Blog der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft

Erstveröffentlichung unter:  Ende Original-Link -->Wie die Union die ungeliebte Internet-Enquête absägen will

Ende Original-Link -->Vorhin Gestern twitterte ich über die neusten Pläne der CDU/CSU bezüglich der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Bundestages:

Wie schäbig ist das denn: CDU/CSU wollen Ende Original-Link -->#eidg abschießen bevor wir unsere Arbeit abgeschlossen haben, weil sie keine Mehrheit mehr haben.

Jens Köppen, der Obmann (quasi Sprecher oder Wortführer) der Unionsfraktion in der Internet-Enquête, Ende Original-Link -->antwortete:

Der Ende Original-Link -->@alvar_f redet wirr! Die Ende Original-Link -->#eidg wird selbstredend zu Ende geführt. Erst dann soll der #AIDG starten! SV leisten hervorragende Arbeit!

Was ist nun richtig? Und was ist anders an einem ständigen Ausschuss im Gegensatz zur Enquête, was ist daran schlecht? Hier die Antworten (in Kurzversion und Langversion):

Die Union möchte die Enquête-Kommission bis zum Sommer beenden, und nennt das „zuende führen“. Schon seit Wochen deutet sich an, dass CDU und CSU die Enquête möglichst bald sprengen oder anderweitig beenden wollen. Allerdings ist es unrealistisch, dass wir bis dahin fertig sind, Details dazu unten. Der Grund für die schnelle Beendigung ist offensichtlich: die Koalition hat häufig keine Mehrheit für das, was die Fraktionsspitze der Union verlangt, und die Ende Original-Link -->Online-Beteiligung der Bürger nervt sie auch.

Die Enquête-Kommission ist je zur Hälfte mit Sachverständigen und Abgeordneten besetzt, jeweils mit vollem Stimmrecht. Die Mehrheit der Koalition ist knapp: wenn ein Sachverständiger anders abstimmt, ist deren Mehrheit weg. Das ist durchaus vorgekommen, und das nervt die CDU/CSU.

Ein normaler Ausschuss des Bundestages, der nun die Enquête ersetzen soll, ist im Gegenzug aber nur mit Abgeordneten besetzt: keine wackeligen Mehrheiten, keine nervenden Sachverständigen und die Abgeordneten halten sich an die Fraktionsdisziplin. Die Opposition lässt man einfach schwätzen …

Also: Die Union hat seit einiger Zeit ein Problem damit, dass sie keine dauerhafte Mehrheit in der Internet-Enquête haben, und das wollen sie nun umgehen – und sich als Helden feiern lassen, die einen ständigen Internet-Ausschuss einsetzen. Dabei haben SPD und FDP dies schon lange gefordert und es wurde von CDU/CSU bisher abgelehnt …

Noch ein paar Details (also: Langversion)

Die Enquête hat insgesamt zwölf Projektgruppen geplant, aufgeteilt aufgrund der Themen aus dem Einsetzungsbeschluss des Bundestages. Die Enquête begann im Mai 2010, vier Projektgrupen wurden bis Ende 2011 abgeschlossen (Netzneutralität, Urheberrecht, Datenschutz, Medienkompetenz). Derzeit arbeiten vier weitere Projektgruppen ( Ende Original-Link -->Demokratie&Staat,  Ende Original-Link -->Wirtschaft/Arbeit/Green IT, Ende Original-Link -->Bildung&Forschung,  Ende Original-Link -->Zugang/Struktur/Sicherheit). Diese sind gerade maximal in der Mitte der Arbeit, und vier weitere Projektgruppen stehen in den Startlöchern ( Ende Original-Link -->Verbraucherschutz,  Ende Original-Link -->Kultur/Medien/Öffentlichkeit,  Ende Original-Link -->Interoperabilität/Standards/Open Source und  Ende Original-Link -->Internationales/Internet Governance). Daher ist es nicht abzusehen, dass wir bis zum Sommer fertig werden. Etwas anderes zu behaupten zeugt von mangelndem Realitätssinn: Bis etwa zur Hälfte haben wir 21 Monate gebraucht. Die andere Hälfte sollen wir dann in vier Monaten schaffen? Und wie sollen wir in der knappen Zeit die Öffentlichkeit einbeziehen? Selbst unter Vernachlässigung jeglicher Qualitätsansprüche ist das vollkommen unrealistisch.

Aber das hört sich doch gut an, die Union will einen ständigen Ausschuss zum Thema „Internet und digitale Gesellschaft“ im Bundestag etablieren! Wo liegt der Haken?

In der Enquête-Kommission sitzen 17 Abgeordnete und 17 Sachverständige (darunter ich), aufgeteilt nach Fraktionsproporz (Abgeordnete) bzw. benannt von den Fraktionen (Sachverständige). CDU/CSU entsenden jeweils sechs, FDP drei, macht zusammen neun plus neun, also 18 für die Koalition. Die SPD entsendet je vier, Grüne und Linke jeweils zwei plus zwei. Macht zusammen 16 für die Opposition.

Rein formal gibt es für die Sachverständigen keinen Fraktionszwang, wir können frei entscheiden. Ich wurde von der SPD nominiert und da ist das auch durchgehend so – gelegentlich habe ich anders abgestimmt als die SPD-Abgeordneten. Aber die Unions-Spitze verlangt Fraktionsdisziplin nicht nur von den Abgeordneten, sondern auch von den Sachverständigen – auch vom Koalitionspartner FDP. Sie möchten keine Sachverständigen, sondern Schreiberlinge, die das CDU/CSU-Programm mit etwas FDP-Anstrich in Worte fassen.

Bei einigen Abstimmungen hat sich aber gezeigt, dass einige Sachverständige – insbesonere padeluun, der da auch sehr großen Druck aushalten muss und nicht zu beneiden ist – nicht mit der offiziellen Koalitionsposition abstimmen. Das hat dazu geführt, dass beispielsweise die meisten Handlungsempfehlungen im Bereich Netzneutralität nur als Sondervoten erscheinen – weil keine Seite eine Mehrheit für seine Handlungsempfehlungen hatte. Beim Urheberrecht bekamen einige Handlungsempfehlungen der Koalition keine Mehrheit, andere, die sie verhindern wollten, bekamen eine Mehrheit. Aus deren Sicht alles dumm.

Diese Situation möchten sie vermeiden. Sachverständige lassen sich aber nicht ohne weiteres austauschen. Daher muss man die Enquête so schnell wie möglich beenden. Die Union versucht die Botschaft „Enquête soll beendet werden“ mit Ankündigung eines neuen Ausschusses zu vertuschen – das klingt ja auch besser. Nur wer genau hinschaut und ein paar Hintergrundinfos hat bemerkt, dass da etwas faul ist.

Die  Ende Original-Link -->Online-Beteiligung der Bürger, des „18. Sachverständigen“, gibt es auch. Lange haben CDU/CSU dagegen gekämpft, offiziell tun sie so, als ob es ihre Idee war und sie das ganz toll finden: der Erfolg kennt eben viele Väter. Auch wenn es nur ein kleiner Erfolg ist. Mit Einsetzung eines Ausschusses anstatt der Enquête ist man dieses ungeliebte Werkzeug aber auch endlich los.

Der Sommer

Jetzt sagen CDU/CSU aber, dass die Arbeit bis zum Sommer zwingend abgeschlossen sein müsse? Dies ist nur die halbe Wahrheit: zum einen ist es nur eine „Soll“-Bestimmung, selbstverständlich kann bei Bedarf verlängert werden; zum anderen haben wir auch unser Arbeitspensum zu erledigen, so dass die Arbeit zur Not eben verlängert werden muss. Auch wenn es viel Arbeit ist und wir noch einen normalen Job nebenher haben. Und: die Einrichtung von Enquête-Kommissionen ist ein Minderheitenrecht. Wenn die Union die Dauer nun mehr oder minder im Alleingang hinbiegen will, umgeht sie damit dieses Minderheitenrecht. Abgesehen davon ist es schlechter Stil, durch eine nicht mit der gesamten Kommission abgesprochenen Pressemeldung das Ende der Enquête anzukündigen. Daher ist zu hoffen, dass sie nun feststellen, dass alles nur ein Mißverständnis war und die Enquête lieber ihre Aufgabe erfüllen soll anstatt bis zum Sommer einen halbfertigen Bericht abzuliefern.

Jens Koeppen scheint das aber weiter anders zu sehen und auf dem Ende zu beharren. Besonders verwundert mich aber, dass er zwei netzpolitische Ausschüsse im Bundestag haben will: den neuen Ausschuss „Internet und digitale Gesellschaft“ und weiterhin den Unterausschuss Neue Medien. Zwei Ausschüsse, gleiches Thema. Verrückt.

 

Also: es bleibt spannend.

 

Weitere Beiträge:

 

Da merkt man: Journalismus hat heutzutage leider nur noch wenig Zeit, Sachen kritisch zu hinterfragen …

 

Die Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” wurde im März 2010 eingesetzt und soll bis Sommer 2012 ihre Ergebnisse vorlegen. So hat es der Deutsche Bundestag beschlossen. Daran wollen wir uns halten.

Wir wollen Netzpolitik als eigenständiges Politikfeld und dauerhaft im Deutschen Bundestag etablieren, weil die Auswirkungen der Digitalisierung uns alle angehen. Deshalb schlagen wir einen gleichnamigen Ausschuss als Nachfolger der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” vor. Wohlgemerkt: als Nachfolger. Die Enquete-Kommission wird weder verkürzt noch überrumpelt. Sie hat wichtige Denkprozesse angestoßen, die ihren Platz im politischen Tagesgeschäft bekommen sollen.

Politik für das Internet ist ein Querschnittsthema. Deshalb kann es im parlamentarischen Betrieb am Besten in einem eigenen Ausschuss behandelt werden. Ein eigenständiger Ausschuss stärkt Netzpolitik, ohne andere Themen zu schwächen. Wir schmälern damit weder die Bedeutung des Unterausschusses “Neue Medien” noch die des Ausschusses für “Kultur und Medien”, sondern bringen ein Politikfeld voran, das immer mehr Menschen betrifft.

Die Enquete-Kommission arbeitet erfolgreich. Die Berichte der ersten vier Projektgruppen – Medienkompetenz, Urheberrecht, Netzneutralität und Datenschutz -, sind verabschiedet und teilweise bereits veröffentlicht. Die zweite Staffel der Projektgruppen arbeitet derzeit mit Hochdruck an ihren Berichten. Die dritte und letzte Staffel ist seit Januar 2012 formal eingesetzt. In diesen Projektgruppen können erste Vorarbeiten getroffen werden, damit unmittelbar nach dem Abschluss der zweiten Staffel die “heiße Phase” beginnen kann. Alle Interessierten können uns mit inhaltlichen Vorschlägen auf der Beteiligungsplattform Ende Original-Link -->https://www.enquetebeteiligung.de/ unterstützen.

Der Zeitplan für die Enquete-Kommission ist ambitioniert, aber machbar. Zahlreiche Aspekte aus den Projektgruppen der dritten Staffel sind bereits diskutiert und angerissen. Der Wille zum Kompromiss ist spürbar. Wir hoffen, dass alle mit uns am gleichen Strang ziehen. Wir wollen die Enquete-Kommission fristgerecht zu einem erfolgreichen Ende führen.

Jens Koeppen und Ende Original-Link -->Jimmy Schulz

Der Übergang in die digitale Welt ist nichts weniger als eine Revolution. Ähnlich wie im Zuge der industriellen Revolution verändert sich die Gesellschaft seit dem Beginn der digitalen Revolution tiefgreifend. Dieser Wandlungsprozess hat längst begonnen und ist nicht mehr aufzuhalten.

Wo werden die Themen der digitalen Gesellschaft künftig beraten?
Das Thema Internet ist kein Nischenthema mehr. Die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft trägt dazu bei, das Thema im Parlament und in der Gesellschaft weiter zu etablieren. Das Bewusstsein auch in der breiten Bevölkerung wächst, dass die Themen der digitalen Gesellschaft gesamtgesellschaftliche Themen sind. Die Internet-Enquete wird ihre Beratungen bis zur Sommerpause abschließen. Damit stellt sich die Frage, wo diese Themen künftig institutionell verankert werden.

Das Querschnittsthema Internet berührt alle gesellschaftlichen Bereiche. Der gesamtgesellschaftliche Charakter wird schon am Ende Original-Link -->Einsetzungsbeschluss der Enquete-Kommission (pdf) deutlich. Die Arbeit der Kommission hat dies bestätigt. Die Arbeit des Unterausschusses Neue Medien als Unterausschuss des Ausschusses für Kultur und Medien hat gezeigt, dass die “Neuen Medien” – die inzwischen keine neuen Medien mehr sind, sondern Alltagsmedien – auch kein Kulturthema geblieben sind. Das Themenspektrum des Unterausschusses hat sich verbreitert, bezieht sich jedoch stets auf den Bereich Kultur und Medien.

Das Thema Internet dauerhaft im Bundestag etablieren
Unsere genuin parlamentarische Antwort ist deshalb ein ständiger Ausschuss für Internet und Digitales. Viele Fragen können durch die Enquete-Kommission nicht umfassend genug geklärt werden, sondern eröffneten vielmehr weiteren Diskussionsbedarf. Wir haben auch gemerkt, dass tagespolitische Fragen aus der Arbeit der Enquete nicht wegzudenken sind. Denn das Internet und die Gestaltung der digitalen Gesellschaft ist heute in vieler Hinsicht bereits Tagespolitik. Weil diese Fragen künftig auch immer mehr Gesetzesvorhaben betreffen werden, braucht es nach dem Abschluss der Enquete-Kommission andere Strukturen, um sie zu beantworten.

Querschnittsthema digitale Gesellschaft
Ende Original-Link -->Wir regen daher an, einen ständigen Ausschuss Internet und digitale Gesellschaft einzurichten. Der Ausschuss wird nicht spiegelbildlich zu einem Ministerium eingesetzt. Ähnlich dem Haushaltsausschuss befasst sich der Internetausschuss mit einem Querschnittsthema: Die Gestaltung der digitalen Gesellschaft wird mit dem Voranschreiten der Digitalisierung zu einem immer stärker übergreifenden Thema werden. Dezentral werden Internet-Themen bereits jetzt regelmäßig in vielen Bundestagsausschüssen behandelt, zum Beispiel im Innenausschuss, im Rechtsausschuss, im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, im Verbraucherschutz- und im Kulturausschuss.

Der ständige Internet-Ausschuss knüpft an den im Einsetzungsbeschluss der Enquete-Kommission interfraktionell artikulierten Willen an, bereits in der 17. Legislaturperiode erste Umsetzungsschritte erfolgen zu lassen. Der Ausschuss bündelt Expertise und bietet einen zentralen parlamentarischen Ansprechpartner für Gesellschaft, Ministerien und sonstige Akteure auf nationaler und internationaler Ebene. Durch das Gremium wird zugleich die parlamentarische Kontrollfunktion wahrgenommen. Es sorgt für Verstetigung der parlamentarischen Bemühungen und unterstreicht die Bedeutung des Parlamentes als Ort des Diskurses, um den Wandlungsprozess der Digitalisierung zu begleiten. Ein eigener Internet-Ausschuss trägt der Dynamik des Internets und dem aktuellen tagespolitischen Netzgeschehen Rechnung. So ist der Ausschuss das entscheidende Signal, dass das Thema Internet in der Mitte des Parlaments angekommen ist.

Axel E. Fischer
12. Dezember 2011 von Axel E. Fischer | Kommentierung geschlossen

Wie Bürgerbeteiligung funktionieren kann

Seit Februar diesen Jahres erprobt die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft eine neue Form der Bürgerbeteiligung. Heute geht die überarbeitete Seite enquetebeteiligung.de online.

Zum ersten Mal in der deutschen Parlamentsgeschichte können Bürgerinnen und Bürger Vorschläge, Ideen und Wissen in die laufende Arbeit eines Bundestagsgremiums einbringen. Es ist eine Beteiligung auf Augenhöhe, die bereits erste Ergebnisse zeitigt: Im kürzlich veröffentlichten Zwischenbericht zur Medienkompetenz entstammen zwei der zwölf Handlungsempfehlungen von der Beteiligungsplattform enquetebeteiligung.de.

Ein genauer Blick auf die Empfehlungen lohnt. Beide wurden von Akteuren aus der Zivilgesellschaft eingebracht. Wie hoch die Qualität der Experten-Anregungen war, lässt sich daran ablesen, dass die Texte einstimmig von der Projektgruppe an- und wortwörtlich in den Bericht übernommen wurden. Eine der beiden Eingaben stammt von der AG Computerspiele und Pädagogik des Kongresses „Keine Bildung ohne Medien“, die andere wurde von dem Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (JFF) eingebracht. Letztere schlugen eine Förderung des Peer-to-Peer Lernens vor, also die Wissensvermittlung unter Gleichaltrigen. Die AG Computerspiele und Pädagogik hingegen regte an, Computerspielpädagogik als Aufgabe für die Medienpädagogik anzusehen.

Es sind allerdings auch Ideen in den Bericht der Projektgruppe Medienkompetenz eingeflossen, die nicht aus der Feder von Experten stammten. Hierzu heißt es im Bericht: „Die Projektgruppe hat darüber hinaus Anregungen und Vorschläge aus der Öffentlichkeit einfließen lassen. Diese wurden entweder direkt abgebildet und als Zitate gekennzeichnet oder ohne expliziten Verweis auf die Online-Beteiligungsplattform sinngemäß übernommen und in einen komplexeren Sinnzusammenhang gebracht.“

Diese Beispiele zeigen, wie Bürgerbeteiligung funktionieren kann. Die Bürgerinnen und Bürger können ihr Wissen einbringen und sich ernst genommen fühlen. Der Politikbetrieb profitiert hingegen in zweifacher Hinsicht: Er kann zum Einen auf einen kollektiven Wissensschatz zugreifen und zum Anderen beweisen, dass er in der Lage ist, sich für neue Formen der Kommunikation mit der Gesellschaft zu öffnen.

Neu daran ist, dass die Kommunikation zwischen Bürgern und Politikern im Internet keine Einbahnstraße mehr ist, sondern in zwei Richtungen funktioniert. Die Politik kann sich zudem direkt an die Bürger wenden und Öffentlichkeit ohne Vermittlung durch Dritte herstellen.

Ich bin gespannt auf die weitere Entwicklung und freue mich auf den Dialog mit Ihnen!

Alvar C. H. Freude
14. Oktober 2011 von Alvar C. H. Freude | 1 Kommentar

Hickhack um die Netzneutralität

Mit mehreren Monaten Verspätung steht für den kommenden Montag wieder die Abstimmung über den Bericht der Projektgruppe Netzneutralität und die Handlungsempfehlungen für Datenschutz an. In der letzten Sitzung der Enquête-Kommission Anfang Juli wurde mit knapper Mehrheit die Verschiebung beschlossen: Wir bräuchten noch mehr Zeit, um die Qualität sicherzustellen. Aber offensichtlich waren dies nur vorgeschobene Argumente, denn: Seither ist nichts passiert, es sind keine Vorschläge zu den fraglichen Textteilen rund um Netzneutralität und Netzsperren eingegangen.

Ursprünglich sollten die Berichte schon im Juni verabschiedet werden, das haben wir dann aber auf Anfang Juli verschoben. Nachdem in der dortigen Abstimmung über die Handlungsempfehlungen zum Thema Urheberrecht auch diverse Vorschläge der von SPD, Grünen und Linken benannten Sachverständigen bzw. der Abgeordneten der Oppositions-Fraktionen eine Mehrheit erreichten, erbat die CDU eine Beratungspause. Mehrere von den Koalitionsfraktionen benannte Sachverständige hatten nach der Pause argumentiert, dass die uneinheitliche Abstimmung beim Urheberrecht dem Gesamtergebnis schade und wir mehr Zeit bräuchten, die strittigen Punkte zu klären. Eine Auswahl der geäußerten Argumente gibt es in einer Meldung des Bundestages.

In den Tagen darauf kam aber der wahre Grund für die Verschiebung ans Tageslicht: Offensichtlich wollte die Koalition die Abstimmung  verhindern, um mehr Zeit zu gewinnen, die eigenen Sachverständigen auf Linie zu bringen und zu warten, bis ein fehlender Sachverständiger der Union wieder gesund ist. Es wurde mir von verschiedenen Abgeordneten der Koalition – öffentlich von Ende Original-Link -->Peter Tauber und Ende Original-Link -->Jimmy Schulz – unterstellt, unredlich gehandelt und Texte in die Enquête eingebracht zu haben, die in den Projektgruppen keine Mehrheit fanden. Allerdings ist es das Recht von jedem Mitglied, beliebige Texte einzubringen. Die Behauptung, ich hätte unredlich gehandelt, ist schlichtweg falsch und zeigt, dass die Nerven in der Koalition offensichtlich blank liegen. Kompromisse habe ich nicht aufgekündigt, im Gegenteil: Es war die Union, die den gefundenen Kompromiss aufgekündigt und versucht hat, eine zwar relativ zahme aber dennoch vorhandene Handlungsempfehlung gegen Netzsperren zu streichen. Daher ist in den von mir mitgeschriebenen Handlungsempfehlungen der Opopositionsfraktionen zu Netzneutralität die ursprüngliche und deutlichere Empfehlung gegen Netzsperren enthalten. Wir haben aber immer deutlich gemacht, dass wir auf diesen Passus verzichten, wenn der Kompromiss weiter Bestand hat.

Streitpunkt: Kapitel zu Netzsperren

Weiter stören sich Union und FDP an einem im Wesentlichen von mir formulierten Text zum Thema Netzsperren. Dieser Text wurde Wochen zuvor in der Projektgruppe Netzneutralität besprochen, fand aber keine Mehrheit – obwohl niemand konkrete Kritik oder Verbesserungsvorschläge äußerte. Man wollte das Thema einfach auf später verschieben. Die Absprache war dann, dass ich den Text ganz normal in der Enquête zur Abstimmung stelle und er je nach Ergebnis eben im Bericht selbst oder nur als Minderheitenvotum im Anhang erscheint. Auch wurde der Text nicht am Vorabend der Abstimmung sondern Wochen vor der Sitzung eingebracht. Es ist schade, dass Koalitionsabgeordnete versuchen, Ende Original-Link -->eine andere Legende zu stricken. Inhaltlich halte ich den Aspekt der Internet-Sperren für ein zu wichtiges Thema, um es einfach unter den Tisch fallen zu lassen: Die Sperrung von Inhalten jedweder Art ist die stärkste denkbare Verletzung der Netzneutralität, und ich bin der festen Ansicht, dass man dies natürlich auch ansprechen muss.

Ein großer Knackpunkt sind die Handlungsempfehlungen: Zwischen Opposition und Koalition bestehen große Meinungsverschiedenheiten darüber, wie mit Netzneutralität umgegangen werden soll. Die Opposition und die Mehrheit derer Sachverständiger wollen ein neutrales Netz sicherstellen und sind skeptisch, ob sich eine Priorisierung bestimmter Inhalte neutral umsetzen lässt, da dies immer mit einer Diskriminierung anderer Inhalte verbunden ist. Die Koalition und die Mehrheit derer Sachverständiger wollen die Netzneutralität dem freien Markt überlassen und diesem die Einführung von Diensteklassen empfehlen. Internet-Zugangsanbieter könnten sich so eine weitere Einnahmequelle eröffnen, Anbieter oder Kunden müssten draufzahlen, wenn sie eine ausreichende Geschwindigkeit für entsprechende Dienste wie Video-Streams oder Internet-Telefonie haben wollen. Damit wäre die Netzneutralität Geschichte.

Da die Koalition sich nicht darauf verlassen kann, dass alle Sachverständigen trotz hohem Druck linientreu abstimmen und einige Sachverständige in der letzten Sitzung um Verschiebung zur Überarbeitung der Texte gebeten haben, hatte ich gedacht, dass die Zeit dafür auch genutzt wird. Offensichtlich war dies eine falsche Hoffnung, und die Argumentation zur Verschiebung der Abstimmung nur vorgeschoben. Das ist schade, denn so wird es Montag mehrere Kampfabstimmungen mit ungewissem Ausgang geben, die wir hätten vermeiden können. Es ist daher zu vermuten, dass CDU/CSU und FDP mit diversen Geschäftsordnungstricks versuchen werden, ihre Mehrheit zu sichern. Aber vielleicht schaffen wir es ja dennoch, eine ausführliche inhaltliche Debatte zu führen. Für die weitere Arbeit in der Enquête-Kommission wäre dies zu wünschen!