenken sollen.

  19. MWo sagt:

    Das ist schon enttäuschend, auf welchem Niveau die Debatte um adhocracv oder die Nichtimplementierung geführt wird.

    @Picard: Ich bin für eine offene Debatte. Wenn die Gegner von Volksentscheiden aber vermuten, adhocracy würde diese durch die Hintertür ins Grundgesetz schmugeln, dann sagt das doch eher etwas über ihre verfaßtheit aus.

  20. Möwe sagt:

    Welche Form auch immer – auf diesen Blog hier und auf das Forum muß die Öffentlichkeit viel mehr aufmerksam gemacht werden. Dann beteiligen sich auch mehr!

    Es gibt so viele Berufsgruppen, die die Themen in ihrer praktischen Arbeit betreffen. Und die deshalb etwas zu sagen haben sicher. Es muß doch möglich sein, entweder alle Bürger von Zeit zu Zeit über die Enquete und diese Option zu informieren. Oder gezielt einige Pressemeldungen in deren Portalen oder Zeitschriften zu bringen.

  21. Fabian sagt:

    Hat schon mal jemand festgestellt, dass die Beteiligung im Forum oder hier im Blog sich in irgendeiner Art und Weise auch nur im Geringsten auf die Arbeit in der Kommission ausgewirkt hat? Nein? Dann dürfte es auch niemanden wundern, dass sich so wenig Leute hier beteiligen. Warum denn auch, wenn es nicht beachtet wird.